Was hilft gegen Epilepsie Behandlung?

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der etwa 0,6 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Die Behandlung der Epilepsie richtet sich nach dem individuellen Krankheitsbild, den Lebensumständen des betroffenen Menschen und seinen Bedürfnissen. Ziel der Behandlung ist es, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Behandlung

Anfallsunterdrückende Medikamente

Meistens helfen anfallsunterdrückende Medikamente, auch Anfallssupressiva, Antiepileptika oder Antikonvulsiva genannt. Diese Medikamente wirken allerdings nicht gegen die Epilepsie selbst, sondern nur gegen die Anfälle. Nach den Angaben in der medizinischen Leitlinie werden etwa 50 % der Menschen mit Epilepsie mit dem 1. anfallsunterdrückenden Medikament anfallsfrei, mit dem 2. weitere 10-15 % und insgesamt durch Medikamente ungefähr 2/3.

Ob die Medikamente lebenslang genommen werden sollten oder nach langer Anfallsfreiheit abgesetzt werden können, ist eine individuelle Entscheidung, die Menschen mit Epilepsie gemeinsam mit ihren Ärzten treffen sollten. Es kommt darauf an, ob die Vorteile durch das Absetzen die Nachteile überwiegen. Etwa die Hälfte der Menschen, die durch Medikamente langjährig anfallsfrei geworden sind, bekommen wieder Anfälle, wenn sie die Medikamente absetzen.

Antiepileptika können mehr oder weniger starke Nebenwirkungen haben und werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut vertragen. Es ist genauso wichtig, belastende und einschränkende Nebenwirkungen zu vermeiden, wie die Anfälle zu unterdrücken. Ziele der Behandlung sind, das Risiko durch die Anfälle zu verringern (z.B. das Unfallrisiko, das Risiko zu sterben und das Risiko für geistige Folgeschäden), eine möglichst hohe Lebensqualität und ein möglichst selbstbestimmtes und unabhängiges Leben.

Notfallmedikamente

Neben den regelmäßig einzunehmenden anfallsunterdrückenden Medikamenten bekommen einige Menschen auch noch sog. Notfallmedikamente, auch Bedarfsmedikation oder Akutmedikation genannt. Sie sind dafür gedacht, einen Status epilepticus oder eine Anfallsserie zu unterbrechen. Ein Status epilepticus ist ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert. Für Anfallsserien gibt es keine klare medizinische Definition, aber meist wird von einer Anfallsserie gesprochen, wenn mindestens 3 Anfälle innerhalb von 24 Stunden auftreten, wenn die Anfälle normalerweise seltener auftreten.

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Die medizinische Leitlinie empfiehlt Notfallmedikamente in der Regel bei Anfällen zu verwenden, die länger als 5 Minuten dauern und/oder nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden. Ein Notfallmedikament kann demnach aber auch schon nach dem 1. Anfall nützlich sein, wenn ein Mensch zu Anfallsserien neigt. Die Notfallmedikamente haben deutliche Nebenwirkungen und können süchtig machen. Zwar sind sie ggf. lebensrettend oder verhindern Langzeitschäden, aber ihr übertriebener Einsatz schadet oder ist im besten Fall sinnlos. Manche Notfallmedikamente können nur medizinische Fachleute geben, andere auch Laien.

Notfallmedikamente gibt es in verschiedenen Formen, z.B. als Nasensprays, Spritzen, Tropfen, Zäpfchen oder Tabletten. Manchmal können Menschen mit Epilepsie ein Notfallmedikament selbst verwenden, aber sehr oft muss das wegen Bewusstseinsverlusts beim Anfall eine andere Person übernehmen. Menschen mit Epilepsie sollten daher über die Notfallmedikamente und deren Verwendung die Personen genau informieren, mit denen sie viel Zeit verbringen, z.B. Angehörige oder Kollegen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten das Kitapersonal und/oder die Lehrkräfte schriftliche ärztliche Informationen über etwaige Notfallmedikamente bekommen. Nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden sollte der Mensch mit der Epilepsie in eine Notaufnahme gebracht werden, wenn die Anfälle sonst nicht so häufig auftreten.

