Sport und Bewegung als Demenzprävention: Ein umfassender Überblick

Weltweit leiden Millionen Menschen an Demenz, und die Zahlen steigen. Da es derzeit keine Heilung gibt, rückt die Prävention in den Fokus. Regelmäßige körperliche Aktivität, empfohlen von der WHO, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung von Sport und Bewegung zur Vorbeugung von Demenz, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und praktischen Empfehlungen.

Demenz: Eine wachsende globale Herausforderung

Aktuell sind über 46 Millionen Menschen weltweit von Demenz betroffen. Bis 2030 wird diese Zahl auf schätzungsweise 74 Millionen ansteigen. Demenz ist eine Folge von Erkrankungen des Gehirns, die durch eine fortschreitende Beeinträchtigung kognitiver Funktionen wie Gedächtnis und Orientierung gekennzeichnet ist. Persönlichkeitsveränderungen, psychische Labilität und Aggressionen können ebenfalls auftreten. Diese Erkrankung stellt eine erhebliche Belastung dar, insbesondere im Endstadium, wenn Betroffene auf umfassende Pflege angewiesen sind. Anders als bei vielen anderen schweren Erkrankungen gibt es derzeit keine heilenden Medikamente oder wirksame präventive Maßnahmen in Form von Medikamenten.

Die Rolle von Bewegung in der Demenzprävention

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt regelmäßige körperliche Aktivität zur Vorbeugung von Demenz. Studien wie die DenkSport-Studie zeigen, dass körperliche Aktivität die kognitive Leistungsfähigkeit und Lebensqualität signifikant verbessern kann. Entscheidend ist dabei die Häufigkeit des Trainings.

DenkSport: Eine Erfolgsgeschichte

Die DenkSport-Studie motivierte die Teilnehmer, (wieder) mit dem Sport zu beginnen. In Zusammenarbeit mit dem StoryAtelier Köln entstanden Videos, in denen Teilnehmer über ihre persönlichen Erfahrungen und Sportbiografien berichten. Diese Videos zeigen eindrücklich, wie Bewegung das Leben positiv verändern kann.

Einige Beispiele von Teilnehmern sind:

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  • Renata, die durch Sport ihre Merkfähigkeit nach einer Krankheit verbesserte.
  • Hilmar, der erkannte, dass sich die Mühe lohnt, um geistig fit zu bleiben.
  • Ali, der durch das Sportprojekt DenkSport Erinnerungen an eine besondere Zeit seines Lebens wiederentdeckte.
  • Günther, der nach 40 Jahren wieder auf derselben Tartanbahn trainierte.
  • Christel, deren Haltung zum Sport sich durch das Programm DenkSport komplett veränderte.

Körperliche Aktivität als Therapie

Demenz betrifft vor allem ältere Menschen, die oft mit den Belastungen des Alterns zu kämpfen haben. Dazu gehören:

  • Reduzierung der Ausdauerleistungsfähigkeit und Kurzatmigkeit
  • Verlust von Muskelmasse und Kraft
  • Einschränkung der koordinativen Fähigkeiten und erhöhte Sturzgefahr
  • Arthrotische und osteoporotische Veränderungen des Skelettsystems

Die Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit führt zu einem Verlust an Alltagsfähigkeiten, Gangunsicherheit, Verlangsamung der Reaktionsfähigkeit, Abbau der Dualtaskingfähigkeit und einem erhöhten Sturzrisiko.

Wie Bewegungstherapie helfen kann

Bewegungstherapie kann diesen Faktoren entgegenwirken. Studien haben gezeigt, dass Demenzerkrankte von körperlichem Training profitieren können. Beispielsweise erreichten Alzheimer-Patienten bei einem Laufbandtest fast gleiche Werte der Beanspruchungsbewertung, Herzfrequenz und Sauerstoffkapazität wie gesunde Teilnehmer. Eine Studie zeigte eine Steigerung der Kraftleistungsfähigkeit um 50 % durch ein spezielles Trainingsprogramm für Demenzerkrankte.

Gleichgewicht, Kräftigung und Multitasking

In der Bewegungstherapie sind Gleichgewichts- und Balancetraining essenziell. Übungen umfassen den Stand mit unterschiedlicher Unterstützung, vom Beidbeinstand bis zum Einbeinstand. Bewusste Störungen durch Armbewegungen können den Effekt verstärken.

Kräftigungstraining sollte alltagsnah gestaltet und mit einer höheren Intensität von 60-80 % der maximalen Kraftfähigkeit durchgeführt werden. Ideal sind einstellbare Trainingsgeräte für die Beinmuskulatur und den Rumpf.

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Multitaskingaufgaben, wie das Lösen von Rechenaufgaben während einer sportlichen Bewegung, fördern die kognitive Leistungsfähigkeit.

