Künstliche Intelligenz und neuronale Netzwerke sind in aller Munde. Um diese Technologien zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen neuronaler Netzwerke, insbesondere die Funktionsweise unseres eigenen Gehirns, zu kennen. Smartphones können Gesichter mit Maske erkennen, und Apples FaceID faszinierte bei der Markteinführung. Doch unser Gehirn vollbringt Höchstleistungen, wenn wir unseren besten Freund unter Hunderten von Gesichtern erkennen oder ein Wort lesen. Diese Leistungen erbringt unser Gehirn mit einer Leichtigkeit und Geschwindigkeit, die selbst moderne Maschinen vor Neid erblassen lassen.
Nervenzellen: Die Grundbausteine des Gehirns
Die Hauptakteure dieser Höchstleistungen sind die Nervenzellen, auch Neuronen genannt. Ein Neuron besteht aus einem Zellkörper (Soma), der für die Energieversorgung zuständig ist, vielen Dendriten, die Informationen von anderen Neuronen empfangen, und einem Axon, das die Information des Neurons an andere Neuronen weiterleitet.
Die Synapse: Kommunikationsschnittstelle zwischen Neuronen
Die Übertragung von Signalen zwischen Neuronen erfolgt an den Synapsen, den Verbindungsstellen zwischen dem Axon eines Neurons und den Dendriten eines anderen Neurons. Eine Synapse besteht aus:
- Synaptischer Spalt: Die Lücke zwischen dem Axon des einen Neurons und einem Dendriten des anderen Neurons.
- Präsynapse: Der Teil vor dem synaptischen Spalt, meist das Axon des sendenden Neurons, das mit Botenstoffen gefüllte Bläschen enthält.
- Postsynapse: Der Teil hinter dem synaptischen Spalt, meist ein Dendrit der empfangenden Nervenzelle.
Ein Beispiel für eine einfache Kommunikation über eine einzige Synapse ist der Kniesehnenreflex.
Die Kommunikation zwischen Nervenzellen
Die Kommunikation zwischen Nervenzellen beginnt im synaptischen Spalt:
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- Nervenzelle 1 schüttet Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt aus. Beispiele für solche Botenstoffe sind Dopamin, Serotonin oder Acetylcholin.
- Diese Botenstoffe binden an die postsynaptische Membran des Dendriten von Nervenzelle 2.
- Die Bindung des Botenstoffs führt zur Öffnung kleiner Kanäle in der postsynaptischen Membran, durch die geladene Teilchen (Ionen) wie Kalium, Natrium oder Chlorid in die Dendriten gelangen können.
- Der Zufluss von Ionen verändert die Spannung der postsynaptischen Membran, wodurch sie entweder positiver oder negativer geladen wird.
- Diese Spannungsänderung fließt vom Dendriten zum Axonhügel.
Der Axonhügel: Entscheidungszentrum der Nervenzelle
Der Axonhügel verrechnet alle eingehenden negativen und positiven Signale. Wenn die Summe aller eingehenden Signale einen bestimmten Schwellenwert erreicht, wird ein Aktionspotential ausgelöst. Dabei gilt das "Alles-oder-Nichts-Prinzip": Wird der Schwellenwert nicht erreicht, passiert nichts. Wird er erreicht, wird ein Aktionspotential ausgelöst, dessen Stärke immer gleich ist.
Das Aktionspotential: Weiterleitung des Signals
Wird der Schwellenwert am Axonhügel erreicht, öffnen sich Kanäle für geladene Teilchen (Ionen), wodurch die normalerweise negativ geladene Zellmembran kurzzeitig positiv wird. Das Aktionspotential breitet sich entlang des Axons aus, wobei es an den Ranvierschen Schnürringen "springt". Am Ende des Axons, im Bereich der Präsynapse, öffnen sich spannungsgesteuerte Calciumkanäle, wodurch Calcium-Teilchen in die Präsynapse einströmen. Der Calciumeinstrom führt zur Freisetzung von Botenstoffen in den synaptischen Spalt, wodurch das Signal an die nächste Nervenzelle weitergeleitet wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das elektrische Signal des Axons an der Synapse in ein chemisches Signal umgewandelt wird, um dann am Dendriten der nächsten Nervenzelle wieder in ein elektrisches Signal umgewandelt zu werden.
