Traumatische Neurose: Definition, Ursachen, Symptome und Behandlung

Neurosen sind ein weit verbreitetes Phänomen unserer Zeit. Schätzungsweise 13 bis 15 Millionen Menschen in Deutschland sind betroffen. Oftmals manifestieren sich diese Störungen im dritten Lebensjahrzehnt, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Der Begriff "Neurose" ist im alltäglichen Sprachgebrauch fest verankert und wird oft verwendet, um ungewöhnliches oder übertriebenes Verhalten zu beschreiben. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?

Was ist eine Neurotische Störung?

Eine neurotische Störung, auch Neurose genannt, ist eine dauerhafte seelische bzw. psychosozial bedingte Verhaltensstörung. Im Gegensatz zu Psychosen haben Neurosen keine nachweisbare körperliche Ursache. Um eine Neurose diagnostizieren zu können, müssen organische Störungen als Ursache für das Fehlverhalten definitiv ausgeschlossen werden. Menschen mit Neurosen sind sich der Störung bewusst, können aber das daraus resultierende Handeln nicht willentlich steuern.

Der Begriff Neurose leitet sich von den griechischen Wörtern "Neuron" (Nerv) und "-ose" (ähnlich der deutschen Endung "-keit") ab, was so viel wie "Nervlichkeit" bedeutet. Obwohl der Begriff bereits 1776 von Cullen eingeführt wurde, erlangte er erst durch Sigmund Freud nachhaltige Verbreitung.

Ursachen von Neurosen

Neurosen entstehen durch die Eigenaktivität der Psyche und sind nicht angeboren, sondern entwickeln sich im Laufe des Lebens. Die Ursachen liegen oft in unbewussten, unbewältigten seelischen Konfliktsituationen, die meist frühkindlich sind. Diese Konflikte können in einer gestörten emotionalen Kind-Eltern-Beziehung (mit Frustrierung und Verwöhnung) begründet liegen oder im Gegensatz und Widerstreit zwischen Bedürfnissen und Trieben einerseits und Geboten und Verhaltensforderungen der Umwelt andererseits.

  • Innerseelische oder zwischenmenschliche Konflikte: Nicht verarbeitete Konflikte können zu neurotischen Symptomen führen.
  • Traumatische Erlebnisse: Einzelne traumatische Ereignisse können neurotische Entwicklungen anstoßen und sogar zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Ist das Trauma groß, löst es eine posttraumatische Belastungsstörung aus. Eine posttraumatische Belastungs­störung ist eine Sonderform der neurotischen Entwicklung.
  • Belastende Lebenssituationen: Dauerhafte psychosoziale Missstände, besonders in der Kindheit, können traumatisierend wirken, wenn sie den Eigenwert des Individuums leugnen und/oder sein Selbstbestimmungsrecht infrage stellen.
  • Ausschlaggebende Veränderungen im Leben: Wichtige Veränderungen im Leben können ebenfalls Auslöser sein.

Ob eine Person mental gesund bleibt oder eine neurotische Störung entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

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  • Individuelle Lebenserfahrungen
  • Innere Kräfte
  • Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein
  • Soziale Umstände
  • Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Hilfs-/Unterstützungssysteme

Sigmund Freud (1856-1939) sah die Auseinandersetzungen während der emotional-psychosexuellen Entwicklung innerhalb der Dreiecksbeziehung Kind-Mutter-Vater als den wichtigsten Nährboden für diese Konflikte. Durch die Fixierung bestimmter infantiler Komplexe (unverarbeitet, affektiv überwertig, unbewusst) kommt es zu einer Unterentwicklung elementarer Lebensbereiche.

Symptome von Neurosen

Neurosen können sich vielfältig äußern. Die Symptome können sowohl psychischer/emotionaler als auch körperlicher Natur sein. Einige Symptome treten dauerhaft auf, andere nur in bestimmten Situationen.

