Der Vagusnerv, auch bekannt als der zehnte Hirnnerv, ist ein zentraler Bestandteil unseres Nervensystems und spielt eine entscheidende Rolle bei der Verdauung, der Stressbewältigung und der allgemeinen Gesundheit. Er ist der größte Nerv des Parasympathikus, der wiederum zum vegetativen Nervensystem gehört. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Funktionen des Vagusnervs, insbesondere seine Bedeutung für die Verdauung, und zeigt Möglichkeiten auf, wie man ihn selbst stimulieren und aktivieren kann.
Was ist der Vagusnerv?
Der Vagusnerv ist einer der zwölf Hirnnerven und der längste von ihnen. Sein Name, abgeleitet vom lateinischen Wort "vagari" (umherschweifen), deutet auf seinen weitläufigen Verlauf durch den Körper hin. Er entspringt im Gehirn und zieht sich in zwei Ästen beidseitig hinter den Ohren den Hals entlang, über den Brustbereich bis in den Bauchraum. Dabei verzweigt er sich weit und durchzieht fast alle inneren Organe.
Die Funktionen des Vagusnervs
Der Vagusnerv ist an der Steuerung zahlreicher Körperfunktionen beteiligt, darunter:
- Verdauung: Er reguliert die Bewegung der Speiseröhre, des Magens und des Darms.
- Herzfrequenz: Er beeinflusst die Herzfrequenz und trägt zur Entspannung bei.
- Atmung: Er wirkt sich auf die Atmung aus.
- Immunfunktion: Er spielt eine Rolle bei der Regulation von Entzündungen und Immunreaktionen.
- Stressantwort: Er ist maßgeblich an der Stressantwort des Körpers beteiligt.
Die Darm-Hirn-Achse
Der Vagusnerv ist ein Schlüsselelement der Darm-Hirn-Achse, einem komplexen Netzwerk von Nervenverbindungen, das den Darm mit dem Gehirn verbindet. Über diese Achse stehen Bauchorgane und Gehirn in ständigem Kontakt und Austausch. Die Darmflora spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie an der Produktion hormonähnlicher Stoffe und kurzkettiger Fettsäuren beteiligt ist, die über die Darm-Hirn-Achse mit dem zentralen Nervensystem (ZNS) kommunizieren. Diese Kommunikation erfolgt über Nervenverbindungen, Hormone und Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin, die sowohl im Gehirn als auch im Darm gebildet werden.
Störungen der Darm-Hirn-Achse können zu verschiedenen Erkrankungen führen.
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Der Vagusnerv und die Verdauung
Der Vagusnerv spielt eine entscheidende Rolle bei der Verdauung. Er reguliert die Bewegung der Speiseröhre, des Magens und des Darms und sorgt so für einen reibungslosen Ablauf des Verdauungsprozesses. Er übermittelt Informationen über den Zustand unseres Verdauungssystems an unser Gehirn und ermöglicht so eine fein abgestimmte Kontrolle unserer Nahrungsaufnahme und Verdauung.
Die Rolle des Vagusnervs bei der Eiweißaufnahme
Der Vagusnerv spielt auch eine wichtige Rolle bei der Eiweißaufnahme. "Die Eiweißaufnahme wird vom Körper beim Essen permanent überprüft", sagt TV-„Ernährungs-Doc“ Matthias Riedl. „Kommt nicht genug an, stellt sich auch kein Sättigungsgefühl ein. Salat hat zwar wenig Kalorien, weshalb gerade Frauen ihn gerne essen. Aber Salat enthält praktisch keine Proteine."
Der Vagusnerv und das Hungergefühl
Der Vagusnerv kommuniziert das Bedürfnis des Magens nach Nahrung an unser Gehirn und übersetzt das Hungergefühl, damit wir den knurrenden Magen nachvollziehen können. Er steuert damit also auch unser Verhalten und unsere Reaktionen auf die Umwelt. Denn wenn wir hungrig sind, begeben wir uns auf die Suche nach Nahrung.
Stimulation des Vagusnervs
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Vagusnerv selbst zu stimulieren und wieder zu aktivieren:
- Meditation, Yoga, Tai Chi, Qi Gong: Diese Entspannungstechniken können helfen, den Vagusnerv zu aktivieren und Stress abzubauen.
