Vergleich: Nervensystem und Telefonnetz – Eine Analogie im Wandel der Zeit

Die Analogie zwischen dem Nervensystem und einem Telefonnetz ist ein beliebtes Mittel, um die komplexe Funktionsweise des Gehirns zu veranschaulichen. Beide Systeme dienen der Informationsübertragung, wobei das Nervensystem Informationen im Körper weiterleitet und das Telefonnetz Kommunikation über weite Distanzen ermöglicht. Doch wie tragfähig ist dieser Vergleich angesichts moderner Erkenntnisse über das Gehirn und die rasanten Entwicklungen in der Telekommunikation?

Die Grundlagen: Nervenzellen und Neuronen im Vergleich

Lange Zeit glaubten Hirnforscher, dass jedem Gedanken ein einzelnes Neuron zugeordnet ist. Diese Vorstellung hat sich jedoch als zu simpel erwiesen. Stattdessen arbeiten bei jedem Gedanken komplexe Netzwerke von Neuronen in der Großhirnrinde zusammen. Es gibt keine zentrale Stelle, die den Gedanken erfasst, sondern verschiedene Hirnregionen analysieren Sinnesdaten, verknüpfen diese mit Erfahrungen, bewerten Situationen oder formulieren Wörter. Ein Gedanke ist demnach eine über das ganze Gehirn verstreute Erscheinung, bei der sich unzählige elektrische Signale gleichzeitig ausbreiten.

Diese Vorstellung ähnelt der Funktionsweise eines Telefonnetzes, in dem Informationen nicht an einem zentralen Ort gespeichert werden, sondern über verschiedene Knotenpunkte und Leitungen übertragen werden. Die Nervenzellen (Neuronen) sind die Kommunikationsbahnen, über die Signale ausgetauscht werden. Sie bestehen aus einem Zellkörper (Soma) mit Fortsätzen: mehreren kurzen Dendriten und einem langen Axon. Die Dendriten empfangen elektrische Signale von Nachbarzellen, während das Axon Impulse an andere Zellen weiterleitet.

Informationsübertragung: Elektrische Impulse und die Rolle der Isolation

Reize, die von außen kommen oder im Körper entstehen, werden von Nerven registriert und in Form von elektrischen Impulsen ans Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn können diese Informationen ausgewertet und miteinander verknüpft werden. Das Gehirn sendet schließlich auch seinerseits elektrische Signale aus, um Körperbewegungen auszulösen oder die Funktion der inneren Organe zu regulieren.

Die Informationsübertragung entlang des Axons wird durch die Myelinscheide beschleunigt. Diese besteht aus speziellen Zellen, die sich mehrfach um das Axon wickeln und es elektrisch isolieren. Die nicht isolierten schmalen Lücken zwischen den Myelinscheiden werden Ranviersche Schnürringe genannt. Bei der Reizweiterleitung "springen" die elektrischen Impulse von Schnürring zu Schnürring, was die Erregungsleitung deutlich beschleunigt.

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Diese Isolierung ist vergleichbar mit der Isolierung von Stromkabeln oder Telefonleitungen, die verhindert, dass der Strom oder das Signal verloren geht oder andere Leitungen stört. Im Nervensystem wird durch die Schwannzellen im PNS und die Oligodendrozyten im ZNS verhindert, dass eine Depolarisation der Membran stattfindet. Das Aktionspotential breitet sich passiv im Cytoplasma aus und löst an der nächsten Lücke zwischen den isolierenden Zellen (Ranvier-Schnürring) ein neues Aktionspotential aus.

Zentralisierung vs. Dezentralisierung: Gehirn und Internet im Vergleich

Das menschliche Nervensystem besteht aus einem zentralen und einem peripheren Anteil. Zum zentralen Nervensystem (ZNS) zählen Gehirn und Rückenmark; von letzterem ziehen Nervenbahnen in alle Regionen des Körpers - sie bilden das periphere Nervensystem. Dieses lässt sich in funktioneller Hinsicht in zwei Bereiche untergliedern, das vegetative (autonome) und das somatische Nervensystem.

Das vegetative Nervensystem arbeitet unanhängig vom menschlichen Willen, also autonom. Es sorgt zum Beispiel dafür, dass Mahlzeiten verdaut und Hormone ausgeschüttet werden. Über das somatische Nervensystem dagegen lässt sich der Körper willentlich steuern. So kann der Mensch beispielsweise bewusst ein Bein vor das andere setzen oder die Stirn runzeln.

Im Vergleich dazu ist das Internet ein dezentrales Netzwerk, in dem die Steuerung an den Endpunkten liegt, bei den Computern und den Menschen, die sie bedienen. Das Internet ist eine Maschine, die ihnen die Macht gibt, sich zu vernetzen. Sie demokratisiert. Allerdings hat sich diese Vorstellung in den letzten Jahren gewandelt.

Die Evolution des Internets: Von der Demokratisierung zur Kommerzialisierung

In den Anfangszeiten des Internets gab es tatsächlich eine Demokratisierung. Die Realität heute ist aber viel banaler. Die Struktur des Internets ist ein Spiegelbild der Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer und verändert sich nicht immer so, wie ihre Konstrukteure sich das wünschen.

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Ein entscheidendes Protokoll ist das "Internetprotokoll" IP. Es sieht für jeden Computer im Internet eine IP-Adresse vor. Diese Adressen sind 32 bit lang. Damit kann man theoretisch 4,2 Milliarden Computer nummerieren. Doch die Umstellung auf das neue Protokoll IP Version 6 geriet ins Stocken. Zum einen, weil sie für die Betreiber der Netzwerke, aus denen das Internet besteht, mit Kosten verbunden war.