Es ist ratsam, auf die Uhr zu schauen oder die Sekunden zu zählen, um die wirkliche Anfallsdauer einschätzen zu können, um einen verfrühten unnötigen Einsatz von Notfallmedikamenten oder unnötige Notrufe zu vermeiden.

Volljährige müssen für viele Medikamente Zuzahlungen in Höhe von 10 % des Abgabepreises bezahlen, mindestens 5 € und maximal 10 €. Menschen mit Epilepsie gelten in der Regel als chronisch krank.

Therapieresistente Epilepsie

Wenn ein Jahr lang 2 passende ausreichend dosierte Medikamente zur Unterdrückung von Anfällen nacheinander oder in Kombination nicht zu Anfallsfreiheit geführt haben (= pharmakoresistente Epilepsie), ist Anfallsfreiheit für mindestens 1 Jahr durch Medikamente unwahrscheinlich. Die Chance liegt dann nur noch bei unter 10 %. Deswegen sollten sich Menschen mit Epilepsie dann an eine Spezialambulanz, eine Schwerpunktpraxis oder an ein Epilepsiezentrum wenden.

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Chirurgische Behandlung

Epilepsiechirurgie

Eine Operation kann bei manchen Menschen mit pharmakoresistenter Epilepsie zur Anfallsfreiheit oder zumindest zu weniger Anfällen führen, ist aber nicht bei allen Menschen möglich und sinnvoll. Eine OP kommt nur bei fokal beginnenden (= von einer Gehirnhälfte ausgehenden) Anfällen in Frage - mit Ausnahme von OPs zum Einsetzen von Elektroden zur Neurostimulation. Neurostimulation ist auch bei generalisiert beginnenden Anfällen möglich.

Viele Menschen mit Epilepsie und deren Neurologen halten die Epilepsiechirurgie für riskanter, als sie wirklich ist, und die Anfälle für weniger gefährlich, als sie tatsächlich sind. Studien zeigen, dass das Sterberisiko bei pharmakoresistenter Epilepsie im Durchschnitt durch eine OP deutlich sinkt. Ob und ggf. welche Schäden durch die OP drohen (z.B. Sprachprobleme, Bewegungsprobleme oder Sehprobleme), hängt davon ab, von welchen Stellen des Gehirns die Epilepsie ausgeht. Das Risiko ist hoch, wenn sie in der Nähe von Gehirnstellen mit einer wichtigen Funktion liegen oder wenn sie von solchen Stellen nicht klar abzugrenzen sind. Das lässt sich durch verschiedene Untersuchungen herausfinden.

Außerdem sollte vor einer Entscheidung über eine OP die Gehirnfunktion getestet werden und der Mensch mit Epilepsie und ggf. dessen Angehörige sollten sich gut beraten lassen, wie sich die OP z.B. auf die Arbeitsfähigkeit (Epilepsie > Beruf), die Fahrerlaubnis (Epilepsie > Autofahren), auf Sport und Freizeit (Epilepsie > Urlaub und Sport) und auf das soziale Leben auswirken kann. Einerseits kann Anfallsfreiheit vieles (wieder) ermöglichen. Andererseits können durch die OP ggf. neue Einschränkungen entstehen. Die Entscheidung für oder gegen eine OP müssen am Ende die Betroffenen selbst treffen, bei Kindern und Jugendlichen auch die Sorgeberechtigten.

Eine Operation sollte prinzipiell nur von zertifizierten epilepsiechirurgischen Zentren durchgeführt werden. Es gibt verschiedene operative Verfahren:

  • Resektive Verfahren: Die Anfallsherde werden entfernt. Das Wort „resektiv" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „wegschneiden".
  • Diskonnektive Verfahren: Dabei wird ein Teil des Gehirns vom Rest des Gehirns getrennt, entweder eine Hirnhälfte (funktionale Hemisphärotomie) oder der hintere Teil einer Hirnhälfte (posteriore Diskonnektion). Der abgetrennte Teil bleibt im Gehirn, funktioniert aber dann nicht mehr. Das wird bei fokal beginnender pharmakoresistenter Epilepsie mit großen Hinrnschädigungen in einer Hirnhälfte oder im hinteren Viertel einer Hirnhälfte empfohlen, wenn die zu erwartenden Vorteile die zu erwartenden Nachteile überwiegen. Diese Verfahren können zu Anfallsfreiheit führen, führen aber auch immer zu Sichtfeldeinschränkungen auf einer Seite und bei einer Hemisphärotomie auch zu einer Halbseitenlähmung.
  • Laser- und Radiofrequenz-Thermoablation: Dabei wird die anfallsauslösende Stelle im Gehirn mit einem Laser oder mit Radiowellen zerstört, was zu Anfallsfreiheit führen kann.
  • Sterotaktische Radiotherapie: Das ist eine gezielte Strahlentherapie, die sonst zum Abtöten von Krebszellen verwendet wird.
  • Vagusnerv-Stimulation (VNS): Ein sog. Stimulator unterhalb des Schlüsselbeins und damit verbundene Kabel mit Elektroden reizen den sog. Vagusnerv im Halsbereich mit elektrischen Impulsen, ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Sie werden bei einer Operation unter der Haut eingesetzt. Diese Methode zur Neurostimulation kann auch antidepressiv wirken. Nebenwirkungen sind z.B. Heiserkeit, Hustenreiz oder Missempfindungen.
  • Tiefe Hirnstimulation: Dies ist ein neueres Verfahren zur Neurostimulation, bei dem Elektroden ins Gehirn implantiert werden, um bestimmte Bereiche elektrisch zu stimulieren. Mögliche Nebenwirkungen sind z.B. Depressionen und Gedächtnisstörungen.
  • Subpiale Transsektion: Dabei werden mehreren Nervenbahnen kurz unter der Hirnrinde durchtrennt. Das kann verhindern, dass sich Anfälle ausbreiten, und ist auch in wichtigen Gehirnbereichen möglich, weil deren Funktion erhalten bleiben kann. Dieses Verfahren wird nur bei gefährlichen Anfällen empfohlen.
  • Kallostomie: Der sog. Balken (= Corpus callosum) verbindet die beiden Gehirnhälften miteinander. Er wird bei dieser OP meistens teilweise, selten auch vollständig durchtrennt. Das kann Sturzanfälle verringern oder verhindern, weil sich ein Anfall mangels Verbindung nicht mehr aufs ganze Gehirn ausbreiten kann. Wegen der Nebenwirkungen ist das aber nur die letzte Möglichkeit, wenn alles andere gescheitert ist und der Leidensdruck bzw. das Risiko groß ist. Beispiele für Nebenwirkungen sind motorische Probleme, Wahrnehmungsstörungen beim Sehen und beim Tastsinn und fehlende Aufmerksamkeit für eine Körperhälfte oder Raumhälfte.

Nicht-operative Vagusnerv-Stimulation

Vagusnerv-Stimulation geht auch ohne Operation. Die Impulse an den Vagusnerv gibt dabei eine Elektrode im Ohr durch die Haut. Die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren das allerdings nicht. Auch hier sind Nebenwirkungen wie z.B. Heiserkeit, Hustenreiz oder Missempfindungen möglich.

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Ergänzende Verfahren und Patientenschulung

Zur Ergänzung und Unterstützung der Epilepsie-Therapie kommen verschiedene Verfahren in Betracht:

  • Medikamente zur Unterdrückung von Anfällen anpassen
  • Psychische Störungen wie bei Menschen ohne Epilepsie behandeln
  • Modifizierte Atkins-Diät: Das ist eine Ernährungsweise mit wenig Kohlenhydraten und viel Fett. Menschen mit pharmakoresistenter Epilepsie können diese Diät zusätzlich zu den Medikamenten ausprobieren.
  • Keine eindeutigen Nachweise, ob Methoden zur Anfallselbstkontrolle helfen (z.B. EEG-Biofeedback macht die Hirnströme sichtbar und soll deren willentliche Kontrolle lehren.
  • kann aber bei Menschen, die das möchten, die Lebensqualität verbessern

Wenn Sie ergänzende Verfahren probieren wollen sollten Sie bedenken, dass auch diese unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Sie sollten darauf achten, ob sie Ihre Lebensqualität wirklich verbessern, oder vielleicht sogar verschlechtern.

