Empathie ist ein grundlegender Aspekt menschlicher Interaktion und ermöglicht es uns, uns in andere einzufühlen und ihre Emotionen zu verstehen. Sie spielt eine wichtige Rolle in unseren alltäglichen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Dieser Artikel untersucht die neuronalen Mechanismen, die der Empathie zugrunde liegen, und konzentriert sich dabei auf die Verarbeitung von Schmerz und anderen Emotionen im Gehirn.
Was ist Empathie?
Empathie wird definiert als die Fähigkeit, sich in andere einzufühlen oder mitzufühlen. Dies beinhaltet das rasche und automatische Teilen von Gefühlszuständen, sei es in realen Situationen oder in der Vorstellung. Empathie ermöglicht es uns, die Emotionen anderer unmittelbar und qualitativ nachzuempfinden, eben weil wir die Repräsentation der Emotionen teilen und dadurch erfahrungsgeleiteter verstehen, wie sich die andere Person fühlt. Es ist wichtig, Empathie von verwandten Konzepten wie Mitleid und Mitgefühl zu unterscheiden. Während Empathie das Teilen und Verstehen von Emotionen beinhaltet, konzentrieren sich Mitleid und Mitgefühl auf Aspekte wie Sorge und Besorgnis um das Wohlbefinden einer anderen Person.
Die Rolle des Gehirns bei der Empathie
Neurowissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass unser Gehirn Empathie für den Schmerz anderer Personen in bestimmten Regionen verarbeitet, die Teil unseres körpereigenen Schmerznetzwerks sind. Dazu gehören der anteriore insuläre Kortex und der vordere mittlere zinguläre Kortex, die beide dem affektiv-motivationalen Teil der Schmerzwahrnehmung zugeschrieben werden. Der sensorisch-diskriminative Teil umfasst dagegen den primären und sekundären somatosensorischen Kortex. Der Ansatz der geteilten Repräsentationen sowie mit simulationstheoretischen Ansätzen besagt, dass das Nachempfinden von Emotionen anderer Personen neuronale Prozesse im Gehirn aktiviert, die teilweise auch beim eigenen Fühlen dieser Emotionen rekrutiert werden. In anderen Worten reaktivieren und nutzen wir unser eigenes Emotionsverarbeitungssystem, um die Emotionen Anderer nachzubilden (zu „simulieren“).
Empathie für Schmerz: Ein Modell für das Verständnis von Empathie
In der Empathieforschung wird physischer Schmerz gerne als Modell herangezogen, u. a. weil dieser in psychologischen Experimenten einfach und gut kontrollierbar wiederholt verabreicht werden kann. Ein schmerzhafter Reiz fühlt sich für die meisten auch bei mehrmaliger Wiederholung schmerzhaft an, ohne dass es zu starken Gewöhnungseffekten kommt, die hingegen bei Emotionen oft auftreten können. Das körpereigene Schmerznetzwerk im Gehirn kann grob in zwei Teile gegliedert werden: Der sensorische Teil arbeitet auf Hochtouren, um uns Informationen zur grundlegenden physischen Qualität des Schmerzes zu liefern, wie dessen Entstehungsort (Ellbogen), Art (stechend, kribbelnd) und Dauer (Sekunden). Der affektive Teil erfasst dagegen, wie subjektiv unangenehm der Schmerz ist und was getan werden muss, um ihn schnellstmöglich abzustellen.
Überlappende Gehirnaktivität bei der Beobachtung von Schmerz
Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben mittels neurowissenschaftlicher Methoden herausgefunden, dass im Gehirn überlappende, d. h. ähnliche Bereiche aktiv sind, wenn wir selber Schmerz empfinden und wenn wir beobachten, wie jemand anders Schmerz empfindet. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie oder Elektroenzephalographie wird dabei die Gehirnaktivität gemessen, entweder während Versuchspersonen selber Schmerz spüren, z. B. indem sie schmerzhafte elektrische Reize verabreicht bekommen, oder aber beobachten, wie eine andere Person solche Reize erhält. Empathie für Schmerz wird also teilweise in jenem Gehirn-Netzwerk verarbeitet, das auch in die körpereigene Schmerzwahrnehmung eingebunden ist.