- Atemübungen: Bewusstes, tiefes Atmen, insbesondere in den Bauchraum hinein, senkt die Herzfrequenz und das Stresslevel und erhöht die Empfindlichkeit von Barorezeptoren. Eine spezielle Atemübung ist das Box-Breathing (Vier-Quadrat-Atmung).
- Summen, Mantra OM: Das Summen und Singen von Mantras kann den Vagusnerv stimulieren.
- Singen der Vokale a, o, u, e, i aus dem Kehlkopf: Da der Vagusnerv entlang der Stimmbänder verläuft, kann das Singen der Vokale den Nerv stimulieren.
- Gurgeln: Gurgeln aktiviert die Muskeln im Rachenraum und stimuliert so den Vagusnerv.
- Kneippanwendungen, Kältereize: Kälteexposition, wie z.B. eine kalte Dusche, dämpft den Sympathikus und aktiviert den Parasympathikus, wodurch der Vagusnerv indirekt stimuliert wird.
- Massagen: Kopfmassagen oder sanfte Streichmassagen des seitlichen Halses von den Ohren bis zur Schulter können den Vagusnerv anregen. Auch das Massieren mit den Zeigefingern hinter den Ohren oder das Klopfen mit den Fingerkuppen den Bereich hinter den Ohren kann hilfreich sein.
- Kaltes Wasser ins Gesicht: Das Eintauchen des Gesichts in kaltes Wasser oder das Auflegen eines kalten Waschlappens auf das Gesicht oder in den Nacken kann den Vagusnerv stimulieren.
- Waldbaden: Das bewusste Genießen der Waldgeräusche, der Stille und der Gerüche kann entspannend wirken und den Vagusnerv aktivieren.
- Barfußgehen, Tautreten: Der Kontakt mit der Natur kann den Vagusnerv stimulieren.
- Kopfdrehen: Langsames und bewusstes Drehen des Kopfes von links nach rechts kann den Vagusnerv aktivieren.
- Augenübungen: Das Trainieren der Augenmuskeln durch Akkommodation (Scharfstellen von Gegenständen in unterschiedlichen Entfernungen) kann den Vagusnerv anregen.
- Akupressur: Das Drücken des Punktes in der Ohrmuschel, der mit dem Vagusnerv in Verbindung steht, kann Blockaden lösen und den Energiefluss im Körper anregen.
- Lavendel: Ätherisches Lavendelöl kann in stressigen Zeiten helfen, abzuschalten und den Vagusnerv zu beruhigen.
Weitere Möglichkeiten zur Stimulation des Vagusnervs
- Lächeln und Lachen: Positive Emotionen können den Vagusnerv stimulieren.
- Akupunktur: Professionell angewandte Akupunktur am Ohr kann ähnliche Effekte erzeugen wie die elektrische Stimulation.
Vagusnerv-Stimulation als Therapie
Die Vagusnerv-Stimulation (VNS) ist eine vielversprechende Therapiemöglichkeit für verschiedene Erkrankungen. Dabei wird der Vagusnerv durch kleine Stromimpulse stimuliert, um seine Funktion zu verbessern. Es gibt zwei Formen der VNS:
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- Invasive Vagusnervstimulation (iVNS): Hierbei werden in einer Operation Stimulationselektroden sowie ein Generator im oberen Brustbereich eingesetzt. Die Stromimpulse wirken über den Vagusnerv im Gehirn und hemmen dort Aktivitäten, die zu epileptischen Anfällen führen. Die iVNS wird bereits seit Jahrzehnten für therapieresistente Epilepsie eingesetzt und hat auch positive Effekte auf die Stimmung gezeigt.
- Nicht-invasive Vagusnervstimulation (nVNS): Hierbei wird der Vagusnerv von außen über die Haut stimuliert, z.B. mit einer Elektrode am Ohr. Die nVNS wird aktuell für die Behandlung von Depressionen, Angstzuständen, chronischen Schmerzen und anderen Erkrankungen erforscht.
Forschung zur Vagusnerv-Stimulation
Die Forschung zur Vagusnerv-Stimulation ist vielversprechend. Studien zeigen, dass die VNS bei einer Vielzahl von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen hilfreich sein kann. Aktuelle Studien untersuchen die Auswirkungen der VNS auf den Energiestoffwechsel, die Kommunikation zwischen Magen und Gehirn und die Behandlung von Depressionen und Essstörungen.
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