Welche Gehirnhälfte ist für welche Körperseite zuständig? Eine umfassende Analyse

Auf den ersten Blick erscheint das menschliche Gehirn vollkommen symmetrisch, doch dieser Eindruck täuscht. In ihrer Funktion unterscheiden sich die beiden Gehirnhälften voneinander. Die linke und rechte Hemisphäre sind über einen Balken verbunden und arbeiten eng zusammen, auch wenn bei bestimmten Aufgaben eine Hemisphäre die Führung übernimmt. Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage für die weitverbreitete Vorstellung, dass Menschen eher mit der linken oder rechten Hemisphäre „denken“. Stattdessen verteilen sich die Aufgaben des Gehirns auf verschiedene Areale, die meistens sowohl links als auch rechts über das Gehirn verteilt sind.

Steuerung über Kreuz

Die Steuerung der Muskulatur durch das Gehirn erfolgt über Kreuz: Die linke Gehirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Bei Rechtshändern ist der motorische Kortex der linken Hemisphäre in der Regel etwas größer und stärker vernetzt als auf der Gegenseite. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Mehrheit der Menschen Rechtshänder sind, weil der Bereich, der für das Herstellen und Benutzen von Werkzeugen verantwortlich ist, in der linken Hälfte lokalisiert werden kann. Die Voraussetzungen für diese “Händigkeit” sind überwiegend genetisch bedingt, die Präferenz für eine Seite beginnt sich bereits vor der Geburt zu entwickeln. Ein spezielles Rechts- oder Linkshänder-Gen gibt es nicht, die Händigkeit ist vielmehr polygenetisch veranlagt, wobei auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen.

Sprachzentrum

Bei über 90 Prozent der Menschen ist die linke Hemisphäre die dominante Hemisphäre für Sprache und Motorik der geschickteren Hand. Bei Linkshändern kann jedoch auch die rechte Hemisphäre dominant sein. Die Unterschiede zwischen den Gehirnen von Links- und Rechtshändern sind jedoch subtiler als lange Zeit angenommen. Im Großhirn ist die Hirnrinde der linken Gehirnhälfte für die Sprache verantwortlich. Im 19. Jahrhundert beschrieben Paul Broca und Karl Wernicke die an der Sprache beteiligten Bereiche der linken Hemisphäre: das Broca-Areal und das Wernicke-Areal. Diese Erkenntnisse inspirierten die Idee der Gehirnasymmetrie.

Broca- und Wernicke-Areal

Sprache wird im Gehirn hauptsächlich im sogenannten Broca-Areal und im Wernicke-Areal verarbeitet. Das Broca-Areal ist dabei hauptsächlich für die Sprachproduktion verantwortlich.

Aphasie

Bei einem Schlaganfall lässt sich der Ort der Schädigung im Gehirn direkt an den Symptomen erkennen. Wenn die linke Gehirnhälfte ausfällt, beispielsweise aufgrund eines Schlaganfalls, findet eine Lähmung der rechten Seite des Körpers statt, eine sogenannte Hemiplegie. Außerdem kann eine Wortfindungsstörung ausgelöst werden.

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Weitere Funktionen der linken Gehirnhälfte

Neben der Sprachsteuerung und der Steuerung der rechten Körperhälfte ist die linke Gehirnhälfte auch für andere wichtige Funktionen zuständig:

  • Motorische Sprachsteuerung: Die komplexen Vorgänge während des Sprechens werden dort kontrolliert.
  • Verständnis abstrakter Begriffe: Begriffe wie Glück und Liebe, also Konzepte, die nicht konkret sind, werden vorwiegend in der linken Gehirnhälfte verarbeitet.
  • Wahrnehmung von Details: Die Wahrnehmung von Details findet hauptsächlich in der linken Gehirnhälfte statt.
  • Wahrnehmung von zeitlichen Details: Kleine Unterschiede zwischen Zeitabständen werden ebenfalls dort verarbeitet.
  • Semantisches Gedächtnis: Das semantische Gedächtnis ist in der linken Hemisphäre angesiedelt.