Seelische Beschwerdebilder:

  • Ängste und Phobien
  • Zwänge
  • Hemmungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Unsicherheit, Schamgefühl
  • Gestörtes Selbstwertgefühl
  • Aggressivität
  • Nachlassendes Leistungsverhalten

Körperliche Symptome:

  • Reizdarmbeschwerden
  • Schluckbeschwerden
  • Lähmungen
  • Stress
  • Stottern
  • Einnässen, Einkoten
  • Essstörungen
  • Nägelkauen

Es ist wichtig zu betonen, dass die körperlichen Symptome nicht die Ursachen der Neurose sind, sondern lediglich mit ihr einhergehen.

Arten von Neurosen

Der Sammelbegriff Neurose umfasst verschiedene Gruppen von Störungen:

  • Phobien: Krankhafte Angst vor bestimmten Situationen, Gegenständen oder Lebewesen. Beispiele sind soziale Phobie, Agoraphobie (Angst vor öffentlichen Plätzen) oder spezifische Phobien (z.B. Angst vor Spinnen oder Höhen).
  • Zwangsstörungen (Zwangsneurose): Wiederkehrende, aufdringliche Gedanken (Zwangsgedanken) und/oder Handlungen (Zwangshandlungen), die der Betroffene ausführen muss, um Angst zu reduzieren. Ein Beispiel ist ständiges Händewaschen.
  • Dissoziative Störungen: Störungen der Identität, des Gedächtnisses oder des Bewusstseins. Ein Beispiel ist die multiple Persönlichkeitsstörung.
  • Somatoforme Störungen: Körperliche Beschwerden, für die keine ausreichende organische Ursache gefunden werden kann. Ein Beispiel ist Hypochondrie (übermäßige Angst vor Krankheiten).
  • Neurotische Depression: Depressive Verstimmungen, die im Zusammenhang mit neurotischen Konflikten stehen.
  • Hysterische Neurose: Eine veraltete Bezeichnung für Störungen, die sich durch dramatische, übertriebene Verhaltensweisen und körperliche Symptome ohne organische Ursache äußern.
  • Neurotische Persönlichkeitsstörung (Charakterneurosen): Langfristige, unflexible Verhaltensmuster, die zu Leiden und Problemen in verschiedenen Lebensbereichen führen.

Spezifische Angststörungen

  • Generalisierte Angststörung: Anhaltende, übermäßige Sorgen und Ängste, die sich auf verschiedene Lebensbereiche beziehen. Diese ständige Sorgenbereitschaft ist nicht zu kontrollieren.
  • Panikstörung: Plötzliche, unerwartete Angstanfälle, die von körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot und Schwindel begleitet werden. Oftmals entwickelt sich die Angst, einen weiteren Angstanfall zu bekommen.
  • Agoraphobie: Angst vor Situationen, in denen eine Flucht schwierig oder peinlich sein könnte, z.B. öffentliche Plätze, Menschenmengen, Tunnel oder Fahrstühle.
  • Soziale Phobie: Krankhafte Angst vor anderen Menschen und sozialen Situationen, aus Angst, negativ bewertet oder abgelehnt zu werden. Dies führt oft zu Vermeidungs- und Rückzugstendenzen.
  • Spezifische Phobien: Angst vor spezifischen Situationen, Gegenständen oder Lebewesen, z.B. Türme, Gewitter, Dunkelheit, Flugreisen, Tiere oder Blut.

Diagnose von Neurosen

Die Diagnose einer Neurose erfordert eine sorgfältige Anamnese und Untersuchung durch einen qualifizierten Therapeuten oder Arzt. Dabei werden verschiedene Aspekte berücksichtigt:

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  • Gespräche mit dem Patienten: Umfassende Gespräche, um die Symptome, die Lebensgeschichte und die aktuellen Belastungen des Patienten zu erfassen.
  • Psychologische Tests: Fragebögen und Tests, um die Art und den Schweregrad der Symptome zu beurteilen.
  • Ausschluss organischer Ursachen: Um sicherzustellen, dass die Symptome nicht durch eine körperliche Erkrankung verursacht werden.

