Tuberöse Sklerose: Vererbung, Diagnose und Behandlung

Die Tuberöse Sklerose (TSC), auch bekannt als Tuberous Sclerosis Complex oder Morbus Bourneville-Pringle, ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung. Sie gehört zur Gruppe der Phakomatosen (neurokutane Syndrome). Die Inzidenz wird mit etwa 1:7.000 angegeben. TSC ist durch multiple, lokale Areale unvollständiger und abnormer Gewebsdifferenzierung gekennzeichnet, die als Hamartien bezeichnet werden. Bei verstärkter Proliferation werden diese als Hamartome bezeichnet, bleiben jedoch gutartig.

Was ist Tuberöse Sklerose?

Die Tuberöse Sklerose ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der es zum Wachstum gutartiger Tumoren (Hamartomen) in verschiedenen Organen kommt. Am häufigsten betroffen sind Gehirn, Haut, Nieren, Herz und Augen. Die Erkrankung manifestiert sich oft bereits im Kindesalter und kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, was ihr den Beinamen "Krankheit mit vielen Gesichtern" eingebracht hat. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 7.145 Menschen von TSC betroffen. Genaue Zahlen sind jedoch schwer zu ermitteln, da die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und die Diagnose oft erst spät erfolgt.

Ursachen und Vererbung

Ursächlich für die Tuberöse Sklerose sind Mutationen in den Genen TSC1 und TSC2. Diese Gene enthalten den Bauplan für die Proteine Hamartin (TSC1) und Tuberin (TSC2). Normalerweise hemmen diese Proteine das Eiweiß mTOR, das für Zellwachstum und -teilung zuständig ist. Liegt jedoch eine Mutation in einem der beiden Gene vor, wird die Aktivität von mTOR nicht mehr ausreichend gehemmt, was zu einer verstärkten Zellteilung und zur Bildung von Hamartomen führt.

Die Tuberöse Sklerose wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass bereits eine Mutation in einer der beiden Genkopien ausreicht, um die Erkrankung auszulösen. In etwa einem Drittel der Fälle wird die Mutation von einem Elternteil vererbt. In den übrigen 70 % der Fälle tritt die Erkrankung sporadisch auf, d.h. die Mutation entsteht neu. Auch wenn ein Elternteil nur geringe Symptome aufweist, kann das Kind eine stark ausgeprägte Form der TSC entwickeln.

Diagnosestellung

Die Diagnose der Tuberösen Sklerose basiert auf klinischen Kriterien und kann durch genetische Tests bestätigt werden. Die aktualisierten diagnostischen Kriterien von 2013 ermöglichen sowohl eine genetische als auch eine klinische Diagnose. Der Nachweis einer pathogenen Variante im TSC1- oder TSC2-Gen ist ausreichend für die Diagnosestellung.

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Die klinische Diagnose wird anhand von Haupt- und Nebenkriterien gestellt. Zu den Hauptkriterien gehören u.a.:

  • Hypomelanotische Flecken (helle Hautflecken)
  • Angiofibrome (gutartige Tumoren im Gesicht)
  • Shagreen-Patch (lederartige Hautveränderung im unteren Rückenbereich)
  • Subependymale Knötchen (gutartige Tumoren im Gehirn)
  • Retinale Hamartome (gutartige Tumoren in der Netzhaut)
  • Angiomyolipome (gutartige Tumoren in den Nieren)
  • Lymphangioleiomyomatose (LAM) (Lungenerkrankung, hauptsächlich bei Frauen)
  • Subependymales Riesenzellastrozytom (SEGA) (bestimmter Hirntumor)

Liegen zwei oder mehr Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium plus zwei Nebenkriterien vor, gilt die Diagnose als gesichert. Wenn nur ein Hauptmerkmal oder zwei Nebenkriterien vorliegen, gilt die Erkrankung als möglich. Bei etwa 15 % der Patienten mit klinischen Symptomen kann jedoch keine Mutation in den TSC-Genen nachgewiesen werden.

Symptome und Organmanifestationen

Die Symptome der Tuberösen Sklerose sind vielfältig und können von Patient zu Patient stark variieren. Die Organmanifestationen sind fakultativ, d.h. keines der Symptome ist immer nachweisbar. Einige Symptome haben keinen Krankheitswert, weisen aber darauf hin, dass die betroffene Person Anlageträger ist.

