Der Vagusnerv, auch bekannt als der zehnte Hirnnerv, spielt eine zentrale Rolle in der Verbindung zwischen Gehirn und Körper, sowohl bei Menschen als auch bei Pferden. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie und Funktion des Vagusnervs beim Pferd und erklärt, wie er die Gesundheit und das Wohlbefinden des Tieres beeinflusst.
Anatomie des Vagusnervs beim Pferd
Der Vagusnerv ist der längste Hirnnerv und erstreckt sich vom Gehirn durch den Hals, die Brusthöhle bis in den Bauchraum. Seine weitläufige Verteilung ermöglicht es ihm, zahlreiche Organe und Systeme zu beeinflussen. Er ist ein wichtiger Bestandteil des parasympathischen Nervensystems, das für "Ruhe und Verdauung" zuständig ist.
Verlauf und Verbindungen
Beim Pferd entspringt der Vagusnerv im Gehirn und verläuft entlang des Halses, wo er verschiedene Muskeln und Drüsen innerviert. Anschließend teilt er sich in Äste auf, die zu Herz, Lunge, Magen, Darm und anderen Bauchorganen ziehen. Diese enge Verbindung zu lebenswichtigen Organen ermöglicht es dem Vagusnerv, deren Funktion zu regulieren und Informationen zwischen Gehirn und Körper auszutauschen.
Funktion des Vagusnervs beim Pferd
Der Vagusnerv ist an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt, die für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferdes unerlässlich sind.
Regulation der Herzfrequenz
Eine der wichtigsten Funktionen des Vagusnervs ist die Regulation der Herzfrequenz. Er verlangsamt den Herzschlag und senkt den Blutdruck, wodurch der Körper in einen Zustand der Entspannung versetzt wird. Ein gut funktionierender Vagusnerv trägt dazu bei, dass das Pferd in stressigen Situationen ruhig und gelassen bleibt.
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Steuerung der Verdauung
Der Vagusnerv spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung der Verdauung. Er stimuliert die Produktion von Magensäure und Verdauungsenzymen, fördert die Darmbewegung und unterstützt die Nährstoffaufnahme. Eine gesunde Vagusnervfunktion ist daher unerlässlich für eine optimale Verdauung und die Vermeidung von Verdauungsstörungen.
Einfluss auf die Atmung
Auch die Atmung wird vom Vagusnerv beeinflusst. Er reguliert die Atemfrequenz und -tiefe und sorgt für eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Körpers.
Verbindung zur Darm-Hirn-Achse
Eine besonders wichtige Funktion des Vagusnervs ist seine Rolle in der Darm-Hirn-Achse. Diese bidirektionale Kommunikationslinie ermöglicht den Austausch von Informationen zwischen dem Gehirn und dem Darm. Der Darm, oft als "Bauchhirn" bezeichnet, beherbergt Millionen von Neuronen und produziert Neurotransmitter wie Serotonin, die die Stimmung und das Verhalten des Pferdes beeinflussen können. Über den Vagusnerv gelangen diese Informationen in das limbische System des Gehirns, das für Emotionen zuständig ist.
Einfluss auf das Immunsystem
Der Vagusnerv hat auch einen Einfluss auf das Immunsystem. Er kann Entzündungsreaktionen reduzieren und die Immunfunktion stärken. Eine gute Vagusnervfunktion trägt dazu bei, dass das Pferd widerstandsfähiger gegen Krankheiten ist.
Aktivierung des Vagusnervs beim Pferd
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Vagusnerv beim Pferd zu aktivieren und seine positive Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern.
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Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie sanftes Streicheln, ruhige Musik oder entspannende Massagen können den Vagusnerv stimulieren und den Körper in einen Zustand der Ruhe und Entspannung versetzen.
Atmung
Bewusstes Atmen kann den Vagusnerv aktivieren. Beobachte bei Deinem Tier die ruhige Bauchbewegung beim Atmen.
Summen
Summen beruhigt nicht nur Dich, sondern wirkt über Schwingungen auch entspannend auf Tiere. Einfach beim Gassi gehen oder beim Schmusen mit Deinem Tier ein tiefes, wohliges „Mmmm…“ summen.
Bewegung
Regelmäßige Bewegung, insbesondere in der Natur, kann den Vagusnerv stimulieren und die Stressresistenz des Pferdes erhöhen.
Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Ballaststoffen und Präbiotika kann die Darmflora positiv beeinflussen und somit auch die Vagusnervfunktion unterstützen.
