Geistig fit zu bleiben ist ein Wunsch, den viele Menschen bis ins hohe Alter hegen. Doch wann erreicht unser Gehirn seine maximale Leistungsfähigkeit, und was können wir tun, um diese zu erhalten oder sogar zu verbessern? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Phasen der Gehirnentwicklung, die Auswirkungen des Alters und die Möglichkeiten, die geistige Fitness zu fördern.
Die Entwicklung des Gehirns im Laufe des Lebens
Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das sich von der Kindheit bis ins hohe Alter verändert. Bis zum Alter von etwa 25 Jahren reift das Gehirn beständig, wird größer und entwickelt sich weiter. Danach beginnt es langsam abzubauen.
Kindheit und Jugend: Eine Zeit des schnellen Lernens und der Optimierung
In den ersten fünf Lebensjahren entwickelt sich das Gehirn in einem rasanten Tempo. Millionen neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen, die es ermöglichen, Sprachen zu erlernen, soziale Regeln zu verstehen und Probleme intuitiv zu lösen. Das Gehirn ist in dieser Phase besonders formbar, da es sich noch an alle Umwelteinflüsse anpasst. Kleinkinder lernen sprechen, ohne Grammatik bewusst zu verstehen - ihr Gehirn speichert Muster, ohne sie analysieren zu müssen.
Zwischen zehn und zwanzig Jahren beginnt das Gehirn, ungenutzte Verbindungen abzubauen. Dieser Prozess, den Wissenschaftler "Pruning" nennen, bedeutet, dass Nervenzellen, die nicht regelmäßig genutzt werden, verschwinden, während häufig genutzte Verbindungen verstärkt werden. Dies erklärt, warum es nach der Kindheit schwerer wird, eine neue Sprache oder ein Musikinstrument zu lernen. Gleichzeitig nimmt die emotionale Sensibilität zu, was erklärt, warum Jugendliche sich oft intensiver mit Freundschaften und sozialer Akzeptanz beschäftigen.
Frühes Erwachsenenalter: Volle Reife und rationale Entscheidungen
Um das 25. Lebensjahr herum ist das Gehirn ausgereift. Besonders der präfrontale Cortex, der für Impulskontrolle, Planung und rationales Denken zuständig ist, hat seine Entwicklung abgeschlossen. Dadurch können Erwachsene bessere Entscheidungen treffen, langfristige Pläne schmieden und ihr Verhalten besser kontrollieren.
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Lebensmitte: Maximale Leistungsfähigkeit und Wissensvermittlung
Zwischen 40 und 60 Jahren erreicht das Gehirn seine maximale Leistungsfähigkeit. In dieser Zeit ist das verbale Gedächtnis - also die Fähigkeit, Wörter und Begriffe zu erinnern - besonders stark. Auch das über Jahrzehnte angesammelte Wissen lässt sich jetzt am besten nutzen. Viele Menschen setzen sich in dieser Lebensphase intensiver mit ihrem Leben auseinander und möchten ihr Wissen weitergeben.
Höheres Alter: Veränderungen im Gedächtnis und Urteilsvermögen
Ab etwa 65 Jahren beginnt das Gehirn langsam zu schrumpfen. Besonders betroffen ist der Hippocampus, eine Region, die für das Erinnern von Ereignissen wichtig ist. Der präfrontale Cortex, der für Entscheidungen und Urteilsvermögen zuständig ist, verändert sich ebenfalls. Das kann erklären, warum ältere Menschen manchmal anfälliger für Betrügereien sind. Allerdings geht nicht alles verloren, und es gibt Möglichkeiten, die geistige Fitness im Alter zu erhalten oder sogar zu verbessern.
Faktoren, die die Gehirnleistung beeinflussen
Die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter:
- Alter: Mit zunehmendem Alter nimmt die Hirnleistung ab, Lernen und Denken verlangsamen sich. Eine Ursache hierfür ist, dass Neuronen absterben und die Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die Synapsen, abgebaut werden.
- Lebensweise: Umweltverschmutzung, Kultur, sozioökonomische Bedingungen und Ernährung können das Altern des Gehirns beschleunigen oder hinauszögern.
