Der Verlust der Fähigkeit, klar zu sehen und klar zu denken oder sich zu erinnern, sind zwei der am meisten gefürchteten - und vermeidbaren - Gesundheitsprobleme, die mit dem Älterwerden einhergehen. Die vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Demenzerkrankung. Bei der vaskulären Demenz ist es sehr unterschiedlich, welche Symptome im Vordergrund stehen oder auftreten. Dies hängt von der Art der Schädigung im Gehirn ab und davon, wo sie entstanden ist.
Zusammenhang zwischen Sehstörungen und Demenzrisiko
Eine Studie mit fast 3.000 älteren Erwachsenen, die sich bei Hausbesuchen Sehtests und kognitiven Tests unterzogen, zeigte, dass das Demenzrisiko bei denjenigen, die Sehprobleme hatten, deutlich höher war. Die Studienteilnehmer waren über 71 Jahre alt, wobei das Durchschnittsalter bei 77 Jahren lag. Die Nah- und Fernsicht sowie die Fähigkeit, Buchstaben zu erkennen, die sich nicht stark vom Hintergrund abheben, wurden von einem Mitglied des Untersuchungsteams mit einem digitalen Tablet getestet.
Etwas mehr als zwölf Prozent der gesamten Gruppe hatte eine Demenzerkrankung. Dieser Prozentsatz war höher bei Teilnehmenden, die eine Sehschwäche im Nahbereich hatten. Ein Drittel der Personen wies mit mäßiger oder schwerer Beeinträchtigung der Fernsicht, einschließlich der Blinden, Anzeichen einer Demenz auf. Gleiches gilt für 26 Prozent der Teilnehmenden, die Schwierigkeiten hatten, Buchstaben zu erkennen, die sich nicht stark vom Hintergrund abhoben. Die Forschenden berücksichtigten auch andere Unterschiede in Bezug auf den Gesundheitszustand und persönliche Merkmale.
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Untersuchungen, die zu ähnlichen Ergebnissen kamen. Zudem stützt sie sich auch auf frühere Arbeiten über Kataraktoperationen. Die Autoren schreiben: „Der Gesundheit des Sehvermögens Priorität einzuräumen, kann der Schlüssel zur Optimierung sowohl der Sehkraft als auch der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens sein."
Dr. Sheila West, vom Wilmer Eye Institute an der Johns Hopkins Medicine, schrieb in einem begleitenden Leitartikel, dass die neue Studie zu den sich häufenden Beweisen für den Zusammenhang zwischen Sehkraft und kognitiven Problemen beiträgt.
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Sehstörungen als vermeidbarer Risikofaktor für Demenz
Ein abnehmendes Sehvermögen und ein zu hohes Cholesterin - das sind zwei neue Demenz-Risikofaktoren, welche die Lancet-Kommission zur Prävention, Intervention und Pflege von Demenz in ihrer neuen Studie vorstellt. Damit steigt die Anzahl der vermeidbaren Erkrankungsrisiken für Demenz laut Lancet-Kommission auf 14 Punkte. In der letzten Studie von 2020 hatten die Fachleute zwölf Faktoren identifiziert, unter anderem Depressionen, Schwerhörigkeit, soziale Isolation oder Bluthochdruck. Durch einen gesunden Lebensstil und medizinische Vorsorge können laut Studie 45 Prozent der Demenzerkrankungen verzögert oder verhindert werden.
Laut Lancet-Studie kann man das Erkrankungsrisiko um zwei Prozent senken, wenn besonders im hohen Alter Sehschwächen ausgeglichen werden. Weltweit bleiben bei 12,5 Prozent der Menschen über 50 Jahren Sehschwächen unbehandelt.
Dr. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft von der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative, erklärt: „Ein abnehmendes Sehvermögen kann ähnliche Folgen haben, wie Schwerhörigkeit. Menschen, die schlechter sehen oder hören ziehen sich oft zurück und sind sozial weniger aktiv. Durch die soziale Isolation verarbeitet das Gehirn weniger Reize und wird weniger stimuliert. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab und die Betroffenen haben ein höheres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Außerdem kann soziale Isolation zu Depressionen führen, die ebenfalls zu den Demenz-Risikofaktoren zählen."
