Der Pflegegrad 1 beschreibt eine "geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit". Menschen mit Demenz, die diesen Grad erhalten, können bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für den Pflegegrad 1 bei Demenz und welche Leistungen Betroffenen zustehen.
Was bedeutet Pflegegrad 1?
Pflegegrad 1 ist der niedrigste Pflegegrad und wird oft unterschätzt. Seit 2017 gibt es anstelle der früheren Pflegestufen fünf Pflegegrade. Die Pflegegrade drücken aus, wie stark eine Person in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Pflegebedürftige Menschen erhalten einen Pflegegrad auf Antrag von ihrer Pflegeversicherung und können damit Pflegeleistungen beanspruchen.
Voraussetzungen für Pflegegrad 1 bei Demenz
Um einen Pflegegrad zu erhalten, muss ein Antrag bei der Pflegeversicherung gestellt werden. Daraufhin erstellt ein Experte ein Pflegegutachten nach dem "Neuen Begutachtungsassessment (NBA)". Bei der Pflegebegutachtung werden bis zu 100 Punkte für eingeschränkte Selbstständigkeit vergeben. Pflegegrad 1 bekommen Versicherte mit einer anerkannten „geringen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Pflegegrad 1 bekommt, wer bei der Pflegebegutachtung zwischen 12,5 bis unter 27 Punkte erhält. Dabei geht es um die Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person, nicht um den Pflegeaufwand.
Die Gesamtpunktzahl setzt sich aus sechs unterschiedlich gewichteten Themenfeldern zusammen:
- Mobilität: Wie selbstständig bewegt sich der Begutachtete fort?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann sich der Antragsteller im Alltag örtlich und zeitlich orientieren?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie oft benötigt der Betroffene Hilfe wegen psychischer Probleme wie aggressivem oder ängstlichen Verhalten?
- Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Betroffene waschen, ankleiden, ernähren und zur Toilette gehen?
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen: Welche Hilfen benötigt der Antragsteller beim Umgang mit Krankheit und Behandlungen?
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Betroffene seinen Alltag gestalten und soziale Kontakte pflegen?
Hinter jedem der sechs Module stehen bis zu 16 feste Kriterien, die im Gutachten einzeln bewertet werden. Daraus ergibt sich für jedes Modul eine Punktzahl. Zusammengerechnet und gewichtet ergeben die Punktzahlen der Module die Gesamtpunktzahl.
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Leistungen bei Pflegegrad 1
Personen mit Pflegegrad 1 sind noch weitgehend selbstständig. Sie können sich in der Regel noch recht gut selbst versorgen und ihren Alltag in einigen Bereichen ganz ohne fremde Hilfe bewältigen. Bei manchen Leistungen spielt es jedoch keine Rolle, ob Sie Pflegegrad 1 oder Pflegegrad 5 haben: Die Ansprüche sind grundsätzlich gleich.
Folgende Leistungen stehen Menschen mit Pflegegrad 1 zu:
- Entlastungsbetrag: Pflegeversicherte mit anerkanntem Pflegegrad 1 haben Anspruch auf den Entlastungsbetrag von monatlich 131 Euro. Das Besondere mit Pflegegrad 1: Sie können den Entlastungsbetrag ohne Einschränkungen für alle Leistungen der ambulanten Pflege und Betreuung einsetzen. Viele Menschen mit Pflegegrad 1 brauchen vor allem etwas Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben im Haushalt. Eine Haushaltshilfe ist dann oft eine bessere Lösung als eine Pflegekraft. Die monatliche Kostenrückerstattung in Höhe von 131,00 Euro kann Herr Müller nutzen, um eine helfende Hand im Haushalt zu bezahlen.
- Pflegehilfsmittel: Ein Hausnotruf gehört zu den technischen Pflegehilfsmitteln. Anspruch auf Hilfsmittel besteht für alle Personen mit einer Krankenversicherung. Anders ist das bei Pflegehilfsmitteln: Hier wird ein Pflegegrad vorausgesetzt.
- Zuschuss zur Wohnraumanpassung: Wenn bestimmte Bewegungen immer schwerer oder gar unmöglich werden, dann werden harmlose Dinge plötzlich zu Hindernissen. Zur Überwindung von Treppen hilft klassischerweise ein Treppenlift. Eine zweite große Gefahrenquelle ist oft das Bad. In beiden Fällen fördert die Pflegeversicherung solche wohnumfeldverbessernden Maßnahmen mit bis zu 4.180 Euro pro Umbau-Projekt. Das bedeutet, dass Sie für unterschiedliche Maßnahmen jeweils die volle Fördersumme erhalten können.
- Umfassendes Beratungsangebot: Neben diesen finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten haben Personen des Pflegegrades 1 die Option, ein umfassendes Beratungsangebot zu nutzen.
Kein Anspruch besteht auf:
- Pflegegeld oder Pflegesachleistungen: Menschen mit Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf Pflegegeld bei der Pflege durch Angehörige oder auf Pflegesachleistungen bei der Versorgung durch einen professionellen ambulanten Pflegedienst.
