Die Physiotherapie spielt eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Verordnung von Physiotherapie, die verschiedenen Therapieansätze, die Ziele der Behandlung und die Rahmenbedingungen für die Kostenübernahme durch Krankenversicherungen.
Was ist Physiotherapie?
Physiotherapie ist eine nicht-ärztliche Behandlungsmethode, die darauf abzielt, die Beweglichkeit und das Bewegungsverhalten zu optimieren. Sie gehört zu den anerkannten Heilmitteln und kann sowohl stationär in einer Klinik als auch ambulant in einer physiotherapeutischen Praxis erfolgen. Für Patienten, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, eine Praxis aufzusuchen, kann ein Hausbesuch verordnet werden.
Der Begriff Physiotherapie ist ein Oberbegriff für alle aktiven und passiven Therapieformen. Er umfasst die Krankengymnastik, die dem Physiotherapeuten vorbehalten ist, sowie die physikalische Therapie, in der Physiotherapeuten und Masseure gleichberechtigt tätig sind. Die physikalische Therapie unterteilt sich in Massagen, Elektrotherapie, Hydrotherapie und Thermotherapie.
Ursachen und Folgen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall (Apoplex) ist ein plötzlich auftretendes Ereignis einer Funktionsstörung des Gehirns. In etwa 80 Prozent der Fälle ist eine Mangeldurchblutung des Gehirns (Hirnembolie, Hirninfarkt) die Ursache, in 20 Prozent eine Hirnblutung. Dadurch wird die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nährstoffen eingeschränkt oder unterbrochen, was zum Absterben von Gehirnzellen in den betroffenen Regionen führt.
Schlaganfälle führen bei etwa 70 Prozent der Betroffenen zu Folgeschäden und sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartigen Neubildungen die dritthäufigste Todesursache. Zu den Risikofaktoren zählen Bluthochdruck, Diabetes, hohe Blutfette, Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel.
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Ziele der Physiotherapie nach Schlaganfall
Die Hauptziele der Physiotherapie nach einem Schlaganfall sind die Wiederherstellung der Selbstständigkeit und die Verbesserung der Lebensqualität. Dazu gehören:
- Tonusnormalisierung: Abbau von Spastiken oder Erhöhung des Muskeltonus bei schlaffen Lähmungen.
- Anbahnung physiologischer Bewegungsmuster: Wiederherstellung natürlicher Bewegungsabläufe.
- Verbesserung der sensomotorischen Funktionen: Verbesserung der Wahrnehmung und Koordination.
- Verbesserung der Alltagshandlungen: Erleichterung von Aktivitäten des täglichen Lebens wie Waschen, Anziehen, Essen.
- Verbesserung der Wahrnehmung
- Verbesserung der Hirnleistung
Therapieansätze in der Physiotherapie
Die Physiotherapie bietet verschiedene Behandlungsansätze, die individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden:
- Allgemeine Krankengymnastik: Übungen zur Verbesserung der Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit.
- Physiotherapie nach Bobath: Ein spezielles Konzept, das häufig bei neurologischen Störungen wie nach einem Schlaganfall eingesetzt wird. Es zielt darauf ab, normale Bewegungsmuster wiederherzustellen und Spastiken zu reduzieren.
- Physiotherapie nach Vojta: Durch Auslösen bestimmter Reflexe wird die Aktivierung der Muskelfunktion unterstützt.
- Physiotherapie mit Geräten: Einsatz von Ergometern, Seilzügen oderTherabändern zur Kräftigung der Muskeln.
- Massagetherapie: Klassische Massage der Muskeln sowie spezielle Massagen wie Bindegewebsmassage oder Segmentmassage.
- Manuelle Lymphdrainage: Anregung des Lymphabflusses bei Lymphödemen.
- Atemtherapie: Vermittlung von Atemtechniken, die beispielsweise Patienten mit COPD oder Asthma helfen können.
- Thermotherapie: Anwendung von Wärme oder Kälte zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung.
- Manuelle Therapie: Spezielle Handgriffe und Mobilisationstechniken zur Behandlung von Wirbelsäule, Muskulatur und Gelenken.
Die Heilmittelverordnung: Voraussetzungen und Gültigkeit
Damit die Kosten für Physiotherapie von der Krankenkasse übernommen werden, ist eine ärztliche Verordnung notwendig. Die Heilmittelrichtlinie legt fest, welche Heilmittel von Ärzten verordnet werden dürfen und unter welchen Voraussetzungen. Heilmittel sind Leistungen, die ärztlich verordnet sein müssen und persönlich zu erbringen sind. Dazu gehören neben der Physiotherapie auch Ergotherapie, Logopädie, Podologie und Ernährungstherapie.
Voraussetzungen für die Verordnung:
Heilmittel können nur dann von den Krankenkassen übernommen werden, wenn sie notwendig sind, um:
- Eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
- Eine Schwächung der Gesundheit, die voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen.
- Einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken.
- Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern.
Verordnung im Rahmen des Entlassmanagements:
Ärzte in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen können Heilmittel im Rahmen des Entlassmanagements verordnen. Die Behandlung muss jedoch innerhalb von sieben Kalendertagen nach der Entlassung aufgenommen und innerhalb von zwölf Kalendertagen abgeschlossen sein.