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Der Einfluss von Medikamenten auf Empathie
Die Forschung hat gezeigt, dass die Einnahme von Medikamenten unsere Fähigkeit zur Empathie beeinflussen kann. Studien haben beispielsweise gezeigt, dass Placebo-Analgesie, eine Schmerzverringerung durch Gabe eines Scheinmedikaments, die Empathie für Schmerz beeinflussen kann. In einer Studie bekamen die Hälfte der Versuchspersonen eine Pille, die als wirkungsvolles Schmerzmedikament vorgestellt wurde, in Wahrheit aber keine aktiven Wirkstoffe enthielt (Placebogruppe). Die Kontrollgruppe erhielt dagegen keine Pille. Im eigentlichen Experiment bekamen zwei Versuchspersonen abwechselnd schmerzhafte elektrische Reize verabreicht. Empathie für den Schmerz der zweiten Versuchsperson. Es ist also möglich, dass Schmerzmedikamente nicht nur Schmerz, sondern allgemein negative Gefühlszustände beeinflussen.
Empathie bei psychischen Erkrankungen
Es gibt auch Hinweise darauf, dass psychische Erkrankungen das empathische Einfühlungsvermögen beeinträchtigen können. Studien haben gezeigt, dass bei Depressionen das empathische Einfühlungsvermögen eingeschränkt sein kann. Darüber hinaus deuten einige Forschungsergebnisse darauf hin, dass Antidepressiva zur Verringerung empathischer Reaktionen führen könnten. Autismus-Spektrum-Störung die u. a. Empathie eine große Rolle. Empathie. Es ist wichtig zu beachten, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die komplexen Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und Empathie vollständig zu verstehen.
Alexithymie und Empathie
Autismus-Spektrum-Störung oft gleichzeitig auftretende Beeinträchtigung ist Alexithymie. Davon Betroffene haben Probleme damit, eigene Gefühle zu erkennen und zu beschreiben, sowie diese Gefühle von körperlichen Zuständen wie Aufregung oder Erregung zu trennen. Autismus-Spektrum-Störung hatte. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Fähigkeit, eigene Emotionen zu erkennen und zu verarbeiten, für die Empathie.
Empathie im Alltag
Empathie spielt eine entscheidende Rolle in unseren alltäglichen sozialen Interaktionen. Sie ermöglicht prosoziales Verhalten, also helfende Verhaltensweisen wie körperliche Nähe, Zuspruch oder Hilfe holen. Zugleich können empathisch wahrgenommene Emotionen aber auch zu Rückzug (um sich selbst vor negativen Gefühlen zu schützen) oder gar zu antisozialen Verhaltensweisen wie Aggression führen. Empathie und späterem helfendem Verhalten gegenüber Anderen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu finden und Emotionen adäquat zu regulieren, um nicht überlastet zu werden.
Empathie lernen und fördern
Empathiefähigkeit gilt als Voraussetzung für gute soziale Beziehungen. Empathie motiviert uns, anderen zu helfen und uns moralisch zu verhalten, sie erlaubt uns, Konflikte zu vermeiden oder zu lösen, und sie ist wichtig für den Zusammenhalt von Gruppen. Die Hirnforscherin Tania Singer, die seit vielen Jahren die neurowissenschaftlichen Grundlagen von Einfühlung und Mitgefühl untersucht, hat kürzlich eine Reihe dieser Ansätze in einem deutschsprachigen E-Book vorgestellt: „Mitgefühl: in Alltag und Forschung“ , das Buch gibt es als kostenlosen Download. Sehr wirksam scheinen bestimmte Formen der Achtsamkeits-Meditation zu sein. Dabei lernen die Beteiligten, ihre Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen und sich auf die Quelle dieser Gedanken und Emotionen zu konzentrieren. Flankierend dazu üben sie, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die „Loving Kindness“-Meditation, die ursprünglich aus dem Buddhismus stammt. Sie stärkt zunächst das Gefühl der Selbstliebe, das die Teilnehmenden dann in einem zweiten Schritt auf ihre Mitmenschen übertragen. Beide Programme steigern nachweisbar die Empathie. Einen ähnlichen Effekt scheint Studien zufolge auch Musik zu haben: Kinder, die längere Zeit Musikunterricht hatten, sind oft besser darin, sich in andere einzufühlen. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig bekannt. Musik hat eine starke emotionale Komponente; möglicherweise erleichtert sie es dadurch, die eigenen Gefühle wie auch die der Mitmenschen wahrzunehmen. Wer mit anderen musiziert, teilt diese emotionale Erfahrung zudem mit den Mitgliedern der Gruppe - als Musiker fühlt man also mit anderen zusammen. Menschen mit einem schwach ausgeprägten Empathievermögen kommen öfter mit dem Gesetz in Konflikt. Gezielte Trainings, beispielsweise in der Schule, könnten daher möglicherweise einen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung leisten - so hoffen zumindest Forschende. Studien zufolge könnte auch die Wirtschaft von derartigen Programmen profitieren. So können Rollenspiele dazu beitragen, dass sich Führungskräfte besser in die Lage ihrer Mitarbeitenden hineinversetzen. Diese wiederum bewerten die Arbeitsatmosphäre als umso angenehmer, je empathischer ihre Vorgesetzten sind. Umfragen bestätigen diesen Effekt. Zugleich wirken sich empathische Chefinnen und Chefs sogar positiv auf die Innovationskraft und Produktivität ihrer Unternehmen aus.
