UMC Utrecht Neurochirurgie: Innovation und Fortschritt in der Hirnchirurgie

Die Neurochirurgie ist ein medizinisches Fachgebiet, das höchste Präzision und Expertise erfordert. Am Universitätsklinikum Utrecht (UMC Utrecht) und seinen Ablegern, wie dem Princess Máxima Center, werden innovative Ansätze verfolgt, um die Behandlung von Hirnerkrankungen, insbesondere bei Kindern, zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen in der Neurochirurgie des UMC Utrecht.

Neurochirurgie im Princess Máxima Center: Einblicke in die Kinderneuroonkologie

Das Princess Máxima Center, eine Einrichtung des UMC Utrecht, hat sich auf die Behandlung von Krebs bei Kindern spezialisiert. Eelco Hoving, ein Kinderhirnchirurg und Leiter der Neuroonkologie, betont die Unversöhnlichkeit der Neurochirurgie: "Neurochirurgie ist, dass sie keine Fehler verzeiht." Umso wichtiger ist es, präzise Diagnosen zu stellen und die bestmögliche Behandlungsstrategie zu entwickeln.

Die Herausforderung der intraoperativen Entscheidungsfindung

Neurochirurgen stehen oft vor der schwierigen Aufgabe, während einer Operation wichtige Entscheidungen treffen zu müssen. Wenn ein Patient mit geöffnetem Schädel vor ihnen liegt, müssen sie mit unvollständigen Informationen entscheiden, ob es sich tatsächlich um einen Tumor handelt und, falls ja, um welche Art von Tumor. Ist es eine aggressive Form, die schnellstmöglich entfernt werden muss?

Hoving erinnert sich an einen Fall, in dem ein Schnellschnitt auf einen hochgradig malignen embryonalen Tumor (ATRT) hindeutete. Aufgrund dieser Information entschied er sich für eine aggressive Resektion, was jedoch dazu führte, dass der Patient vorübergehend die Kontrolle über einen Arm verlor. Spätere Laborergebnisse zeigten, dass es sich in Wirklichkeit um ein Germinom handelte, das mit Bestrahlung und Chemotherapie hätte behandelt werden können. Dieser Fall verdeutlicht die Notwendigkeit schnellerer und präziserer Diagnoseverfahren.

Künstliche Intelligenz zur schnellen Tumoridentifizierung

Um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden, arbeitet Hoving mit einem Forschungsteam am Princess Máxima Center zusammen, das seit Sommer 2023 mit Künstlicher Intelligenz (KI) experimentiert, um Tumore innerhalb kürzester Zeit zu identifizieren. "Pathologen begutachten weiterhin jede Probe", betont Bastiaan Tops, Leiter des Labors für Kinderkrebspathologie am Princess Máxima Center. Die KI-gestützte Diagnostik soll die Arbeit der Pathologen jedoch ergänzen und beschleunigen.

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Die Idee zu diesem Projekt entstand Anfang 2022, als Tops erfuhr, dass Jeroen de Ridder, Prüfarzt und Lehrbeauftragter am Zentrum für Molekularmedizin, bedeutende Fortschritte bei der molekularen Sequenzierung erzielt hatte. Tops erkannte das Potenzial, diese Sequenzierungstechnologie mit einem neuen Algorithmus zu kombinieren, um die Tumoridentifizierung zu beschleunigen. De Ridder schlug die Anwendung der Nanoporen-Sequenzierung für ultraschnelle Diagnosen vor.

Nanoporen-Sequenzierung: Technologie im Detail

Der Nanoporen-Sequenzierer ist ein kompaktes Gerät, das bereits ab 2000 US-Dollar erhältlich ist. Diese relativ geringen Kosten machen die Technologie auch für Krankenhäuser in Entwicklungsländern zugänglich. Im Inneren des Sequenzierers wird ein DNA-Strang durch eine Membran mit winzigen Öffnungen, den sogenannten Nanoporen, geführt. Jede Nanopore ist mit einer Elektrode und einem Sensor verbunden, der Schwankungen des elektrischen Stroms aufzeichnet, wenn sich der Strang an den Öffnungen vorbeibewegt. Diese Schwankungen erzeugen eine charakteristische Signatur für jeden Strang, die als Basissequenz entschlüsselt werden kann.

Echtzeit-Diagnose mittels KI: Ein Paradigmenwechsel in der Neurochirurgie

Die Technologie ermöglicht es, DNA in Echtzeit zu analysieren, während die Operation noch läuft. "Diese Technologie liefert uns schon nach zehn bis vierzig Minuten Ergebnisse", erklärt der Neurochirurg. Dies bietet einen entscheidenden Vorteil, da die Ärzte bereits während des Eingriffs über das weitere Vorgehen entscheiden können. Die KI wurde mit zahlreichen DNA-Profilen trainiert und kann über 80 Tumorarten unterscheiden.

Der Nanoporen-Sequenzer zieht die Erbgut-Stränge durch die winzigen Nanoporen, wodurch ein einzigartiges Muster entsteht, das einem genetischen Fingerabdruck ähnelt. Jeroen de Ridder veranschaulicht das Prinzip anhand eines Bildes eines Elefanten: Ein gestochen scharfes Bild wird einem stark verpixelten Bild gegenübergestellt. Obwohl der Elefant auf dem verpixelten Bild kaum zu erkennen ist, sind alle wesentlichen Informationen bereits enthalten.