Über die Jahre haben die Internetanbieter diese Methode ausgeweitet, um mit ihren begrenzten IP-Adressen auszukommen. Heute hängen deutlich mehr Geräte am Internet als es IP-Adressen gibt. Damit ist das Ende-zu-Ende-Prinzip im Grunde gebrochen, denn die Computer kommunizieren nicht mehr direkt miteinander, sondern sozusagen über Mittelsmänner, die mit den Adressen jonglieren.

Das Internet ist heute ein kommerzielles Produkt. Die meisten Nutzer sind Verbraucher, Konsumenten. Die Umstellung auf Version 6 ist nicht mehr so dringend. Wir haben es irgendwie als einfacher empfunden, die komplette Struktur des Internets zu verändert, als ein Protokoll auszutauschen.

Kommerzielle Internetknoten: Die Weichensteller des Datenflusses

Kommerzielle Internetknoten verbinden die Netzwerke verschiedener Anbieter direkt miteinander, um komplizierte Umwege zu vermeiden. Hier treffen verschiedene Netze zusammen und tauschen ihre Daten aus. Dieser Austausch passiert parallel in mehreren Rechenzentren. Ein Switch steuert den Datenfluss und verbindet die Nutzer mit Diensten wie Google oder Netflix.

Diese physikalische Repräsentation des Konzepts Internet hat mit ganz gewöhnlichen Problemen der echten Welt zu kämpfen - zum Beispiel mit Staub. Die Technik muss regelmäßig geputzt und gewartet werden, um den Datenfluss aufrechtzuerhalten. Es ist alles auf Effizienz getrimmt. Auch der Abtransport der heißen Luft, die die Geräte hier produzieren.

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Energieverbrauch und die Grenzen des Wachstums

Der Energieverbrauch des Internets ist ein wachsendes Problem. Die Internationale Energieagentur hat berechnet, dass der weltweite Datentransport im Jahr 2015 etwa 185 Terawattstunden an Energie benötigt hat. Das war etwas mehr als ein Prozent des weltweiten Stromverbrauchs.

Je mehr Daten fließen, umso effizienter scheint die Maschine zu werden. Google hat mit maschinellem Lernen erforscht, wie man bei der Kühlung 40 Prozent Energie sparen kann. Die Abwärme eines Datenzentrums in Zürich heizt ein Schwimmbad, in Paris gibt es ein ähnliches Projekt. Wenn die Effizienz sich so weiterentwickelt, wie es in den besten Datenzentren heute der Falls ist, dann könnte der Energiebedarf der weltweiten Datennetze in den nächsten drei Jahren sogar sinken - um etwa 15 Prozent. Und das obwohl immer mehr Daten übertragen werden.

Es entstehen neue Architekturen.Vor allem Videos müssen schnell übertragen werden und machen schon heute 75 Prozent des gesamten Datenverkehrs aus. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, bauen die großen Firmen eigene Netze zur Verteilung ihrer Inhalte auf. So genannte Content Delivery Networks. Sie kopieren ihre Inhalte und transportieren diese Kopien in Datenzentren, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Die Nutzer, die etwa einen Netflix-Film abrufen wollen, beziehen ihn dann nicht mehr aus den USA. Die Daten wandern nicht über den Atlantik.

Die Macht der großen Internetfirmen

Das einst offene, globale Netzwerk, das Computer und Menschen auf der ganzen Welt verbinden sollte, zerfällt unter dem Druck immer größerer Datenmengen zu kleinen, regionalen Netzen. Es ist eine komplette Umwälzung des Internets. Es ist ein neues Internet.

Die Unternehmen, die bisher die Inhalte geliefert haben, übernehmen jetzt auch langsam die Infrastruktur des Internets. Es bricht eine Zeit an, in der eine Handvoll sehr erfolgreicher Internetfirmen nicht nur die Inhalte im Netz liefern, sondern immer mehr Teile der Infrastruktur des Internets kontrollieren.

5G+ und die Zukunft der Echtzeit-Kommunikation

Vodafone schaltet im Mobilfunk großflächig auf Echtzeit-Kommunikation. Die Düsseldorfer aktivieren 5G+ (Standalone) im gesamten Land. Und damit die derzeit modernste Mobilfunk-Technik für den Massenmarkt. Damit surfen und telefonieren ab sofort auch alle Privatkunden mit den entsprechenden Handys großflächig an allen 5G-Standorten ohne Rückgriff auf die Vorgängertechnik LTE.

5G+ kommt ohne ein solches 'Stützrad' aus, ist von LTE entkoppelt und damit ein komplett eigenständiges Netz. Für Handynutzer bringt das vor allem schnellere Verbindungen und kürzere Reaktionszeiten. Das sind wichtige Voraussetzungen für ruckel- und verzögerungsfreies Mobile Gaming sowie hochauflösende Anwendungen mit Augmented und Virtual Reality Brillen.

Die komplett eigenständige 5G-Infrastruktur ist energieeffizienter als die bisherigen Mobilfunk-Technologien und macht neben hohen Bandbreiten auch besonders niedrige Latenzzeiten von weniger als 10 Millisekunden möglich. Daten werden mit 5G+ somit nahezu in Echtzeit transportiert - so schnell wie das menschliche Nervensystem reagieren kann und viermal schneller als mit bisherigen Mobilfunk-Technologien. Zudem kann 5G+ bis zu eine Million Gegenstände und Smartphones pro Quadratkilometer vernetzen - zehn Mal mehr als bisherige Technologien und ohne Qualitätsverlust.

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