Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn, die zu vorübergehenden Funktionsstörungen führen. Die Anfälle können sich vielfältig äußern, von kurzen Absencen (geistiger Abwesenheit) bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie umfasst eine Vielzahl chronischer Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die auf einer Überaktivität von Nervenzellen im Gehirn beruhen. Wenn Nervenzellen übermäßig aktiv sind, können sie anfallsartige Funktionsstörungen auslösen, die von kaum merklichen geistigen Abwesenheiten (z. B. Absencen bei Kindern oder kognitive Anfälle bei Erwachsenen) über Wahrnehmungsstörungen bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust reichen.
Im Deutschen wird Epilepsie häufig auch als „Fallsucht“ oder als „Krampfleiden“ beschrieben, weil dies treffend beschreibt, wie sich die Krankheit meistens äußert: Die Muskeln ziehen sich krampfartig zusammen, der Betroffene zuckt und hat vorübergehend keine Kontrolle mehr über seinen Körper bzw. einzelne Gliedmaßen. Es gibt allerdings auch Anfallsformen, die von Außenstehenden oft nicht als solche erkannt werden. Bei der sogenannten „Absence“ (dt. Abwesenheit) wirkt der Betroffene zum Beispiel ruhig, ist aber in diesem Augenblick nicht bei normalem Bewusstsein und nicht ansprechbar.
Ursachen von Epilepsie
Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und oft nicht vollständig geklärt. Grundsätzlich gilt, dass jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein kann. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen.
- Genetische Faktoren: Eine genetische Veranlagung spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Epilepsie. Manche Menschen haben eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere, was auf genetische Defekte zurückzuführen sein kann. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden.
- Strukturelle Veränderungen im Gehirn: Strukturelle Veränderungen am Gehirn, wie sie beispielsweise durch Schlaganfälle, Hirntumore, Narben nach Schädel-Hirn-Verletzungen oder Sauerstoffmangel während der Geburt entstehen können, können ebenfalls Epilepsie auslösen. Diese Veränderungen können die normale Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und zu einer erhöhten Erregbarkeit führen. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen.
- Infektionen: Infektionen des Gehirns, wie Meningitis oder Enzephalitis, können ebenfalls Epilepsie verursachen. Die Entzündungsprozesse im Gehirn können die Nervenzellen schädigen und ihre Funktion stören.
- Metabolische Störungen: Stoffwechselerkrankungen, wie die Phenylketonurie, können ebenfalls Epilepsie auslösen. Diese Erkrankungen führen zu Veränderungen im Stoffwechsel, die sich negativ auf die Funktion des Gehirns auswirken können.
- Immunologische Ursachen: In seltenen Fällen können Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift, zu Entzündungen im Gehirn und somit zu Epilepsie führen.
In vielen Fällen bleibt die Ursache der Epilepsie jedoch unklar. Diese Fälle werden als kryptogene Epilepsien oder Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet.
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Trigger von epileptischen Anfällen
Neben den eigentlichen Ursachen der Epilepsie gibt es auch bestimmte Faktoren, die epileptische Anfälle auslösen oder provozieren können. Diese Faktoren werden als Trigger bezeichnet. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Trigger keine Epilepsie verursachen, sondern lediglich die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls erhöhen. Zu den häufigsten Triggern gehören:
- Schlafmangel: Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und Schlafmangel sind bekannte Auslöser für epileptische Anfälle. Ausreichend Schlaf ist daher für Menschen mit Epilepsie besonders wichtig.
- Stress: Sowohl körperlicher als auch seelischer Stress kann Anfälle auslösen. Entspannungstechniken und Stressmanagement können helfen, das Anfallsrisiko zu reduzieren.
- Fieber: Hohes Fieber, insbesondere bei Kindern, kann epileptische Anfälle provozieren.
- Alkohol und Drogen: Alkohol- und Drogenkonsum, insbesondere Entzugserscheinungen, können die Erregbarkeit des Gehirns erhöhen und Anfälle auslösen.
- Flackerndes Licht: Bei manchen Menschen mit Epilepsie kann flackerndes Licht, wie es beispielsweise in Diskotheken oder bei Computerspielen vorkommt, Anfälle auslösen.
- Hormonelle Veränderungen: Hormonelle Veränderungen, wie sie beispielsweise während der Menstruation oder in der Schwangerschaft auftreten, können bei manchen Frauen mit Epilepsie Anfälle beeinflussen.
- Bestimmte Medikamente: Einige Medikamente können die Wirkung von Antiepileptika beeinträchtigen oder die Erregbarkeit des Gehirns erhöhen und somit Anfälle auslösen.