Zusammenarbeit beider Hemisphären

Es wird demnach vermutet, dass sehr detaillierte Funktionen einer Gehirnhälfte zuzuordnen sind, es aber nicht möglich ist, größere Funktionen, wie z.B. analytisches Denken, ausschließlich der linken oder rechten Gehirnhälfte zuzuschreiben. In den allermeisten Fällen agieren beide Hemisphären in Kombination, um komplexe Aufgaben zu lösen. Die Goethe Universität in Frankfurt am Main hat in einer Studie das Zusammenspiel der beiden Gehirnhälften beim Sprechen untersucht und ist zu neuen Erkenntnissen gekommen. Es konnte festgestellt werden, dass die linke Gehirnhälfte zeitliche Aspekte wie den Übergang von Sprachlauten kontrolliert, während die rechte Hirnhälfte dafür zuständig ist, dass die Laute, die unser Mund formt, auch so klingen wie sie klingen sollen. Des Weiteren wurde herausgefunden, dass die linke Hemisphäre bevorzugt zum Steuern schneller Bewegungen genutzt wird, während die rechte Seite besser langsame Abläufe kalibrieren kann.

Was passiert, wenn die linke Gehirnhälfte ausfällt?

Wenn die linke Gehirnhälfte ausfällt, beispielsweise aufgrund eines Schlaganfalls, findet eine Lähmung der rechten Seite des Körpers statt, eine sogenannte Hemiplegie. Außerdem kann eine Wortfindungsstörung ausgelöst werden.

Gehirntraining

Nur die linke Gehirnhälfte zu trainieren, lohnt sich nicht und ist auch nicht wirklich umsetzbar, da beide Gehirnhälften miteinander vernetzt arbeiten. Ein ganzheitliches Training sollte daher immer das Ziel sein. Am effektivsten dabei ist, ein wissenschaftlich belegtes Gehirntraining zu absolvieren, als zu versuchen, speziell die linke Hemisphäre zu verbessern. Um die Fähigkeiten der linken Gehirnhälfte zu trainieren, bieten sich vor allem Übungen der Kategorie schlussfolgerndes Denken an, diese werden in der linken Hemisphäre verarbeitet. Da die linke Gehirnhälfte die rechte Hand kontrolliert, können gerade Linkshänder davon profitieren, einfache Aufgaben wie das Zähneputzen mit der rechten Hand zu erledigen. Vielversprechender ist es, den gesamten Kopf zu trainieren. Durch ein Gehirntraining sind Sie in der Lage, Ihr Gehirn effektiv zu trainieren.

Mythos "Rechts- oder Linkshirnig"

Dabei hält sich die Annahme hartnäckig, dass jede Gehirnhälfte ihre eigenen spezifischen Aufgaben hat. Es wird immer wieder über die „emotionale rechte Gehirnhälfte“ und die „analytische linke Gehirnhälfte“ gesprochen. So soll bei analytisch denkenden und berechnenden Menschen die linke Gehirnhälfte ausgeprägter sein. Bei kreativen Menschen sei die rechte Gehirnhälfte dominant. Es stimmt: Das menschliche Gehirn ist in zwei Gehirnhälften geteilt. Diese Hälften funktionieren jedoch nicht so isoliert voneinander, wie viele denken. Stattdessen arbeiten sie zusammen und stehen in ständigem Kontakt miteinander. Es gibt keine “Rechtshirnigkeit” und keine “Linkshirnigkeit”, denen man bestimmte Eigenschaften zuschreiben könnte.

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Evolutionäre Erklärung für die überkreuzte Steuerung

Die historisch älteste Erklärung für die überkreuzte Verknüpfung von Hirn- und Körperhälften stammt von dem spanischen Mediziner Santiago Ramón y Cajal und bezieht sich auf die Kreuzung der Sehnervenfasern. Cajals Erklärung hat sich mittlerweile aus vielen Gründen als falsch herausgestellt, unter anderem weil wir die Welt gar nicht wie einen Film in unserem Gehirn repräsentieren. Eine heute eher herangezogene wissenschaftliche Erklärung führt uns in eine Zeit lange vor der unseren zurück, als Wirbeltiere im Wasser lebten und ihr Gehirn aus nicht viel mehr als aus einem Rückgrat und dem Hirnstamm bestand.

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