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Tipps zur Förderung der Empathie im Alltag
- Seien Sie aufmerksam: Achten Sie auf die Signale Ihres eigenen Körpers und seien Sie präsent im Gespräch mit anderen.
- Begegnen Sie ihren Mitmenschen unvoreingenommen: Vermeiden Sie Vorurteile und konzentrieren Sie sich auf Gemeinsamkeiten.
- Üben Sie den Perspektivwechsel: Versuchen Sie, die Welt durch die Augen anderer zu sehen.
- Hören Sie aktiv zu: Schenken Sie Ihrem Gegenüber Ihre volle Aufmerksamkeit und fragen Sie nach, um sicherzustellen, dass Sie ihn oder sie verstehen.
- Zeigen Sie Verständnis und Mitgefühl: Drücken Sie aus, dass Sie die Gefühle anderer verstehen und Anteil nehmen.
Spiegelneurone und Empathie
Die Entdeckung der Spiegelneurone hat in der Empathieforschung eine wichtige Rolle gespielt. Spiegelneurone sind Nervenzellen im Gehirn, die sowohl bei der Ausführung einer Handlung als auch bei der Beobachtung derselben Handlung aktiv werden. Es wird vermutet, dass sie uns ermöglichen, die Handlungen und Emotionen anderer zu verstehen, indem sie diese in unserem eigenen Gehirn "spiegeln".
Die Geschichte der Spiegelneurone
Die Spiegelneurone entwickelten sich zu den Shootingstars der Hirnforschung. Kaum ein Thema erreichte so viel Aufmerksamkeit in der allgemeinen Öffentlichkeit. Wie häufig berichtet schon die »New York Times« über neurowissenschaftliche Grundlagenforschung? Eine regelrechte PR-Kampagne trieb das Interesse der Medien nur noch weiter an. So ließ der Neurologe Vilayanur Ramachandran von der University of California, San Diego, verlauten: »Ich prognostiziere, dass die Spiegelneurone für die Psychologie das sein werden, was die DNA für die Biologie war.« Doch inzwischen hat das wissenschaftliche Interesse an den berühmten Nervenzellen nachgelassen. Es stellt sich die Frage: Was wissen wir - 30 Jahre nach ihrer Entdeckung - eigentlich über die Spiegelneurone? Sind sie die Alleskönner, für die Medien und viele Forschende sie hielten? Oder ist das Strahlen der ehemals schillernden Stars inzwischen verblasst? Eigentlich wollten Rizzolatti und sein Team 1992 die so genannten kanonischen Neurone genauer untersuchen. Das sind Nervenzellen, die sowohl beim Greifen nach einem Gegenstand feuern als auch beim bloßen Anblick desselben Objekts. Aber wie wir heute wissen, kam es anders: »In den ersten Jahren nach unserer Entdeckung wiederholten wir die Experimente immer wieder, weil wir Angst hatten, dass es sich dabei nur um einen Messfehler handelte«, so der Neurophysiologe. Doch die folgenden Versuche bestätigten den faszinierenden Zufallsfund: Bestimmte Zellen im motorischen und prämotorischen Kortex entladen sich nicht nur beim Ausführen einer Handlung, sondern ebenso, wenn man dieselbe Bewegung bei anderen nur beobachtet. 2010 fand ein Team um Roy Mukamel, der heute an der Universität Tel Aviv forscht, die begehrten Zellen auch im menschlichen Gehirn - genauer gesagt in Teilen des Motorkortex und im Schläfenlappen. Als Probanden dienten 21 Epilepsiepatienten, denen im Vorfeld eines neurochirurgischen Eingriffs Elektroden ins Hirn implantiert worden waren. So konnten die Wissenschaftler ihre Nervenzellaktivität direkt messen, während die Patienten Handbewegungen entweder selbst ausführten oder nur beobachteten. Dass an solchen »Spiegelungen« auch Teile des Kleinhirns sowie Emotionen verarbeitende Regionen beteiligt sind, stellten australische Forscher um Pascal Mohlenberghs 2012 in einer Übersichtsarbeit fest.
