Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, der durch eine plötzliche Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns verursacht wird. Dies kann zu dauerhaften Schäden oder sogar zum Tod führen. Umso wichtiger ist es, Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Neben bildgebenden Verfahren spielen auch Blutuntersuchungen eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Risikobewertung.
Diagnose und erste Untersuchungen bei Verdacht auf Schlaganfall
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist schnelles Handeln entscheidend. Neurologen führen eine umfassende Untersuchung durch, um Ausfallerscheinungen und versteckte Symptome zu erkennen und richtig einzuordnen. Dabei werden auch mögliche Risikofaktoren und Frühwarnsymptome erfasst.
Bildgebende Verfahren
- Computertomografie (CT): Sie liefert schnell Bilder des Gehirns und ermöglicht die Unterscheidung zwischen einer Durchblutungsstörung (ischämischer Schlaganfall, ca. 85 % der Fälle) und einer Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall, ca. 15 % der Fälle).
- Magnetresonanztomografie (MRT): Sie bietet detailliertere Bilder des Gehirns und der Blutgefäße als die CT und kann das Ausmaß der Schädigung genauer beurteilen. Allerdings ist die MRT zeitaufwendiger und teurer.
- Angiografie: Sie stellt die Blutgefäße im Gehirn dar. Es gibt verschiedene Verfahren, darunter die digitale Subtraktionsangiografie (DSA) und die kontrastmittelunterstützte Computertomografie-Angiografie (CTA).
- Doppler- und Duplex-Sonografie: Diese Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Gefäße, insbesondere der Halsschlagader, zeigt, wie stark die Gefäße durch Arteriosklerose eingeengt sind. Sie kann auch Hinweise auf den Ablösungsort eines Blutgerinnsels (Thrombus) liefern.
- Echokardiografie: Diese Ultraschalluntersuchung des Herzens kann Veränderungen am Herzen feststellen, die zur Bildung von Blutgerinnseln führen können, welche einen Schlaganfall auslösen können.
- Elektrokardiogramm (EKG): Es dient zur Diagnose von Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern, einer häufigen Ursache für Schlaganfälle.
In seltenen Fällen wird eine Lumbalpunktion durchgeführt, um bei Verdacht auf eine Gehirn- oder Gefäßentzündung Rückenmarksflüssigkeit zu entnehmen.
Blutwerte im Fokus: Welche sind bei Schlaganfall erhöht?
Neben den bildgebenden Verfahren spielt die Analyse verschiedener Blutwerte eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Risikobewertung eines Schlaganfalls.
Allgemeine Blutwerte
Jedem Schlaganfallpatienten wird Blut abgenommen, um im Labor verschiedene Werte zu bestimmen:
Lesen Sie auch: Gleichgewicht und das Kleinhirn
- Erythrozyten (rote Blutkörperchen): Ihre Konzentration gibt Aufschluss über die Sauerstofftransportkapazität des Blutes.
- Leukozyten (weiße Blutkörperchen): Sie sind wichtig für die Immunabwehr. Eine erhöhte Anzahl kann auf eine Entzündung hindeuten.
- Lymphozyten: Eine Untergruppe der Leukozyten, die ebenfalls an Immunprozessen beteiligt ist.
- Granulozyten: Eine weitere Untergruppe der Leukozyten, die vor allem bei der Abwehr bakterieller Infektionen eine Rolle spielt.
- Thrombozyten (Blutplättchen): Sie sind essenziell für die Blutgerinnung. Eine Störung der Blutgerinnung kann zur Bildung gefährlicher Blutgerinnsel führen.
- Blutzuckerwerte: Erhöhte Blutzuckerwerte können auf Diabetes hinweisen, einen wichtigen Risikofaktor für Schlaganfall.
- Kalium- und Natriumkonzentration: Diese Elektrolyte sind wichtig für die Funktion von Nerven- und Muskelzellen.
- Leber- und Nierenwerte: Sie geben Aufschluss über die Funktion dieser Organe, die ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung von Schlaganfällen spielen können.
- Nierenparameter: Harnstoff, Kreatinin, ggf. Cystatin C bzw. Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) - bei Apoplex-Patienten kann trotz normaler bzw. Laborparameter.