Elektrische Synapsen: Eine Alternative zur chemischen Übertragung
Neben den chemischen Synapsen gibt es auch elektrische Synapsen, bei denen die elektrische Erregung direkt von einer Nervenzelle zur nächsten "springen" kann. Diese Art der Signalübertragung ist schneller als die chemische, erfordert aber einen sehr kleinen synaptischen Spalt.
Neuronale Netze: Die Grundlage komplexer Funktionen
Ein neuronales Netz ist eine Gruppe von Neuronen, die miteinander kommunizieren und auf diese Weise eine bestimmte Funktion ausüben. Dieses Netz ist im Laufe des Lebens in ständiger Veränderung, ein Phänomen, das als neuronale Plastizität bezeichnet wird. Neue Verbindungen zwischen Synapsen werden geschaffen und bestehende Verbindungen gekappt.
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Neuronale Plastizität und Langzeitpotenzierung
Wird eine Synapse sehr häufig benutzt, verändert sich ihre Struktur, wodurch sich die synaptische Übertragung verbessert. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Langzeitpotenzierung, die vermutlich die Grundlage für das Erlernen und Speichern von Informationen ist.
Adulte Neurogenese: Neubildung von Nervenzellen im Erwachsenenalter
Lange Zeit ging man davon aus, dass im Erwachsenenalter keine neuen Neurone mehr gebildet werden können. Inzwischen ist man der Meinung, dass dies möglich ist und auch regelmäßig passiert. Dieses Phänomen nennt man "adulte Neurogenese", die vor allem im Hippocampus stattfindet.
Die Messung von Spannung in Neuronen
An der Membran einer jeden Zelle besteht ein Ladungsunterschied zwischen Innen und Außen. In der Regel ist die Innenseite der Membran leicht negativ geladen, während die Außenseite leicht positiv geladen ist. Um diese Membranspannung bzw. dieses Membranpotenzial zu messen, benötigt man zwei Elektroden: eine Messelektrode und eine Bezugselektrode. Die Messelektrode muss sehr fein sein, da man sie in die lebende Nervenzelle hineinstechen will.
Das Membranpotential: Ein Ladungsunterschied zwischen Innen und Außen
Solange sich die beiden Elektroden in dem Salzwasser befinden, passiert noch gar nichts. Sticht man nun die Messelektrode vorsichtig in das Neuron, so beobachtet man auf dem Messgerät eine Spannung von 50 mV, 70 mV oder sogar 90 mV. Dabei stellt man fest, dass die Innenseite der Zelle negativ geladen ist im Vergleich zum Außenmedium. Deswegen gibt man dem Membranpotenzial ein negatives Vorzeichen: -50, -70 bzw.
- Membranpotential: Ladungsunterschied zwischen der Innenseite der Membran und dem Außenmedium.
- Ruhepotential: Membranpotential, das man im Ruhezustand einer Zelle messen kann.
- Aktionspotential: Membranpotential, das man am Axon einer gerade erregten Nervenzelle messen kann.
Die Innenseite der Membran einer Nervenzelle ist gegenüber dem Außenmedium negativ geladen. Sticht man eine Messelektrode in die Nervenzelle hinein und lässt die Bezugselektrode im Außenmedium, so kann man im Ruhezustand der Zelle ein Membranpotential von ca. -70 mV messen.
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Depolarisierung und Hyperpolarisierung
- Depolarisierung: Abschwächung der vorhandenen Membranspannung, zum Beispiel von -70 mV auf -40 mV.
- Hyperpolarisierung: Verstärkung des Membranpotenzials, zum Beispiel von -70 mV auf -85 mV.
Ursachen des Ruhepotentials
Das Ruhepotential einer Nervenzelle entsteht durch die ungleiche Verteilung von Ionen (besonders Natrium und Kalium) zwischen Zellinnerem und -äußerem, wobei die Nervenzelle im Ruhezustand innen negativ geladen ist (ca. -70 mV).
Das Membranpotential berechnen
Das Membranpotential kann man nicht nur messen, sondern auch berechnen. Mit der Nernst-Gleichung kann man das Gleichgewichtspotential EA (auch Umkehrpotential) einzelner Ionen (A) berechnen. Die Goldman-Gleichung erweitert die Nernst-Gleichung um die unterschiedliche Permeabilität der Zellmembran für die Ionen.