Die Funktionen der Spiegelneurone
Forscherinnen und Forscher sind sich größtenteils darüber einig, dass Spiegelneurone es uns ermöglichen, Handlungen zu erkennen und zu imitieren. Werden Hirnregionen mit Spiegeleigenschaften geschädigt, können die Betroffenen Bewegungen schlechter identifizieren als Menschen ohne solche Verletzungen, wie 2014 ein Team um Cosimo Urgesi von der italienischen Universität Udine in einer studienübergreifenden Analyse von 361 Patienten herausfand. So fällt es ihnen etwa schwerer, menschliche Bewegungsmuster aus sich bewegenden Punkten herauszulesen. Zudem haben Probanden Probleme damit, Fingerbewegungen zu imitieren, wenn ihr Gyrus frontalis inferior durch magnetische Impulse gehemmt wird, wie Marc Heiser 2003 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern von der University of California, Los Angeles, belegte. Diese Ergebnisse bestätigte eine Forschungsgruppe um Ellen Binder von der Universität Köln. Sie wies 2017 nach, dass Menschen mit Schäden in Hirnregionen, in denen sich Spiegelneurone befinden, schlechter im Nachahmen von Handlungen sind als Personen ohne Verletzungen in den entsprechenden Bereichen.
Spiegelneurone und die "Theory of Mind"
Die Idee, dass im Gehirn Neurone auf die Gebärden anderer reagieren, lädt dazu ein, größer zu denken. Spiegeln sie dann vielleicht auch innere Zustände? Sind sie möglicherweise sogar der Grund, warum wir eine Ahnung davon haben, was in den Köpfen anderer vor sich geht? Fachleute sprechen bei dieser Fähigkeit von der »Theory of Mind«. Schon 1998 veröffentlichte Vittorio Gallese, der Teil der Entdeckergruppe um Rizzolatti war, zusammen mit dem amerikanischen Philosophen Alvin Goldman einen Aufsatz über die Rolle der Spiegelneurone in der »Theory of Mind«. In den folgenden Jahren versuchten Forschende in Experimenten zu zeigen, dass die Nervenzellen nicht bloß auf fremde Handlungen reagieren, sondern auch die dahinterliegende Absicht des Gegenübers erkennen.
Kritik an der Rolle der Spiegelneurone
Caroline Catmur vom King's College London, eine Expertin auf dem Gebiet, blickt auf die vergangenen Jahre seit Rizzolattis Entdeckung zurück: »In den letzten drei Jahrzehnten haben Wissenschaftler den Spiegelneuronen eine Menge Funktionen zugesprochen. Aber viele dieser großen Behauptungen lassen sich nicht mehr halten, auch weil Forscher inzwischen vorsichtiger an die Sache herangehen.« Die Forschung der letzten Jahre zeigt, dass Spiegelneurone uns dabei helfen, herauszufinden, was eine andere Person gerade macht, aber nicht, warum sie das tut.
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Schlussfolgerung
Die Forschung zum empathischen Gehirn hat wertvolle Einblicke in die neuronalen Mechanismen geliefert, die unserer Fähigkeit, uns in andere einzufühlen, zugrunde liegen. Empathie ist ein komplexer Prozess, an dem verschiedene Gehirnregionen beteiligt sind, darunter das Schmerznetzwerk, die Inselrinde und der temporo-parietale Übergang. Medikamente, psychische Erkrankungen und individuelle Unterschiede können die Empathiefähigkeit beeinflussen. Weitere Forschung ist erforderlich, um die komplexen Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren und Empathie vollständig zu verstehen. Zusammenfassend bleibt, dass die Wahrnehmung des Schmerzes Anderer unmittelbar und direkt mit unserem eigenen Schmerzerleben verknüpft ist. Wir verstehen andere Personen besser, indem wir uns in sie hineinversetzen und unser eigenes Emotionssystem zu Hilfe nehmen.
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