Lipoprotein(a) [Lp(a)]: Ein wichtiger Risikofaktor
Lipoprotein(a), kurz Lp(a), ist ein Blutfett, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt ist. Es ähnelt dem LDL-Cholesterin (dem "schlechten" Cholesterin) und kann im Gefäßsystem chronische Entzündungen verursachen, sich an der Gefäßwand ablagern und so die Arteriosklerose beschleunigen. Zudem trägt es zur Bildung von Blutgerinnseln bei.
Eigenschaften und Risiken von Lp(a)
- Genetische Bestimmung: Die Lp(a)-Konzentration im Blut ist zu etwa 90 % genetisch bestimmt und bleibt lebenslang relativ konstant.
- Erhöhte Werte: Bis zu 20 % der Allgemeinbevölkerung weisen erhöhte Lp(a)-Werte auf.
- Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Erhöhte Lp(a)-Werte erhöhen das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzklappenverengungen.
- Instabile Plaques: Bei Patienten mit erhöhten Lp(a)-Werten wurden bildgebend bereits Hinweise auf eine Instabilität von Plaques mit einer dünnen und brüchigen Oberfläche festgestellt.
Lp(a) und Stenose-bedingter Schlaganfall
Aktuelle Forschungsprojekte untersuchen, inwiefern Lp(a) und oxidierte Phospholipide das Auftreten eines Stenose-bedingten Schlaganfalls beeinflussen. Ein Unterschied zwischen symptomatischen und asymptomatischen Plaques könnte wesentliche Bedeutung für künftige Therapieentscheidungen haben.
Lp(a)-Wert bestimmen lassen
- Einmalige Bestimmung: Alle Erwachsenen sollten einmalig ihren Lp(a)-Wert mit einem Bluttest bestimmen lassen.
- Erhöhtes Risiko: Personen mit hohen Werten von >180 mg/dl bzw. >430 nmol/l haben ein relativ hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Kosten: Bei einem begründeten Verdacht oder einem genetischen Risiko übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Ansonsten müssen Privatzahler mit etwa 20 Euro pro Test rechnen.
- Empfehlung für Kinder: Auch bei Kindern von Personen mit erhöhtem Lp(a)-Wert wird der einmalige Bluttest empfohlen.
- Weitere Indikationen: Sinnvoll ist der Test auch bei Personen mit Arteriosklerose vor dem 60. Lebensjahr, familiärer Hypercholesterinämie oder fortschreitender Arteriosklerose trotz erreichtem LDL-C-Zielwert.
Umgang mit erhöhten Lp(a)-Werten
Leider lässt sich der Lp(a)-Spiegel derzeit weder durch Ernährung und Sport noch durch Medikamente senken. An medikamentösen Therapien wird jedoch geforscht. Wer einen erhöhten Lp(a)-Wert hat, kann jedoch sein individuelles kardiovaskuläres Gesamtrisiko reduzieren, indem er das Rauchen aufgibt, den Bluthochdruck und/oder Diabetes behandelt sowie erhöhte LDL-Cholesterin-Werte senkt.
Therapieansätze
- Lebensstilmodifikation: Reichlich bewegen, gesund ernähren und Übergewicht vermeiden.
- LDL-Cholesterin senken: Je nach Befund im Herz-Gefäß-Check sollte der LDL-Cholesterinwert auf Werte zwischen 55-100 mg/dl abgesenkt werden.
- Jährliche Gefäßkontrollen: Ultraschalluntersuchungen der Gefäße sind empfehlenswert.
- Medikamentöse Therapie:
- Statine und Ezetemib: Zur Senkung des LDL-Cholesterins.
- PCSK9-Hemmer: Sie senken auch den Lp(a)-Wert um 20-30 %.
- Lipidapherese: Bei Patienten mit einem LDL über 100 mg/dl oder Lp(a) über 60 mg/dl und schon fortschreitenden Gefäßverkalkungen, wenn alle andere Maßnahmen zuvor ausgeschöpft worden sind.
- Neue Medikamente in der Entwicklung: Lepodisiran, Olpasiran und Zerlasiran sind sogenannte small interfering RNA (siRNA), die in der Leber die Bildung des Lipoprotein (a) unterbinden.
Weitere Biomarker für das Schlaganfallrisiko
US-Forscher haben weitere Biomarker identifiziert, die mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko in Verbindung stehen:
- Tumornekrosefaktor-Rezeptor Typ 2: Ein erhöhter Wert dieses Rezeptors, der von Zellen des Immunsystems gebildet wird, kann das Schlaganfallrisiko erhöhen.