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Beginn der Heilmittelbehandlung:
Außerhalb des Entlassmanagements muss die Behandlung innerhalb von 28 Kalendertagen nach Verordnung begonnen werden. Bei dringendem Behandlungsbedarf verkürzt sich diese Frist auf 14 Tage.
Verordnungsfall:
Ein Verordnungsfall umfasst alle Heilmittelbehandlungen für einen Patienten aufgrund derselben Diagnose und derselben Diagnosegruppe nach Heilmittelkatalog. Ein neuer Verordnungsfall tritt ein, wenn seit dem Datum der letzten Verordnung ein Zeitraum von sechs Monaten vergangen ist, in dem keine weitere Verordnung für diesen Verordnungsfall ausgestellt wurde.
Orientierende Behandlungsmenge und Häufigkeit:
In der Heilmittelverordnung ist eine Behandlungsmenge angegeben, mit der das Behandlungsziel erreicht werden soll. Ärzte können aber weitere Verordnungen ausstellen, sofern dies medizinisch notwendig ist. Auch die Häufigkeit der Behandlung ist eine Empfehlung und kann bei Bedarf erhöht werden.
Höchstmengen pro Verordnung:
Für jede Verordnung gibt es Höchstmengen, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden dürfen, etwa bei langfristigem Heilmittelbedarf oder bei einem besonderen Verordnungsbedarf.
Langfristiger Heilmittelbedarf (LHB) und Besonderer Verordnungsbedarf (BVB):
Bei bestimmten Diagnosen besteht ein langfristiger Heilmittelbedarf, wenn die Behandlungsziele erst nach längerer Behandlung erreicht werden können oder dauerhaft Heilmittel notwendig sind. Ein besonderer Verordnungsbedarf besteht, wenn Patienten Heilmittel in intensivem Ausmaß benötigen.
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Bei Vorliegen eines langfristigen Heilmittelbedarfs oder eines besonderen Verordnungsbedarfs können die notwendigen Heilmittel je Verordnung für eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Wochen verordnet werden. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse ist in diesen Fällen nicht erforderlich.
Beispiele für einen besonderen Verordnungsbedarf nach Schlaganfall:
- Hemiparese und Hemiplegie: Bei inkompletter (Hemiparese) oder vollständiger (Hemiplegie) Lähmung einer Körperhälfte besteht ein besonderer Verordnungsbedarf ohne zeitliche Beschränkung der Verordnung von Physiotherapie und Ergotherapie.
- Intrazerebrale Blutung, Hirninfarkt, Folgen einer zerebrovaskulären Krankheit: Bei diesen Diagnosen besteht ein besonderer Verordnungsbedarf für Physiotherapie, Ergotherapie und Sprachtherapie, jedoch nur längstens ein Jahr nach dem Akutereignis.
Verordnung eines Hausbesuchs:
Ein Hausbesuch kann verordnet werden, wenn der Patient aus medizinischen Gründen die Therapiepraxis nicht aufsuchen kann oder wenn ein Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwingend notwendig ist.
Die Rolle der Ergotherapie
Ergotherapie unterstützt Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist es, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken. Ergotherapeuten arbeiten in verschiedenen Fachbereichen wie Pädiatrie, Geriatrie, Orthopädie und Neurologie. Sie sind auch zuständig für Hirnleistungstraining bei neuropsychologischen Symptomen nach Schlaganfall und beraten bei der Hilfsmittelauswahl.
Kostenübernahme durch die Krankenversicherung
Die Kostenübernahme für Physiotherapie und andere Heilmittel ist in Deutschland durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen geregelt.
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV):
Physiotherapie nach Schlaganfall ist eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung in der ambulanten Versorgung. Versicherte ab dem 18. Lebensjahr leisten eine Zuzahlung von 10 Prozent der Behandlungskosten sowie 10 Euro je Verordnung. Für Versicherte unter 18 Jahren übernimmt die AOK die Behandlungskosten vollständig.
Private Krankenversicherung (PKV):
Die Bedingungen für die Kostenübernahme von Heilmitteln in der PKV hängen vom jeweiligen Versicherungstarif ab. Es gibt keinen einheitlichen Heilmittelkatalog für die PKV. Viele Versicherer orientieren sich an der Bundesbeihilfeverordnung oder haben eigene Heilmittelverzeichnisse.
Nachsorgeprogramme und Hilfsmittel
Nach der Entlassung aus Klinik oder Reha gibt es verschiedene Nachsorgeprogramme, die dazu dienen, den Heilerfolg zu stabilisieren. Dazu gehören die IRENA (Intensivierte Reha-Nachsorge), T-RENA (Gerätetraining), Psy-RENA (bei psychischen Störungen) und Rehasport als Funktionstraining.
Unter Hilfsmitteln versteht man Gegenstände, die die Krankheit ausgleichen oder längerfristig zur Selbstständigkeit beitragen, wie Orthesen, Rollstühle oder Rollatoren. Diese werden nach dem Hilfsmittelkatalog oder bei medizinischer Notwendigkeit auf gesonderten Antrag von der Krankenkasse bewilligt.
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