Methodische Aspekte

Bei der Sport- und Bewegungstherapie bei Demenzerkrankungen sind folgende Punkte zu beachten:

  • Langsames, deutliches Vermitteln und geduldiges Vorgehen
  • Kurze, klare Anweisungen, unterstützt durch Bilder
  • Visueller Fokus durch deutliche Bewegungsdemonstrationen
  • Taktile und rhythmische Hilfen
  • Gewohnte Räumlichkeiten, fester Organisationsablauf und kleine Gruppengrößen
  • Integration der Emotionen und Wecken von Freude
  • Sozialer Rahmen und gemeinsame Aktivitäten
  • Einsatz von Musik, insbesondere alte Stücke, die Erinnerungen hervorrufen

Bewegungstherapie und Gehirnleistung

Das Gehirn ist ein anpassungsfähiges Organ. Sport- und Bewegungstherapie kann diese Anpassungsprozesse (Neuroplastizität) stimulieren.

Durchblutungssteigerung

Körperliche Aktivität steigert das Stoffwechselbedürfnis des Gehirns und erhöht die Durchblutung. Schon geringe körperliche Aktivität kann die Durchblutung stärker steigern als rein geistige Aktivität.

Sinne schärfen

Die menschlichen Sinne sind die Voraussetzung für die Informationsaufnahme. Bewegung kann helfen, die Sinne zu schärfen.

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  • Der Tastsinn wird über die Hände aktiviert.
  • Der Hörsinn kann durch die Kombination von Bewegungen mit Lauten und Kommandos sensibilisiert werden.
  • Der Sehsinn kann durch spezielle Augenübungen stimuliert werden.
  • Der Gleichgewichtssinn ist zentral für koordinative Leistungen und Sturzprophylaxe.

Synapsenverbindungen

Das Gehirn muss mit vielseitigen Anforderungen konfrontiert werden, um die Vernetzung der Gehirnzellen zu fördern. Je komplexer eine Bewegung ist, desto mehr Verstrickungen entstehen. Diese Vernetzung sollte auch Neuronen aus den Motivations-, Aufmerksamkeits- und Emotionszentren einbeziehen.

Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese)

Auch im höheren Alter können sich bei entsprechenden Stimuli neue Neuronen bilden.

Neurotransmitter steigen

Körperliche Aktivität steigert die Überträgerstoffe im Gehirn, die für Aktivitätsniveau, Stimmung, Vitalität und Verhalten entscheidend sind. Eine zentrale Rolle spielt der Substanzkomplex BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factors), der die Übertragungseffektivität der Synapsen steigert.

Intensive Intervalltrainings als vielversprechende Methode

Eine australische Studie deutet darauf hin, dass intensives Intervalltraining langanhaltend vor Demenz schützen kann. Frauen und Männer zwischen 65 und 85 Jahren nahmen sechs Monate lang an einem Sportprogramm teil, das verschiedene Intensitäten umfasste. Nur das intensive Intervalltraining führte zu einer anhaltenden Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit, die auch fünf Jahre nach Ende des Programms noch nachweisbar war.

Ergebnisse der Studie

  • Verbesserungen in den Blutwerten (Prolaktin, Cortisol, BDNF, Beta-Hydroxybutyrat und GH)
  • Strukturelle Veränderungen im Hippocampus, der für das Gedächtnis wichtig ist
  • Verbesserte Lernfähigkeit

Weitere Faktoren zur Demenzprävention

Neben Bewegung spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Demenzprävention:

  • Richtige Ernährung: Mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und Olivenöl kann vor Alzheimer schützen.
  • Geistige Fitness: Kulturelle Aktivitäten, Knobeleien und Hobbys halten das Gehirn fit.
  • Soziale Aktivitäten: Regelmäßiger Austausch mit anderen Menschen fordert das Gehirn und hält es in Schwung.

Risikofaktoren reduzieren

Es gibt zahlreiche Faktoren, die eine Demenz begünstigen, darunter erhöhte Cholesterinwerte, Übergewicht, hoher Blutdruck, Rauchen, Depressionen und soziale Isolation. Wer bewusst und gesund lebt, kann das Demenz-Risiko senken.

GESTALT: Ein evidenzbasiertes Bewegungsprogramm

Am Institut für Sportwissenschaft und Sport der Universität Erlangen-Nürnberg wurde das evidenzbasierte multimodale Bewegungsprogramm GESTALT entwickelt. Es besteht aus zwei Modulen: einem Bewegungsprogramm (Tanz & Bewegung zu Musik, Sport & Spiel, Bewegung im Alltag) und einer Bewegungsberatung. GESTALT wurde erfolgreich in der Praxis umgesetzt und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität von Senioren bei.

Praktische Tipps für mehr Bewegung im Alltag

  • Nutzen Sie den Alltag: Gehen Sie kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
  • Integrieren Sie Bewegung: Nehmen Sie die Treppe statt des Aufzugs.
  • Gestalten Sie Ihre Freizeit aktiv: Spazieren Sie mit Freunden, arbeiten Sie im Garten oder verbringen Sie Zeit im Freien.
  • Kraft- und Ausdauertraining: Verbessern Sie die Durchblutung des Gehirns und erhalten Sie kognitive Fähigkeiten.
  • Sanfte Bewegungsformen: Yoga oder Tai-Chi fördern Balance und Konzentration.
  • Musik und Bewegung: Tanzen oder Klatschen im Takt können Erinnerungen wecken und die Bewegung erleichtern.
  • Knüpfen Sie an alte Gewohnheiten an: Setzen Sie Aktivitäten fort, die Ihnen Freude bereiten.

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