Die Demenzdiagnostik hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Insbesondere die Entwicklung von Bluttests zur Früherkennung von Alzheimer und anderen Demenzformen rückt immer stärker in den Fokus der Forschung. Diese Tests versprechen eine einfachere, kostengünstigere und weniger invasive Alternative zu etablierten Verfahren wie der Liquoruntersuchung oder bildgebenden Verfahren.
Die Rolle von Bluttests in der Demenzdiagnostik
Bluttests können eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von Demenzerkrankungen spielen, insbesondere bei Alzheimer. Sie ermöglichen es, bestimmte Biomarker im Blut zu identifizieren, die auf pathologische Veränderungen im Gehirn hinweisen. Diese Biomarker können bereits Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome nachweisbar sein, was eine frühzeitige Intervention und Behandlung ermöglicht.
Aktuelle Bluttests und ihre Anwendungsbereiche
Verschiedene Forschungsteams haben Bluttests entwickelt, mit denen Alzheimer zuverlässig erkannt werden kann. Zu den vielversprechendsten Entwicklungen gehören:
Precivity AD-Bloodtest
Dieser Test des US-amerikanischen Unternehmens C2N-Diagnostics misst das Verhältnis der Amyloid-Beta-Varianten 40 zu 42 im Blut. Amyloid-Beta ist ein Protein, das sich bei Alzheimer im Gehirn ablagert, aber auch im Blut nachweisbar ist. Der Test berücksichtigt auch das Alter der getesteten Person und eine genetische Komponente (ApoE4). Die Genauigkeit des Tests liegt bei 86 % im Vergleich zur Positronen-Emissions-Tomografie (PET), die als besonders aussagekräftig gilt. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Test nur für Menschen geeignet ist, die bereits an Symptomen einer Alzheimer-Demenz leiden, da die gemessenen Proteine sich bereits in den Plaques befinden.
Elecsys pTau181-Test
Dieser Test der Firma Roche in Zusammenarbeit mit Eli Lilly misst ein chemisch verändertes Tau-Protein, das sogenannte pTau181. Es gilt als Indikator für die Alzheimer-Erkrankung und kann laut Hersteller früh und einfach den Grund für kognitive Defizite bestimmen.
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Bluttest der Ruhr-Universität Bochum
Der von Prof. Klaus Gerwert und Prof. Philip Scheltens entwickelte Bluttest bestimmt die Fehlfaltung von Amyloid-Beta, die bereits zehn Jahre vor der eigentlichen Plaque-Bildung messbar ist. Dieser Test könnte somit schon lange vor den ersten Symptomen eingesetzt werden.
Beta-Synuclein-Test
Forschende des DZNE und des Universitätsklinikums Ulm haben ein Protein namens "Beta-Synuclein" im Blut identifiziert, das den Abbau von Nervenverbindungen möglicherweise schon Jahre vor dem Auftreten von Demenzsymptomen anzeigen kann.
Erhöhte Blutwerte als Indikatoren für Demenz
Verschiedene Blutwerte können bei Demenz erhöht sein und als Indikatoren für die Erkrankung dienen. Dazu gehören:
Tau-Protein
Ein typisches Merkmal der Alzheimer-Demenz ist die verstärkte Bildung von Fibrillenbündeln in den Neuronen. Sie ist Folge einer Destabilisierung der neuronalen Mikrotubuli, welche im physiologischen Zustand offenbar durch verschiedene Tauproteine verhindert wird. Eine Erhöhung der messbaren Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor hat sich als brauchbarer Indikator eines Nervenzelluntergangs erwiesen. Am besten untersucht ist diese Erhöhung in der Diagnostik des M. Alzheimer, jedoch ist altersabhängig schon bei Gesunden mit höheren Werten zu rechnen. Auch andere Erkrankungen mit Schädigung der Neuronen (degenerativ, entzündlich, vaskulär, tumorös) können zu erhöhten Tau-Werten im Liquor führen. Die höchsten Tau-Konzentrationen werden bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und bei Hirninfarkten beobachtet. Zur Demenzdiagnostik empfiehlt sich deshalb immer die gleichzeitige Bestimmung auch des phospho-Tau, des ß-Amyloidproteins (1-42) und des Amyloid-Qutienten im Liquor.
Phosphoryliertes Tau (p-Tau)
Die Tau-Protein-Varianten p-Tau 181 und 217 gelten als frühe Warnsignale für Alzheimer, wenn sie vermehrt im Nervenwasser auftreten. Das Verfahren, mittlerweile Teil der diagnostischen Kriterien, ist mit der Lumbalpunktion aber eine für die Patient:innen belastende Prozedur. Studien haben gezeigt, dass die Konzentrationen von p-Tau 181 im Blut von ALS-Patient:innen erhöht war, nicht aber im Nervenwasser, wie man es von Menschen mit Alzheimer kennt. Weitere Entdeckungen zeigten, dass auch p-Tau 217 in ALS-Fällen erhöht ist. Die p-Tau-Proteine blieben wertvolle Kandidaten für eine Alzheimer-Frühdiagnose mittels Bluttest.
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Beta-Synuclein
Menschen mit einer erblichen Veranlagung für Alzheimer haben bereits etwa 11 Jahre vor dem erwarteten Ausbruch von Demenzsymptomen auffällige Blutwerte, die auf beschädigte Nervenzellkontakte hinweisen. Maßstab ist die Konzentration des Proteins „Beta-Synuclein“.
Weitere wichtige Laborparameter
Neben den spezifischen Biomarkern für Demenz gibt es auch andere Laborparameter, die bei der Diagnose und Differentialdiagnose von Demenzerkrankungen eine Rolle spielen:
- Nüchternglucose (Nüchternblutzucker): zur Abklärung von Stoffwechselstörungen
- Nierenparameter (Harnstoff, Kreatinin, eGFR, Cystatin C): zur Beurteilung der Nierenfunktion
- TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon): zum Ausschluss einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- Parathormon: zum Ausschluss eines Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenunterfunktion)
Die Bedeutung der Früherkennung
Die Früherkennung von Demenzerkrankungen ist von entscheidender Bedeutung, da sie die Möglichkeit eröffnet, frühzeitig Behandlungsmaßnahmen einzuleiten und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Neue Medikamente, wie die "Amyloid-Antikörper", können zur Beseitigung von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn führen und den Krankheitsverlauf verzögern. Voraussetzung ist jedoch eine Behandlung im Anfangsstadium der Erkrankung.
Herausforderungen und Perspektiven
Obwohl Bluttests vielversprechende Instrumente für die Demenzdiagnostik darstellen, gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. So ist beispielsweise die Spezifität der Tests für verschiedene Demenzformen noch nicht vollständig geklärt. Zudem ist es wichtig, die Ergebnisse von Bluttests immer im Zusammenhang mit anderen klinischen Befunden und Untersuchungsergebnissen zu interpretieren.
Die Forschung auf dem Gebiet der Demenzdiagnostik entwickelt sich jedoch rasant weiter. Zukünftig werden vermutlich noch weitere Biomarker identifiziert und neue, verbesserte Bluttests entwickelt werden. Diese Fortschritte werden dazu beitragen, Demenzerkrankungen früher und genauer zu diagnostizieren und somit die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
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