Weihrauch, traditionell als Räucherharz für religiöse Zeremonien verwendet, wird aufgrund seiner potenziellen gesundheitlichen Wirkungen, insbesondere der enthaltenen Boswelliasäuren, zunehmend als Nahrungsergänzungsmittel angepriesen. Die Werbung verspricht vielfältige Vorteile, von der Linderung von Gelenkentzündungen und -schmerzen über die Reduzierung von Entzündungsschüben bei Multipler Sklerose (MS) bis hin zur Stärkung des Immunsystems und der Bekämpfung von Stress und Angstzuständen. Sogar als Mittel gegen Krebs, Asthma oder Colitis ulcerosa werden Weihrauchextrakte propagiert. Doch was steckt wirklich hinter diesen Versprechungen, insbesondere im Hinblick auf Polyneuropathie?
Was ist Weihrauch?
Bei den verschiedenen Weihrauch-Arten handelt es sich meist um kleine, gedrungene Bäume mit buschähnlicher Wuchsform. Der afrikanische Weihrauch (Boswellia carterii) kommt aus südarabischen oder afrikanischen Ländern wie Somalia, Äthiopien, Sudan, Oman oder Jemen. Der indische Weihrauch (Boswellia serrata) stammt vorwiegend aus Ostindien. Wird der Stamm des Baums verwundet, tritt eine klebrige Flüssigkeit aus, die nach einigen Tagen zu festem Gummiharz trocknet. Dieses wird abgeschabt, gesammelt, gereinigt und als Trockenextrakt weiter verwendet. Das Gummiharz zeichnet sich durch einen hohen Anteil an ätherischem Öl (bis zu 10 %) aus. Als Hauptwirkstoffe enthält es verschiedene Boswelliasäuren wie die Alpha- und Beta-Boswelliasäure.
Traditionelle Verwendung und Inhaltsstoffe
In der ayurvedischen und auch in der europäischen traditionellen Medizin (Volksheilkunde) wird Weihrauch seit langer Zeit verwendet. Das Gummiharz zeichnet sich durch einen hohen Anteil an ätherischem Öl (bis zu 10 %) aus. Als Hauptwirkstoffe enthält es verschiedene Boswelliasäuren wie die Alpha- und Beta-Boswelliasäure. Die Boswelliasäuren (pentazyklische Triterpene, insbesondere die Ketoderivate AKBA und KBA) gelten als die wichtigsten heilkräftigen Inhaltsstoffe im Gummiharz von Boswellia serrata; diese Inhaltsstoffe haben starke entzündungshemmende, schmerzstillende und immunmodulierende Wirkungen. Nach dem Europäischen Arzneibuch sind für die Qualität eines Boswellia-Extrakts die Gehalte an AKBA und KBA maßgeblich.
Die Studienlage: Was ist bewiesen, was ist fraglich?
Die entzündungshemmende Wirkung von Weihrauchextrakten wurde bisher hauptsächlich in Tierversuchen getestet, es gibt nur wenige Untersuchungen am Menschen. Studien mit Arthrosepatienten haben oft eine zu niedrige Teilnehmerzahl. Auch wenn es Hinweise auf eine moderate Verbesserung von Schmerzen bei abgenutzten Gelenken gibt - die Ergebnisse reichen bisher nicht einmal aus, um auf eine sichere Wirkung eines bestimmten Extraktes mit einer entsprechenden Dosierung bei Gelenkerkrankungen zu schließen. Eine therapeutische Wirkung ist bisher nicht ausreichend bewiesen.
Laut Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer kann die Verwendung von Weihrauch aufgrund der unzulänglichen klinischen Datenlage nicht empfohlen werden. Auch gemäß der Leitlinie Gonarthrose (2024) ist die Datenlage zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Weihrauch derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung aussprechen zu können.
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Bisherige (Tier- und Zellkultur-)Studien zur Wirkung bei Krebs zeigten, dass die Vermehrung von Tumorzellen durch Weihrauchextrakt zwar verringert werden konnte. Allerdings liegen laut Deutschem Krebsforschungszentrum kaum klinische Studien mit Krebspatient:innen vor, auch sei das Wirkprinzip noch nicht vollständig geklärt.
Weihrauch und Polyneuropathie: Gibt es Hoffnung?
Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Dazu gehören alle Nerven im Körper, außer diejenigen in Rückenmark und Gehirn. Betroffene leiden unter brennenden, schmerzenden Gliedern oder tauben Händen und Füßen. Eine Polyneuropathie macht sich durch Kribbeln, Taubheitsgefühl und Schmerzen in Händen und Füßen bemerkbar. Klassische Schmerzmittel wirken kaum gegen die Schmerzen. Häufig wird die Polyneuropathie daher mit Antidepressiva, nichtsteroidalen Antiphlogistika oder Opioid-Analgetika behandelt.
Die Forschung zur Wirkung von Weihrauch bei Polyneuropathie steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt derzeit keine aussagekräftigen Studien, die eine Wirksamkeit von Weihrauchextrakten bei der Behandlung von Polyneuropathie belegen.
Einige Studien deuten darauf hin, dass Boswelliasäuren entzündungshemmende Eigenschaften besitzen und die Aktivität von Enzymen wie der 5-Lipoxygenase hemmen können, die an der Entstehung von Entzündungen beteiligt sind. Da Entzündungen eine Rolle bei einigen Formen von Polyneuropathie spielen können, ist es theoretisch möglich, dass Weihrauch hier einen positiven Effekt haben könnte. Allerdings ist dies bisher nicht durch klinische Studien bestätigt.