- Dehydration: Achten Sie darauf, dass Sie immer ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie Sport treiben.
- Unregelmäßige Mahlzeiten: Regelmäßige Mahlzeiten können dazu beitragen, dass Ihre Anfälle unter Kontrolle bleiben.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Menschen mit Epilepsie auf die gleichen Trigger reagieren. Jeder Mensch ist individuell und sollte seine eigenen Trigger kennen und vermeiden. Ein Anfallstagebuch kann helfen, die individuellen Trigger zu identifizieren.
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie basiert in erster Linie auf der Anamnese (Krankengeschichte) und der Beschreibung der Anfälle durch den Betroffenen oder Augenzeugen. Weitere wichtige diagnostische Verfahren sind:
- Elektroenzephalogramm (EEG): Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns und kann epileptietypische Veränderungen aufzeigen.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist ein bildgebendes Verfahren, das detaillierte Bilder des Gehirns liefert und strukturelle Veränderungen, wie Tumore oder Narben, darstellen kann.
- Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen können helfen, Stoffwechselstörungen oder Infektionen als Ursache der Epilepsie auszuschließen.
Da sich die Therapie auf die Diagnose stützt, sollte bei ungesicherter Verdachtsdiagnose unbedingt eine Zweitmeinung durch eine speziell epileptologisch ausgerichtete diagnostische Einheit eingeholt werden. Die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie liegt laut Studien zwischen rund fünf und 30 Prozent.
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung von Epilepsie zielt in erster Linie darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten sind:
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- Medikamentöse Therapie: Antiepileptika sind Medikamente, die die Erregbarkeit des Gehirns reduzieren und somit Anfälle verhindern können. Es stehen verschiedene Antiepileptika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung. Die Wahl des geeigneten Medikaments hängt von der Art der Epilepsie, dem Alter des Patienten und anderen individuellen Faktoren ab. Die Mehrzahl der Betroffenen kann durch eine medikamentöse Therapie anfallsfrei werden oder zumindest eine erhebliche Verbesserung der Symptome erfahren.
- Chirurgische Therapie: Bei manchen Menschen mit Epilepsie, insbesondere bei fokalen Epilepsien, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Dabei wird der Bereich des Gehirns, der die Anfälle auslöst, entfernt oder deaktiviert. Für manche Kinder kommt ein epilepsiechirurgischer Eingriff infrage, dem ein aufwendiges Epilepsie-Monitoringvorausgeht.
- Neurostimulation: Neurostimulationstechniken, wie die Vagusnervstimulation oder die Tiefe Hirnstimulation, können bei manchen Menschen mit Epilepsie die Anfallshäufigkeit reduzieren. Bei einer Vagusnervstimulation wird ein Schrittmacher - ähnlich einem Herzschrittmacher - unter die Haut im Brustbereich implantiert. Das Gerät erzeugt elektrische Impulse, die vom Vagusnerv am Hals ins Gehirn geleitet werden.
- Ketogene Diät: Die ketogene Diät ist eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist. Sie kann bei manchen Kindern mit Epilepsie die Anfallshäufigkeit reduzieren.
Verhalten bei einem epileptischen Anfall
Wenn man Zeug*in eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.
Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun:
- Wählen Sie immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe.
- Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen.
- Polstern Sie den Kopf des*r Betroffenen ab.
- Nehmen Sie seine/ihre Brille ab.
- Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern.
- Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
- Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
- Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.
Das sollten Sie in keinem Fall tun:
- Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken
- Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann das Leben der Betroffenen und ihrer Familien stark beeinträchtigen. Es ist daher wichtig, dass Menschen mit Epilepsie eine umfassende medizinische und psychosoziale Betreuung erhalten. Dazu gehören:
- Regelmäßige Arztbesuche
- Einnahme von Medikamenten gemäß Verordnung
- Vermeidung von Triggern
- Stressmanagement
- Psychotherapie
- Selbsthilfegruppen
- Berufliche Beratung
Vorurteile und Stigmata
Eine EMNID-Umfrage (1996) zeigte, dass kaum ein Leiden mit so vielen Vorurteilen in der Bevölkerung behaftet ist wie Epilepsien. Aufgrund solcher Vorurteile verschweigen eine Reihe von Patienten mit Epilepsien, dass sie an dieser Krankheit leiden und ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Daher gibt es eine weltweite Kampagne unter dem Motto: "Epilepsie braucht Offenheit".
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