Haut:

  • Hypomelanotische Flecken (weiße Flecken) sind oft die ersten Anzeichen und können bereits im Säuglingsalter auftreten.
  • Angiofibrome (rötliche Papeln im Gesicht) treten typischerweise im späteren Kindesalter auf.
  • Shagreen-Patch (lederartige Hautveränderungen im unteren Rückenbereich)
  • Subunguale Fibrome (knollenartige Veränderungen unter den Nägeln)

Gehirn:

  • Subependymale Knötchen (SEN) und kortikale Tubera (Fehlbildungen der Hirnrinde) sind charakteristisch für TSC und können in der Magnetresonanztomographie (MRT) sichtbar gemacht werden.
  • Epileptische Anfälle treten häufig auf und können bereits in den ersten Lebensmonaten beginnen. Oft wird bei Säuglingen das West-Syndrom diagnostiziert.
  • Entwicklungsstörungen mit Beeinträchtigung der Sprach- und Bewegungsentwicklung, Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten können auftreten.
  • Autismus-Spektrum-Störungen sind bei TSC-Patienten häufiger.
  • Subependymale Riesenzellastrozytome (SEGA) sind gutartige Tumoren, die im Gehirn wachsen und zu Komplikationen führen können.

Nieren:

  • Angiomyolipome (AML) sind gutartige Tumoren, die häufig in den Nieren auftreten. Sie können zu Blutungen führen und müssen in manchen Fällen behandelt werden.
  • Nierenzysten sind ebenfalls häufig.
  • Nierenkrebs tritt bei TSC-Patienten häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.

Herz:

  • Rhabdomyome sind gutartige Tumoren des Herzmuskels, die oft bereits vor der Geburt diagnostiziert werden können. Sie bilden sich meist im Laufe der Zeit zurück.

Lunge:

  • Lymphangioleiomyomatose (LAM) ist eine Lungenerkrankung, die hauptsächlich bei Frauen auftritt. Sie ist durch Zystenbildung und Veränderungen der glatten Muskulatur gekennzeichnet und kann zu Lungenfunktionsstörungen führen.

Augen:

  • Retinale Hamartome sind gutartige Tumoren in der Netzhaut, die das Sehvermögen beeinträchtigen können.

Zähne und Mundraum:

  • Zahnschmelzdefekte und Zahnfleischfibrome sind häufig.

Therapie

Die Tuberöse Sklerose ist nach heutigem Stand nicht heilbar. Die Behandlung orientiert sich daher an den Beschwerden, unter welchen die Patienten leiden. Ziel der Therapie ist es, die Symptome zu lindern, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ein interdisziplinärer Therapieansatz ist wichtig, um die vielseitigen klinischen Manifestationen zu überwachen und zu behandeln. Das Behandlungsteam sollte aus Fachärzten, Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeitern bestehen.

Epilepsie:

  • Antiepileptische Medikamente sind oft notwendig, um Anfälle zu kontrollieren.
  • In therapieresistenten Fällen kann eine ketogene Diät oder eine Operation in Betracht gezogen werden.

Tumoren:

  • mTOR-Inhibitoren (z.B. Sirolimus, Everolimus) können eingesetzt werden, um das Wachstum von bestimmten Hirn- und Nierentumoren zu verlangsamen. Everolimus ist sogar ein eigens für TSC zugelassenes Medikament.
  • Große Tumoren können operativ entfernt werden.

Weitere Therapien:

  • Heilpädagogische Maßnahmen können bei Entwicklungsstörungen und Lernschwierigkeiten helfen.
  • Psychologische Unterstützung kann bei Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Problemen hilfreich sein.
  • Regelmäßige zahnmedizinische Untersuchungen sind wichtig.

Forschung und Ausblick

Die Forschung zur Tuberösen Sklerose hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Insbesondere das Verständnis der genetischen Ursachen und der zugrundeliegenden Signalwege hat zu neuen Therapieansätzen geführt. Die Entwicklung von mTOR-Inhibitoren hat die Behandlung von TSC revolutioniert.

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Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind:

  • Weitere Verbesserung der medikamentösen Therapie
  • Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung von Epilepsie
  • Früherkennung und Prävention von Komplikationen
  • Verbesserung der Lebensqualität von TSC-Patienten und ihren Familien

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