- Kurzzeitpflege: Auch ein Anspruch auf Kurzzeitpflege für eine vorübergehend stationäre Pflege besteht nicht.
- Stationäre Pflege: Mit Pflegegrad 1 haben Sie keinen Anspruch auf stationäre Pflege. Bei diesem Pflegegrad ist ein Umzug ins Pflegeheim in der Regel auch gar nicht notwendig. Entscheiden Sie sich trotzdem dafür, können Sie dafür lediglich 131 Euro monatlich von der Pflegekasse erhalten. Den Rest zahlen Sie selbst.
Widerspruch gegen den Pflegegrad
Natürlich ist es möglich, gegen die Einstufung in den Pflegegrad 1 Widerspruch einzulegen. Falls Sie vor kurzem Pflegegrad 1 erhalten haben und jetzt feststellen, dass die verfügbaren Leistungen Ihrer Situation absolut nicht gerecht werden, sollten Sie einen Pflegegrad-Widerspruch einlegen. Wird der Widerspruch abgelehnt, besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Klage beim Sozialgericht einzureichen.
Pflegegrad bei Demenz: Besonderheiten
Seit Januar 2017 profitieren auch Demenzkranke von den Leistungen der Pflegeversicherung. Nun werden kognitive Einschränkungen ebenfalls als pflegebedürftig gewertet. Anstelle der sogenannten Minutenpflege (täglicher Pflegeaufwand, gemessen in Minuten) erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad (früher Pflegestufe) seit dem 01. Die Demenz wird als eine oftmals schleichend voranschreitende Degeneration des Gehirns klassifiziert. Grundsätzlich gilt: Je höher der Grad der Pflegebedürftigkeit, desto mehr Unterstützung steht der pflegebedürftigen Person zu. Was genau es bei den Pflegegraden bei Demenz zu beachten gibt, welche Leistungen Sie erwarten können und auch wie Sie durch marta Unterstützung erhalten, erfahren Sie hier.
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Der Weg zum Pflegegrad 1
- Antrag stellen: Egal ob Sie einen Erstantrag stellen oder Ihren vorhandenen Pflegegrad erhöhen möchten: Sie müssen einen Pflegegrad-Antrag bei Ihrer Pflegeversicherung stellen. Sind Sie der Meinung, dass die Voraussetzungen vorliegen um Pflegegrad 1 beantragen zu können, reicht ein formloser Antrag an die Pflegeversicherung. Sie müssen hierbei nicht benennen, welchen Pflegegrad Sie beantragen wollen - darüber entscheidet die Kasse nach einer Begutachtung.
- Begutachtung: Für das Gutachten kommt ein Pflegegutachter an Ihre Wohnstätte, also zu Ihnen nach Hause oder auch ins Pflegeheim, falls Sie dort leben.
- Bescheid: Die Empfehlung im Gutachten ist aber nicht die finale Entscheidung, denn diese wird von der Pflegeversicherung getroffen. In der Regel folgt sie aber dem Gutachten. Wurde Ihnen ein Pflegegrad bewilligt, gelten Ihre Ansprüche jetzt rückwirkend zum Tag des Antrags.
Pflegestufe 1 vs. Pflegegrad 1
Nein, Pflegestufe 1 und Pflegegrad 1 sind nicht das gleiche. Pflegegrad 1 ist auch nicht der Nachfolger von Pflegestufe 1. Wer im Pflegesystem vor 2017 Pflegestufe 1 bekommen hätte, hätte heute vermutlich Pflegegrad 2 oder Pflegegrad 3.
Beispiel: Frau Meyer mit Arthrose
Pflegegrad 1 beschreibt eine „geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“. Doch was bedeutet das konkret? Frau Meyer lebt zusammen mit ihrem Mann. Seit etwa zwei Jahren leidet sie an einer Arthrose, also einem Gelenkverschleiß. Bei Frau Meyer sind die Kniegelenke stark betroffen. Teilweise tritt die Gelenksteife auch nach dem Schlafen auf und die Antragstellerin hat Schwierigkeiten, aus dem Bett aufzustehen. Auch beim Waschen und Anziehen plagen Frau Meyer die ersten Einschränkungen: Sie kann sich nicht mehr richtig bücken und erreicht somit kaum ihre Füße. Durch die beginnende Arthrose in den Schultern fällt es Frau Meyer zunehmend schwerer, die Arme zu heben. Das Waschen und Kämmen der Haare sowie das Be- und Entkleiden des Oberkörpers werden zur Herausforderung. Ihre fortschreitende Arthrose und ihre damit verbundenen Einschränkungen führen bei Frau Meyer dazu, dass Sie sich zunehmend unsicher fühlt und Ängste entwickelt. Sie geht nur noch ungern allein nach draußen. Insgesamt bescheinigt der Experte Frau Meyer im Rahmen der Pflegebegutachtung 20 gewichtete Punkte.
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