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Neuroathletik
Die Neuroathletik ist ein Trainingskonzept, das im Fußball und im Skispringen das Training der Sportler unterstützt, aber auch nach Unfällen dabei hilft, wieder fit zu werden. Das Konzept kombiniert Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Feldern wie zum Beispiel der Evolutionsbiologie, der Neurologie und der Sportwissenschaft.
Neuroathletik und der Vagusnerv
Marc Nölke, ein ehemaliger Leistungssportler und Experte für Neuroathletik, betont die Bedeutung des Nervensystems für die Leistung und Gesundheit von Athleten, einschließlich Pferden. Er erklärt, dass nahezu jedes Problem, das ein Athlet hat, ein Problem des Nervensystems ist und dass die Neurologie die ganzheitlichste Perspektive bietet, die eingenommen werden kann.
Die Rolle des Gleichgewichtssinns
Nölke erklärt, dass visuelle Informationen Orientierung in der Welt bieten, in der wir uns bewegen. Aber Augenbewegungen und die Fähigkeit, ein klares, ruhiges Bild auf die Retina projiziert zu bekommen, sind abhängig von der Funktion des Gleichgewichtssystems im Innenohr und dessen Zusammenspiel mit den Augenmuskeln sowie den Nackenmuskeln. Oft wird Gleichgewicht auf wackligen Unterlagen, Balanceboards oder Slacklines trainiert - das ist leider Unsinn.
Übungen zur Stabilisierung des Gleichgewichts
Nölke empfiehlt Übungen, die die Verbindung zwischen Augen und Gleichgewicht verbessern. Eine solche Übung besteht darin, eine Acht um zwei Pylone oder Hindernisständer zu reiten oder zu laufen, während man permanent einen Buchstaben auf einem Zettel fokussiert, der in einer Entfernung von zwei bis drei Metern an der Bande befestigt ist. Diese Übung stabilisiert die Körperhaltung und kann vor, nach oder während des Reitens durchgeführt werden.
Auswirkungen von Gehirnerschütterungen
Nölke weist darauf hin, dass Gehirnerschütterungen fatale Spätfolgen haben können. Das Mittelhirn und das Stammhirn können beschädigt werden, die Integration des visuellen Systems und der Gleichgewichtsorgane empfindlich gestört werden, die Feinabstimmung mit der Regulation der Muskelspannung, der Anti-Schwerkraft-Muskulatur, kann dysfunktional sein.
Das Bauchhirn und seine Bedeutung
Der Darm des Pferdes, oft als "Bauchhirn" bezeichnet, spielt eine überraschend wichtige Rolle für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Tieres. Er ist nicht nur für die Verdauung und Nährstoffverwertung zuständig, sondern auch für die Immunabwehr und die Produktion von Neurotransmittern, die die Stimmung beeinflussen.
Die Darm-Hirn-Achse
Über die Darm-Hirn-Achse sind das Gehirn und der Darm in einem ständigen Austausch. Das Bauchgehirn meldet dem Gehirn über diese Kommunikation sämtliche Unregelmäßigkeiten in der Verdauung oder auch eindringende Giftstoffe, die Ärger machen. Es ist vergleichbar mit einem riesigen Bioreaktor, der täglich unzählige Botenstoffe herstellt und versendet. Dabei ist der Darm wesentlich gesprächiger als das Gehirn. Rund 90 Prozent aller Informationen gehen von unten nach oben. Über den Vagusnerv gelangen sie in einen Teil des Gehirns, der für die Emotionen zuständig ist, das limbische System.
Die Bedeutung einer gesunden Darmflora
Eine gesunde Darmflora ist entscheidend für ein glückliches Bauchhirn. Gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht und kommt es zu einer Minderbesiedlung des Darms durch gute Bakterien, kann dies auch dazu führen, dass weniger Serotonin produziert werden kann. Die Folgen dieser Unterproduktion für die Zufriedenheit des Pferdes liegen auf der Hand.
Fütterung für ein glückliches Bauchhirn
Wer sein Pferd glücklich füttern möchte, sollte möglichst magen- und darmfreundlich füttern. Das Konzept der Milieufütterung bietet hier einen sehr spannenden Ansatz. Die Idee ist es, mit Hilfe von hochbioverfügbaren Naturstoffen das Körpermilieu sowie Darm und Leber zu pflegen und bei ihrer wichtigen Arbeit zu unterstützen. Dauerhaft soll auf diese Weise ein positiver Kreislauf im Körper erhalten werden.