- Homocystein: Ein erhöhter Homocystein-Wert, eine Aminosäure, die während des Stoffwechsels entsteht, soll das Risiko für einen Schlaganfall steigern.
- C-reaktives Protein (CRP): Eine erhöhte Konzentration dieses Proteins, das in der Leber gebildet wird und Teil des Immunsystems ist, kann ein Anzeichen für eine Erkrankung sein und das Schlaganfallrisiko erhöhen.
- Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor (VEGF): Ein hohes Level dieses Signalmoleküls, das bei Sauerstoffmangel in den Zellen ausgeschüttet wird, kann auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko hinweisen.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Biomarker nur einen Teil des Gesamtbildes darstellen und weitere Forschung erforderlich ist, um ihre Bedeutung vollständig zu verstehen.
Lesen Sie auch: Gehirnvitamine: Ein detaillierter Überblick
Trimethylamin-N-Oxid (TMAO)
Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) ist ein Stoffwechselprodukt, das von der Darmflora abhängig ist und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Schlaganfallpatienten vorhersagen kann. Es steht in Zusammenhang mit proinflammatorischen Monozyten.
Risikofaktoren für einen Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann jeden treffen, aber es gibt bestimmte Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, einen Schlaganfall zu erleiden. Diese Risikofaktoren lassen sich in nicht beeinflussbare und beeinflussbare Faktoren unterteilen.
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren
- Lebensalter: Das Schlaganfallrisiko steigt mit zunehmendem Alter deutlich an.
- Geschlecht: Männer haben ein höheres Schlaganfallrisiko als Frauen, insbesondere im mittleren Lebensalter. Bei Frauen treten Schlaganfälle meist in einem späteren Lebensabschnitt auf und haben oft schwerwiegendere Folgen.
- Vererbung: Wenn in der Familie bereits Schlaganfälle aufgetreten sind, erhöht sich das Risiko, selbst einen Schlaganfall zu erleiden.
Beeinflussbare Risikofaktoren
- Bluthochdruck (Hypertonie): Der Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall.
- Erhöhtes Cholesterin: Steigert das Risiko für Gefäßerkrankungen durch Ablagerungen an den Gefäßwänden (Arteriosklerose).
- Diabetes mellitus: Erhöht das Schlaganfallrisiko durch Schädigung der Gefäßwände.
- Vorhofflimmern: Eine Herzrhythmusstörung, die das Risiko für Blutgerinnselbildung im Herzen erhöht, welche ins Gehirn gelangen und einen Schlaganfall verursachen können.
- Rauchen: Erhöht das Schlaganfallrisiko um das Zwei- bis Vierfache durch Schädigung der Blutgefäße.
- Übergewicht: Erhöht das Risiko für Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Arteriosklerose.
- Bewegungsmangel: Fördert Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes.
- Stress: Kann zu einer Ausschüttung von Stresshormonen, Verengung der Blutgefäße und Erhöhung der Blutgerinnungsneigung führen.
- Alkoholkonsum: Hoher Alkoholkonsum erhöht das Schlaganfallrisiko. Leichter bis mäßiger Alkoholkonsum kann das Risiko für einen Hirninfarkt senken.
- Arteriosklerose: Eine Veränderung der Blutgefäße durch Ablagerungen, die zu Verengungen und Gefäßverschlüssen führen kann.
- Carotisstenose: Eine Einengung der Halsschlagadern, die die Blutversorgung des Gehirns beeinträchtigen kann.
Prävention und Risikominimierung
Um einem Schlaganfall vorzubeugen, ist es wichtig, die beeinflussbaren Risikofaktoren zu minimieren:
- Regelmäßige Blutdruckkontrolle und Behandlung von Bluthochdruck.
- Senkung erhöhter Cholesterinwerte durch Ernährungsumstellung und Medikamente.
- Behandlung von Diabetes mellitus.
- Behandlung von Vorhofflimmern.
- Verzicht auf das Rauchen.
- Gewichtsreduktion bei Übergewicht.
- Regelmäßige körperliche Aktivität und Sport.
- Stressmanagement.
- Mäßiger Alkoholkonsum.
- Regelmäßige Untersuchungen zur Früherkennung von Arteriosklerose und Carotisstenose.
Lesen Sie auch: Der Zusammenhang zwischen Medikamenten und Polyneuropathie