- Krankheiten: Neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson können das Altern des Gehirns beschleunigen.
- Genetische Voraussetzungen: Die genetischen Grundvoraussetzungen können uns anfälliger für das Altern machen.
- Chronotyp: Manche Menschen sind leistungsfähiger am Morgen, andere am Abend. Die innere Uhr legt fest, wann im Verlauf eines Tages körperliche oder geistige Tätigkeiten zu den besten Ergebnissen führen.
Möglichkeiten zur Förderung der geistigen Fitness
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die geistige Fitness zu fördern und den altersbedingten Abbau der Hirnleistung vorzubeugen. Hier sind einige der effektivsten Strategien:
Gehirntraining und kognitive Stimulation
- Neues lernen: Alles, was neu ist, weckt das Gehirn auf. Versuchen Sie zum Beispiel einmal, einen Text zu lesen, wenn Sie ihn falsch herum halten, oder eine Handvoll Zeilen darauf durchgehen, wie oft der Buchstabe „n“ auf ein „e“ folgt. Das Gehirn mag keine Routine.
- Gehirnjogging: Gehirnjogging-Übungen können die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Es gibt Trainingsprogramme für das Gehirn auf dem Markt - zum Teil mit vollmundigen Versprechungen. Andererseits kann man nichts falsch machen, wenn man das Gehirn stimuliert.
- Fremdsprachen lernen: Wer eine neue Sprache lernt, nutzt eine Vielzahl umfangreicher Nervennetzwerke im Gehirn. Das fördert die Neuroplastizität und kann die Gehirnleistung verbessern - und zwar in jedem Alter.
- Musizieren: Musik beflügelt Körper und Geist. Sie stimuliert die Hirnnerven und wirkt sich auf die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe aus, die die Neuroplastizität beeinflussen.
Körperliche Aktivität und Sport
- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität begünstigt ein gesundes Gehirn. Regelmäßige Bewegung und Sport kann die Hirngesundheit fördern - und den Alterungsprozess verlangsamen.
- Sportarten: Gehen, Dehnen, aerobes Training, Kardio-Training, Krafttraining und hochintensives Training können die Gehirnfunktion steigern.
Gesunde Lebensweise
- Ausgewogene Ernährung: Eine gesunde Ernährung kann das Altern des Gehirns hinauszögern.
- Soziale Kontakte: Gegenseitiger Kontakt aktiviert das Gehirn. Ein interessantes Gespräch ist das beste Gehirntraining.
- Ausreichend Schlaf: Wer seinen Tag ständig entgegen dem Biorhythmus plant, erhöht das Risiko an Übergewicht, Depression, Diabetes und sogar Demenz zu erkranken.
Weitere Tipps
- Neugierig bleiben: Wer neugierig ist, braucht im Grunde kein Gehirntraining. Gehirntraining ist eine Hilfe, wenn man im Alltag zu wenig gefordert ist.
- Pausen machen: Das Gehirn braucht Pausen, um fit zu bleiben. Für Dauerbelastungen wie sie im Beruf häufig vorkommen, ist es nicht geschaffen.
- Prioritäten setzen: Wer seine Ressourcen geschickt einsetzt, kann damit seine Effektivität steigern. Überlegen, ordnen, machen.
- Hörvermögen erhalten: Besonders auf gutes Gehör zu achten, ist wichtig, um auch die geistige Fitness zu erhalten. Wenn Sie also merken, dass Ihr Hörvermögen abnimmt, könnte der Einsatz von Hörgeräten einem Abbau der geistigen Fähigkeiten womöglich entgegenwirken.
Die Bedeutung der Neuroplastizität
Die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und die Funktionen durch die Bildung von Zellen und Synapsen so zu verändern, dass es sich immer wieder auf Einflüsse von außen einstellen kann, beschreiben Mediziner als Neuroplastizität. Sie lässt sich auch im Alter noch gezielt fördern. Forscher sehen dies als wichtige Voraussetzung dafür, um dem altersbedingten Abbau der Hirnleistung vorzubeugen und geistig fit zu bleiben.
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