Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzformen stellen eine wachsende globale Herausforderung dar. Der jährliche Welt-Alzheimer-Bericht von Alzheimer's Disease International (ADI) beleuchtet verschiedene Aspekte dieser komplexen Thematik. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen aus aktuellen Berichten und Studien zusammen und zeigt Handlungsbedarf auf.
Die globale Dimension der Demenz
Die Zahlen sind alarmierend: Alle 3,2 Sekunden erkrankt weltweit ein Mensch an Demenz. Derzeit leben 46,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung, und Prognosen sagen einen dramatischen Anstieg voraus. Bis 2030 werden es voraussichtlich 74,1 Millionen sein, und bis 2050 sogar 131,5 Millionen. Besonders betroffen sind ärmere Länder, in denen rund 60 Prozent der Erkrankten leben werden.
Die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm. Experten schätzen sie auf jährlich 818 Milliarden US-Dollar (etwa 711 Milliarden Euro). Diese Kosten steigen schneller als die Zahl der Betroffenen, was die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Prävention und besseren Versorgung unterstreicht.
Rehabilitation als fehlendes Glied in der Demenzversorgung
Angesichts von 1,8 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland betont die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG), dass Rehabilitation ein unterschätztes und kosteneffektives Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität darstellt. Der Welt-Alzheimer-Bericht 2025 unterstreicht diese Bedeutung. Rehabilitation wird als das fehlende Glied in der Demenzversorgung gesehen, da viele Betroffene nicht die notwendige Unterstützung erhalten, um ein würdevolles und unabhängiges Leben zu führen.
Demenzrehabilitation zielt darauf ab, die bestmögliche Funktionsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen zu erreichen und zu erhalten. Dies ermöglicht es den Betroffenen, so unabhängig wie möglich zu bleiben und weiterhin sinnstiftend am Leben teilzunehmen.
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Eingeschränkte Verfügbarkeit von Reha-Angeboten
In Deutschland sind Rehabilitationsangebote für Menschen mit Demenz stark begrenzt. Die Rehabilitation beschränkt sich oft auf die Folgen anderer Erkrankungen, wie z.B. orthopädische Rehabilitation nach Frakturen. Selbst hier wird Menschen mit Demenz häufig die Rehabilitationsfähigkeit abgesprochen. Mobile Rehabilitationsangebote, die Menschen, die nicht an einer stationären Reha teilnehmen können, versorgen könnten, fehlen weitgehend. Angebote zur Rehabilitation der Demenz selbst sind in Deutschland fast nicht vorhanden. Seit 2022 besteht zwar ein Anspruch auf Rehasport bei Demenz, aber auch hier mangelt es an ausreichenden Angeboten.
Ziele der Rehabilitation
„Rehabilitation für Menschen mit Demenz hat das Ziel, die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen zu fördern“, erklärt Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Dadurch kann die Selbstständigkeit von Menschen mit Demenz vor allem in der frühen und mittleren Phase der Krankheit verbessert, ihre Lebensqualität und ihre Teilhabe am sozialen Leben gestärkt und Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei auch die Einbeziehung der Angehörigen, um das Leben zu Hause nach der Reha so zu gestalten, dass weiterhin möglichst lange ein möglichst hoher Grad an Selbstständigkeit erhalten wird.
Der Welt-Alzheimer-Bericht liefert auch Belege für den potenziellen wirtschaftlichen Wert der Rehabilitation angesichts der weltweiten Kosten im Zusammenhang mit Demenz, die bis 2030 voraussichtlich 2,8 Billionen US-Dollar pro Jahr erreichen werden. Auch in Deutschland steigen die Kosten im Zusammenhang mit Demenz und Pflegebedürftigkeit kontinuierlich weiter an. Maßnahmen zur Reduktion und Vermeidung von Pflegebedürftigkeit sind deshalb dringend erforderlich.
Forderungen an die Bundesregierung
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und ADI fordern die Regierung nachdrücklich auf, die Rehabilitation für Menschen mit Demenz zu priorisieren, die Ausbildung von Fachkräften sicherzustellen, Familien das Wissen und die Instrumente zur Unterstützung ihrer Angehörigen zur Verfügung zu stellen und die Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie die Kostenträger aufzufordern, Rehabilitation als Teil der Unterstützung nach der Diagnose leichter anzubieten und zu ermöglichen.
Körperliche Aktivität als Schlüssel zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs
Forscher haben untersucht, wie sich körperliche Aktivität auf den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung auswirkt. Dabei kamen sie zu einer Empfehlung, mit der sich die Veränderungen im Gehirn verzögern lassen. Dabei geht es nicht nur um die bloße Bewegung.