Worauf Sie bei der Verwendung von Weihrauch-Produkten achten sollten
Weihrauchpräparate sind als Medikament in Deutschland nicht zugelassen (lediglich als homöopathische Arzneimittel). Sie sind nur in Form frei verkäuflicher Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) erhältlich, für die kein Wirknachweis und keine Zulassung erforderlich sind. Ein Wirknachweis ist aber Voraussetzung, um eine Zulassung als Arzneimittel zu bekommen. Viele Studien weisen Mängel auf, so dass deren Aussagekraft begrenzt ist. Es besteht noch einiger Forschungsbedarf - auch zu der Frage, ob Weihrauchextrakt herkömmlichen Schmerzmitteln wie Ibuprofen bei Arthrose überlegen ist.
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Verwendet wird für medizinische Zwecke vor allem das Gummiharz von indischem Weihrauch (Boswellia serrata) in Tabletten- oder Kapselform.
Problematisch ist: Weder die Art des Extraktes noch Inhaltsstoffe oder Dosierung sind standardisiert, so dass die Produkte der verschiedenen Anbieter kaum miteinander vergleichbar sind. Untersuchungen zeigen, dass statt der beworbenen enthaltenen "80 Prozent" Boswelliasäuren oft nicht mehr als 35 % Boswellia-/Lupeolsäuren enthalten sind, manchmal sogar gar keine. Es ist kaum bekannt, mit welchen, auch langfristigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten zu rechnen ist. Die Zusammensetzung der verschiedenen Produkte schwankt erheblich. Die in den wenigen klinischen Studien untersuchten Weihrauch-Spezialextrakte unterscheiden sich nach Angaben der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer von den in Deutschland erhältlichen weihrauchhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln. Eine Übertragung der Aussagen zu Dosierung und Wirkung dieser Extrakte auf hiesige Nahrungsergänzungsmittel ist daher nicht möglich. Aussagen wie "enthält 85 % Boswelliasäuren" oder "400 mg Weihrauchextrakt" helfen daher nicht beim Produktvergleich. Achtung bei angeblichen Produkttests in Internetportalen, viele dienen vor allem der Verkaufssteigerung. Gleiches gilt für Sterne-Bewertungen angeblicher Käufer:innen.
Einige Studien geben Hinweise auf unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) wie Übelkeit, Magensäure-Reflux (Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre) sowie allergische Reaktionen bei der Einnahme von Weihrauch-Extrakt. Weihrauch-Extrakte können Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten haben (vor allem solche, die mittels P-Glycoprotein transportiert werden). Außerdem sollten Sie Weihrauchprodukte nicht verwenden, wenn Sie Blutgerinnungshemmer wie Warfarin (Coumadin®) einnehmen. Suchen Sie also unbedingt vor der Verwendung das ärztliche Gespräch oder fragen Sie in der Apotheke, wenn Sie regelmäßig Medikamente einnehmen.
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Weihrauch in der Regel nicht. Die in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzte Art und Menge an Weihrauch-Extrakten darf keine arzneimittelähnliche (pharmakologische) Wirkung aufweisen, sonst werden die Produkte als nicht zugelassene Arzneimittel eingestuft.
Mögliche Risiken und Nebenwirkungen
Einige Studien geben Hinweise auf unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) wie Übelkeit, Magensäure-Reflux (Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre) sowie allergische Reaktionen bei der Einnahme von Weihrauch-Extrakt. Weihrauch-Extrakte können Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten haben (vor allem solche, die mittels P-Glycoprotein transportiert werden). Vermeiden Sie hohe Boswellia-Dosierungen bei gleichzeitiger Einnahme von Blutgerinnungshemmern wie z. B. Warfarin. Bei zwei Personen, die Warfarin einnahmen, führte die Einnahme von Boswellia-Extrakt (1200 oder 1500 mg/Tag) zur Verlängerung der Gerinnungszeit, gemessen anhand der INR-Werte (International Normalized Ratio). Diese Wechselwirkung beruht möglicherweise darauf, dass der Abbau des Warfarins durch CYP2C9 gehemmt ist.
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Laut Europäischem Schnellwarnsystem RASFF fallen ab und an belastete Nahrungsergänzungsmittel aus dem asiatischen Raum auf. In den letzten Jahren lag es vor allem an der unzulässigen Begasung mit Ethylendioxid. Sofern es sich um ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel handelt, können diese - zum Teil absichtlich aus traditioneller Herstellungspraxis heraus - Schwermetalle enthalten, speziell Anteile von giftigem Blei, Quecksilber und Arsen.
Fazit
Die Studienlage zur Wirksamkeit von Weihrauch bei Polyneuropathie ist derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung aussprechen zu können. Obwohl Weihrauch entzündungshemmende Eigenschaften besitzt und in der traditionellen Medizin eingesetzt wird, gibt es keine ausreichenden Beweise für einen Nutzen bei der Behandlung von Polyneuropathie.
Wichtiger Hinweis: Wenn Sie an Polyneuropathie leiden, sollten Sie sich in jedem Fall von einem Arzt oder Apotheker beraten lassen, bevor Sie Weihrauch-Produkte einnehmen. Eine Selbstbehandlung kann gefährlich sein und die eigentliche Ursache der Erkrankung möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigen. Es ist wichtig, die Ursache der Polyneuropathie zu ermitteln und eine geeignete Therapie einzuleiten.
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