Behandlung von Neurosen

Neurosen sind in vielen Fällen gut behandelbar. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die je nach Art und Schweregrad der Störung eingesetzt werden:

  • Psychotherapie: Die wichtigste Säule der Behandlung. Verschiedene Therapieformen können helfen, die unbewussten Konflikte aufzudecken, die zugrunde liegenden Ursachen zu bearbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu erlernen. Besonders bewährt haben sich:
    • Psychoanalyse: Eine tiefenpsychologische Methode, die darauf abzielt, unbewusste Konflikte und frühkindliche Erfahrungen zu bearbeiten.
    • Verhaltenstherapie: Eine Methode, die darauf abzielt, dysfunktionale Verhaltensmuster zu verändern und neue, konstruktive Verhaltensweisen zu erlernen. Verhaltenstherapeutische Verfahren sind besonders wirksam bei Phobien.
    • Kognitive Verhaltenstherapie: Eine Kombination aus Verhaltenstherapie und kognitiver Therapie, die darauf abzielt, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
    • Hypnose: Eine medizinisch anerkannte und bewährte Therapieform, die nicht nur Symptome lindert, sondern das Problem an der Wurzel bekämpft. Die Ursachen der Neurotischen Störung werden im Trance Zustand aufgearbeitet, verdrängte Erlebnisse und Gefühle wieder ins Bewusstsein geholt. Mit passenden Suggestionen lernt der Patient die antrainierten Verhaltensmuster zu durchbrechen und neu damit umzugehen.
  • Medikamentöse Behandlung: In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern. Dies ist jedoch in der Regel nur eine begleitende Maßnahme zur Psychotherapie. Häufig eingesetzte Medikamente sind:
    • Antidepressiva: Besonders selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), die das Ungleichgewicht im System der Botenstoffe ausgleichen können.
    • Anxiolytika (Angstlöser): Können vorübergehende Erleichterung bei Angstzuständen bewirken, behandeln aber nicht die Ursache der Neurose.
  • Weitere unterstützende Maßnahmen:
    • Entspannungstechniken: Autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Yoga können helfen, Stress abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
    • Achtsamkeitstraining: Kann helfen, die eigenen Gedanken und Gefühle bewusster wahrzunehmen und besser mit ihnen umzugehen.
    • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.

Bedeutung der Persönlichkeitsstruktur

Die Persönlichkeitsstruktur spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Neurosen. Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können die Anfälligkeit für neurotische Störungen erhöhen.

  • Selbstunsicherheit, Ängstlichkeit, Gehemmtheit: Menschen mit diesen Eigenschaften neigen eher dazu, sich Sorgen zu machen und Ängste zu entwickeln.
  • Konflikthafte und ambivalente Einstellung zu anderen Menschen: Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen können zu inneren Konflikten und somit zu neurotischen Symptomen führen.
  • Neigung, Zwängen nachzugeben: Menschen mit einer starken Neigung zu Ordnung und Kontrolle sind anfälliger für Zwangsstörungen.

Neurose und Realitätsbezug

Im Gegensatz zu Psychosen bleibt bei Neurosen der Realitätsbezug im Allgemeinen erhalten. Die Persönlichkeit bleibt also erhalten. Neurotisch Erkrankte sind in ihrer Einstellung selbstunsicher, ängstlich, gehemmt, haben aber unbewusst eine konflikthafte und ambivalente Einstellung zu anderen Menschen. Allerdings können auch bei Neurosen unangemessene exzessive Befürchtungen auftreten.

Neurose im Kontext der modernen Diagnostik

In den modernen Diagnosemanualen DSM-5 und ICD-10 wird der Begriff Neurose nicht mehr verwendet. Stattdessen werden verschiedene Störungen unter den Kategorien "neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen" zusammengefasst. Diese Veränderungen reflektieren die Weiterentwicklung des Verständnisses psychischer Störungen und die Notwendigkeit, differenziertere Diagnosekriterien zu verwenden.

Infantilneurosen und Aktualneurosen

Sich in der Kindheit entwickelnde Neurosen bezeichnet man als Infantilneurosen, die im späteren Leben entstehenden als Aktualneurosen. Die Entstehung neurotischer Symptome erfolgt nach dem Prinzip der Symbolisierung und Identifikation. Das heißt, das neurotische Symptom (z.B. Gehstörung) ist Ausdruck der zugrunde liegenden Störung (Unsicherheit, Hilflosigkeit, Standverlust). Je nach Manifestation der neurotischen Symptome im körperlichen oder im seelischen Bereich unterscheidet man Konversions- und Psychoneurosen.

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