Auswirkungen auf die Patientenversorgung

Die schnelle Diagnose verändert nicht nur die Operation, sondern erhöht auch die Überlebenschancen der Kinder erheblich. Die Technologie könnte vor allem in Ländern mit begrenzten Ressourcen große Wirkung entfalten, da sie kostengünstig, schnell und ohne komplexe Infrastruktur einsetzbar ist. Das Forschungsteam arbeitet bereits mit Laboren in anderen Regionen zusammen, um ihnen bei der Einrichtung des Systems zu helfen.

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Die Forscher betonen, dass der Erfolg nur durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen möglich war. De Ridder, ein Elektroingenieur, betont die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit. Die Technologie soll bald in weiteren Kliniken eingesetzt werden.

Weitere Innovationen und Forschungsschwerpunkte am UMC Utrecht

Neben der KI-gestützten Tumoridentifizierung gibt es am UMC Utrecht weitere innovative Projekte und Forschungsschwerpunkte im Bereich der Neurochirurgie.

3D-gedruckte Schädelimplantate

Medizinern und Neurochirurgen der UMC Utrecht ist es erstmalig gelungen, einen mit einem 3D-Drucker hergestellten Schädel zu verpflanzen. Der 3D-gedruckte Schädel wurde vom Körper der 22-jährigen Patientin nicht abgestoßen. Es handelt sich dabei um den ersten erfolgreichen Eingriff dieser Art.

Nach einer Pressemitteilung der Universitätklinik im niederländischen Utrecht wurde einer Frau in einer 23 Stunden langen Operation eine künstliche Schädeldecke aus dem 3D-Drucker verpflanzt, nachdem die körpereigene Decke des Schädels vorher entfernt worden war. Es sei die erste erfolgreiche neurochirurgische Operation unter Einsatz von 3D-Druck, vor allem weil das Implantat vom Körper nicht abgestoßen wurde.

Die Schädeldecke wurde aus einem speziellen harten robusten Kunststoff gefertigt. Es sei unklar, ob sie irgendwann ersetzt werden muss oder ob die Decke das ganze Leben besteht. Nach Angaben der Klinik gehe es der Patientin gut, sie hätte ihre Arbeit wieder aufgenommen und ihre volle Sehkraft wieder erlangt. In der 3D-Drucktechnik sehen die Ärzte die Hoffnung, dass damit auch andere Knochenkrankheit praktisch heilen kann, indem künstliche Implantate zum Einsatz kommen. Die Reparatur schwer beschädigter Schädel wie durch einen Unfall oder Tumor sei ein weiteres Feld, wo die innovative Technologie eingesetzt werden könnte.

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Forschung zu Brain-Computer-Interfaces (BCI)

Das UMC Utrecht ist auch führend in der Forschung und Entwicklung von Brain-Computer-Interfaces (BCI). Diese Technologie ermöglicht es Menschen mit schweren Lähmungen, ihre Gedanken zur Steuerung externer Geräte zu nutzen.

Die Forschungsgruppe von Mariska van Steensel hat bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung vollständig implantierter BCI-Systeme erzielt. Diese Systeme ermöglichen es Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) in fortgeschrittenem Stadium, über einen längeren Zeitraum zu kommunizieren und ihre Umgebung zu steuern.

Die Forschung umfasst auch die Identifizierung von Gehirnbereichen, die für die BCI-Steuerung geeignet sind, und die Entwicklung von Algorithmen zur Verbesserung der Signalverarbeitung und der Genauigkeit der Steuerung.

Wissenschaftliche Kooperationen

Das UMC Utrecht pflegt zahlreiche wissenschaftliche Kooperationen mit anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. Diese Kooperationen ermöglichen den Austausch von Wissen und Expertise und fördern die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden.

Einige Beispiele für aktuelle Kooperationen sind:

  • PD Dr. Heiland, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinik Freiburg: HO-1 Expressionsmuster und inflammatorische Signatur in myeloiden Zellen im Zusammenhang mit Tumor-Immunität bei Glioblastom
  • Prof. Beck, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinik Freiburg: klinische Studie zum Einsatz von inhalativem NO zur Prävention und Therapie von zerebralen Vasospasmen nach Subarachnoidalblutung
  • Prof. Patrick Fuller, UC Davis Health, Sacramento, USA: Zirkadianität, zirkadiane Regulation und Detektion der pathophysiologischen Veränderungen nach hämorrhagischen und traumatischen Hirnschädigungen
  • Prof. Arjen Slooter, UMC Utrecht, Niederlande: EEG-basierten Delir-Monitorings auf der Intensivstation

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Trotz der beeindruckenden Fortschritte in der Neurochirurgie gibt es weiterhin Herausforderungen zu bewältigen.

Ethische Fragen der KI in der Medizin

Der Einsatz von KI in der Medizin wirft ethische Fragen auf. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die KI-Systeme transparent und nachvollziehbar sind und dass die Entscheidungen der KI von Ärzten überprüft werden können.

Zugang zu innovativen Technologien

Es ist wichtig sicherzustellen, dass innovative Technologien wie die Nanoporen-Sequenzierung und 3D-Druck auch für Patienten in Ländern mit begrenzten Ressourcen zugänglich sind.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Neurochirurgie ist ein komplexes Fachgebiet, das eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen erfordert. Es ist wichtig, diese Zusammenarbeit weiter zu fördern, um die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten.

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