Patientenschulungen (Psychoedukation) sollen Betroffenen helfen, ihre Krankheit zu verstehen, um mit den Einschränkungen im Alltag besser zurechtzukommen. Die Krankenkassen können eine ambulante wohnortnahe Patientenschulung finanzieren. Wer eine stationäre medizinische Reha macht, z.B. in einem Epilepsiezentrum, bekommt dort in der Regel auch Patientenschulung. Sie ist dann fester Bestandteil der Reha und wird von dem Träger gezahlt, der die Reha finanziert, also z.B. die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger. Für Menschen mit Epilepsie und einer Lern- oder geistigen Behinderung, gibt es z.B. die PEPE-Schulung.

Cannabidiol

Cannabidiol hat keine Rauschwirkung, denn diese geht von einem anderen Bestandteil von Cannabis aus, dem THC. Für THC gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass es gegen epileptische Anfälle helfen könnte. Wenn andere Medikamente versagt haben, ist auch bei anderen Epilepsie-Formen ein sog. Therapieversuch mit Cannabidiol möglich. Seit April 2024 ist Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken teilweise legal. Das beinhaltet erlaubten Eigenanbau, Besitz und Konsum geringer Mengen bzw. den Erwerb als Mitglied eines sog. Cannabis-Social-Clubs. das unbedingt vorher mit dem behandelnden Neurologen absprechen. Außerdem gibt es dabei z.B. Nebenwirkungen wie z.B. Hohes Risiko. Eine fehlende Wirkung des Cannabis gegen Epilepsie kann unbemerkt bleiben. Durch den sog. Rausch kann die Einschätzung erschwert sein.

Spezialisierte Einrichtungen und Rehabilitation

Epilepsie-Ambulanzen sind regionale Spezialeinrichtungen, die an neurologische, pädiatrische und psychiatrische Kliniken oder Fachabteilungen von Krankenhäusern angeschlossen sind. Epilepsiezentren können Menschen mit schwer therapierbaren Epilepsien helfen. Ihr Angebot umfasst sowohl eine Epilepsie-Ambulanz als auch stationäre Diagnostik, Therapie (inklusive Epilepsiechirurgie) und Rehabilitation. Epilepsiezentren gibt es für Kinder und für Erwachsene.

Medizinische Reha bei Epilepsie soll Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsminderung und/oder Sozialleistungsbezug wegen der Epilepsie verhindern, beseitigen, verringern, ausgleichen oder zumindest einer Verschlimmerung vorbeugen. Nur, wenn mindestens eine der genannten möglichen Folgen droht oder schon eingetreten ist, kann ein Kostenträger eine Epilepsie-Reha bewilligen, z.B. die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger.

Medizinische und neurologische Behandlung gibt es ambulant und stationär. Bei ambulanter Reha können Menschen mit Epilepsie erarbeitete Strategien gleich im Alltag testen und ggf. anpassen. Medizinische Reha ist ggf. als Anschlussrehabilitation an einen Akutklinik-Aufenthalt möglich. Ebenfalls zur medizinischen Reha gehört die sog. Stufenweise Wiedereingliederung. Kinder und Menschen mit Behinderungen können bei medizinischer Notwendigkeit eine Begleitperson bekommen. Verschiedene weitere Leistungen ermöglichen Reha trotz Berufstätigkeit und familiären Pflichten.

Verhaltenstipps und Anfallskalender

Neben der medikamentösen Therapie können auch Verhaltensstrategien helfen, Anfälle zu vermeiden. Dazu gehört die Vermeidung von Anfallsauslösern wie Flackerlicht oder Schlafmangel. Auch die Entwicklung von Strategien zur Anfallsunterbrechung kann hilfreich sein.

Es ist ratsam, einen Anfallskalender zu führen, um festzuhalten, welche Faktoren die Anfälle fördern, wie diese aussehen und wie oft und in welchen Formen sie auftreten, aber auch, in welchen Situationen selten oder nie Anfälle auftreten. Diese „stabilen Lebenssituationen“ sind für die Behandlung sehr wichtig.

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