Hohes Cholesterin als weiterer Risikofaktor
Zu hohe Cholesterinwerte gehören laut Lancet zu den vermeidbaren Risikofaktoren im mittleren Lebensalter und beeinflussen das Erkrankungsrisiko um sieben Prozent. Ist der Cholesterinwert im Normalbereich, zum Beispiel durch die Einnahme von Cholesterinsenkern, sinkt das Risiko auf Null. Ein hoher Cholesterinspiegel kann die Bildung von schädlichen Proteinablagerungen fördern. Diese Amyloid-Plaques sind ein charakteristisches Merkmal der Alzheimer-Krankheit.
Pfitzer-Bilsing erläutert: „Ein hoher Cholesterinspiegel kann aber auch andere Demenzerkrankungen begünstigen. Hohe Cholesterinwerte können zu Ablagerungen in den Blutgefäßen führen, die die Blutversorgung des Gehirns beeinträchtigen. Dadurch steigt das Risiko für eine vaskuläre Demenz. Mit Aufnahme des Cholesterins in die Liste der Risikofaktoren unterstreicht die Lancet-Kommission die Wichtigkeit der Herz-Kreislauf-Gesundheit für die Demenzprävention. Denn Herz- und Kreislauf-Erkrankungen stehen in Zusammenhang mit einem weiteren Risikofaktor für Demenz, dem Bluthochdruck.“
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Vaskuläre Demenz: Ursachen und Symptome
Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Die Gefäße können das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wodurch wichtige kognitive Funktionen eingeschränkt werden.
Zu den typischen Ursachen einer vaskulären Demenz gehören:
- Schlaganfälle, die eine Hirnarterie verschließen, können eine ganze Reihe von Symptomen verursachen, zu denen auch eine vaskuläre Demenz gehören kann.
- Stille Schlaganfälle, die ohne spürbare Symptome verlaufen, erhöhen ebenfalls das Demenzrisiko.
- Sind Arterienverkalkung (Arteriosklerose) oder Bluthochdruck die Ursache, machen sich die Beschwerden meist eher schleichend bemerkbar.
Je nach Ursache können die Symptome plötzlich, schleichend oder schrittweise auftreten. Auch im weiteren Verlauf können sich die Symptome entweder schleichend oder plötzlich verschlechtern. Dazwischen kann es auch längere stabile Phasen geben. Die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz variiert stark und hängt davon ab, wie schwer die Erkrankung ist und ob weitere Erkrankungen vorliegen.
Diagnose und Behandlung der vaskulären Demenz
Eine Demenzerkrankung kann nur durch eine Ärztin oder einen Arzt diagnostiziert werden. Für eine Diagnose werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes.
Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen. Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung, um festzustellen, ob Durchblutungsstörungen vorliegen. Mit bildgebenden Verfahren wie CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) können Veränderungen im Gehirn festgestellt werden. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.
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Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Dort klären ärztliche Teams die Ursache für Gedächtnis- oder Sprachprobleme ab.
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Die im Gehirn entstandenen Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten, beziehungsweise zu verlangsamen. Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.
Da die Symptome einer vaskulären Demenz sehr unterschiedlich sein können, ist die Behandlung sehr individuell. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen.
Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.
Sehprobleme als Frühindikator für Demenz
Wissenschaftler der Universität Loughborough in Großbritannien haben in einer Studie im Jahre 2024 herausgefunden, dass bestimmte Probleme mit dem Sehen auf eine Demenz hindeuten können, und zwar schon über ein Jahrzehnt bevor die Krankheit diagnostiziert wird. Für die Analyse wurden 8623 gesunde Menschen in Großbritannien über Jahre hinweg beobachtet. Am Ende dieser Beobachtungszeit erkrankten 537 Menschen von ihnen an Demenz. Anhand der gesammelten Daten konnten die Wissenschaftler analysieren, welche Faktoren der Diagnose vorausgegangen waren.
Am Anfang der Studie mussten die Probanden beispielsweise einen visuellen Test durchführen: Sobald sie auf einem Bildschirm sahen, dass sich aus beweglichen Punkten ein Dreieck bildete, mussten sie einen Knopf drücken. Diejenigen, die später an Demenz erkrankten, konnten das Dreieck erst viel später erkennen als die anderen Probanden.
Die Forscher vermuten, dass die mit Alzheimer verbundenen Ablagerungen im Gehirn, die sogenannten Amyloid-Plaques, zuerst Bereiche des Gehirns beeinträchtigen könnten, die mit dem Sehvermögen verbunden sind. Erst bei fortschreitender Krankheit sind dann die Bereiche, die mit dem Gedächtnis verbunden sind, betroffen. Deshalb könnten Sehtests schon Defizite erkennen, bevor Gedächtnistests das tun, folgern die Forscher.
Alzheimer betrifft auch andere Aspekte des Sehens wie die Fähigkeit, Umrisse zu erkennen und zwischen Farben unterscheiden. Demnach sei beispielsweise die Fähigkeit, im Blau-Grün-Spektrum Farben zu erkennen, schon früh bei einer Demenz beeinträchtigt - ohne dass die Betroffenen selbst etwas bemerken.
Auch bezüglich der Augenbewegungen kann sich die neurodegenerative Erkrankung schon früh bemerkbar machen: So könnten Menschen mit Alzheimer die Augenbewegungen bei ablenkenden Reizen weniger kontrollieren. Das wiederum könnte beispielsweise im Straßenverkehr zu Unfällen führen. Dieses Phänomen untersuchen die Loughborough-Forscher gerade.
Auch beim Erkennen von Gesichtern scheinen Alzheimer-Betroffene Defizite zu haben: „Wir haben einige Hinweise darauf, dass Menschen mit Demenz dazu neigen, die Gesichter neuer Menschen ineffizient zu verarbeiten“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Geistig gesunde Menschen würden das Gesicht von den Augen über die Nase zum Mund scannen, Erkrankte tun dies möglicherweise nicht. So könnten viele Ärzte, die mit Demenz-Patienten arbeiten, oft schon beim ersten Treffen erkennen, ob eine Person daran leidet.
„Menschen mit Demenz können manchmal verloren wirken, weil sie ihre Augen nicht gezielt bewegen, um die Umgebung abzusuchen, auch nicht das Gesicht der Menschen, die sie gerade kennengelernt haben", so die Forscher. Dass sie Gesichter nicht wiedererkennen, könnte also eher mit der fehlenden Augenbewegung zu tun haben als mit einer Gedächtnisstörung - auch wenn zwischen beiden Faktoren ein Zusammenhang besteht.
Die Forscher führen daher Tests durch, ob eine Verbesserung der Augenbewegung auch zu einer besseren Gedächtnisleistung führt. Einige Studien hätten dies bereits gezeigt. Das könnte auch erklären, warum Menschen, die beispielsweise viel lesen und fernsehen ein besseres Gedächtnis und auch ein geringeres Demenzrisiko hätten, so die Forscher weiter.
Prävention und Lebensstil
Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.
Neben der Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Adipositas ist es wichtig, mit seinem persönlichen Lebensstil zur Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems beizutragen:
- ausgewogene Ernährung
- körperliche Bewegung
- nicht rauchen
- geistig und sozial aktives Leben
Leben mit vaskulärer Demenz
Kirstin Puchner, eine pflegende Angehörige, teilt ihre Erfahrungen im Umgang mit der vaskulären Demenz ihres Mannes:
- Eine feste Tagesstruktur mit gewohnten Abläufen gibt Sicherheit.
- Bewegung, wie z.B. Spaziergänge mit dem Hund, ist wichtig.
- Eine Ernährungsumstellung kann helfen, die Erkrankung im Zaum zu halten.
- Den Betroffenen in Alltagsaufgaben einbeziehen, z.B. beim Kochen helfen.
- Erinnerungshilfen wie Kalender und Notizen nutzen.
- Medikamente vorbereiten und bereitstellen.
- Vertrauensverhältnis und Wertschätzung aufrechterhalten.
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