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Schon einige Tausend Schritte täglich können einer Studie zufolge dazu führen, dass eine Alzheimer-Erkrankung langsamer voranschreitet. Die Analyse zeige erstmals Effekte bei Menschen, die bereits Alzheimer-typische Veränderungen im Gehirn haben, sagte Emrah Düzel vom Universitätsklinikum Magdeburg, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. „Hier scheint körperliche Aktivität die Ausbreitung dieser Veränderungen über Jahre hinweg zu verlangsamen und in Verbindung damit die mentale Leistungsfähigkeit zu schützen.“
Bei körperlich aktiven Menschen mit präklinischem - also noch symptomlosem - Alzheimer wurde nun unter anderem ein geringerer kognitiver Abbau als bei körperlich Inaktiven erfasst. Bereits 3000 Schritte am Tag können demnach dazu beitragen, dass sich im Gehirn weniger schnell schädigende Tau-Proteinklumpen ansammeln. Einen noch größeren Effekt haben 5000 bis 7500 Schritte, wie das Team um Wai-Ying Wendy Yau vom Mass General Brigham in Boston im Fachjournal „Nature Medicine“ berichtet.
Die Ergebnisse bestätigten, dass Bewegungsmangel ein Risikofaktor für Alzheimer ist, sagte Düzel, Direktor des Instituts für kognitive Neurologie und Demenzforschung des Klinikums. Generell könnten körperlich aktive ältere Menschen ihre Hirnsubstanz besser erhalten als körperlich inaktive.
Zum Mechanismus dahinter lasse sich aus der Studie nichts ableiten. Als Effekt komme zum Beispiel infrage, dass regelmäßiges Gehen die Kognition trainiert: „Die Personen müssen navigieren, sich orientieren und mit Ihrer Umgebung interagieren.“ Trainiert werde zudem die kardiovaskuläre Gesundheit. Schließlich würden bei erhöhter körperlicher Aktivität eine Reihe blutgebundener Wachstums- und Schutzfaktoren freigesetzt, die sich positiv auf das Gehirn auswirken und die Ausbreitung von Tau verlangsamen könnten.
Für die Studie wurden bei knapp 300 älteren Erwachsenen die kognitiven Fähigkeiten sowie das Vorkommen von Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Gehirn zu Beginn und danach mehrfach erneut erfasst. 88 der Probanden wiesen anfangs eine präklinische Alzheimer-Demenz auf: Sie hatten noch keine Symptome, aber schon eine erhöhte Belastung mit Beta-Amyloid-Plaques. Zu Beginn wurde die Zahl täglich gelaufener Schritte gemessen, eine langfristige Erfassung der sportlichen Aktivität erfolgte nicht.
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Die Daten zeigten, dass sich das Tau-Protein, ein Marker des Voranschreitens der Erkrankung, bei körperlich aktiveren Menschen langsamer im Gehirn anreicherte - was den teils um mehrere Jahre verzögerten kognitiven Abbau erklärt. Menschen in der Frühphase einer Alzheimer-Erkrankung können den weiteren Verlauf also deutlich verlangsamen, indem sie sich regelmäßig viel bewegen. „Jeder Schritt zählt - und selbst kleine Steigerungen der täglichen Aktivitäten können sich im Laufe der Zeit zu nachhaltigen Veränderungen der Gewohnheiten und der Gesundheit summieren“, so Yau.
Prävention und Risikofaktoren
Neben körperlicher Aktivität spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Prävention von Demenz. Prof. Dr. Johannes Pantel betonte auf einer Veranstaltung der Goethe-Universität Frankfurt, dass ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung, geistiger Aktivität und sozialer Teilhabe einen wichtigen Beitrag leisten kann, das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung zu verringern. Ebenfalls wichtig für ein gesundes Altern sei die Behandlung von medizinischen Risiken - wie Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte und Diabetes.
Eckart von Hirschhausen fasst seine Arbeit so zusammen: Alles, was gut fürs Herz ist, sei auch gut fürs Gehirn. Dann zählt er auf: Nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, dafür viel bewegen und viel Gemüse essen, wenig Fleisch. Zusätzlich seien auch Depressionen, Angststörungen und Einsamkeit Risikofaktoren für Demenz. Der genetische Einfluss sei hingegen gar nicht so entscheidend.
Fortschritte in der Alzheimer-Forschung und Therapie
Trotz der Herausforderungen gibt es auch Hoffnungsschimmer. In der Alzheimer-Forschung gab es in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte. Prof. Dr. Lutz Frölich stellte auf einer Veranstaltung der Goethe-Universität Frankfurt die vielversprechenden Ergebnisse aktueller Studien im Bereich der Antikörper-Wirkstoffe vor und erklärte, wie solche Therapien dazu beitragen könnten, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Er ging auf die Wirkungsweise der neuen Medikamente, die möglichen Nebenwirkungen und die Zugangsbeschränkungen für Patientinnen und Patienten mit bestimmten genetischen Merkmalen ein. Trotz einiger Einschränkungen bezeichnete er die beiden Medikamente Leqembi und Kisunla als großen Fortschritt - auch wenn das Ziel einer Heilung noch nicht erreicht ist.
Eckart von Hirschhausen berichtet von einem Medikament, das Demenz verlangsamen soll, und ein Betroffener plädiert für einen offensiveren Umgang mit der Alzheimer-Diagnose. Dieses Jahr gab es in der Demenzforschung einen entscheidenden Fortschritt, „weil wir endlich ein Medikament haben, was konkret gegen diese Plaques wirken soll“, so von Hirschhausen. Plaques, so werden die schädlichen Ablagerungen im Gehirn genannt. Das Medikament könne Demenz zwar nicht heilen, aber den Krankheitsverlauf verlangsamen. „Das geht aber nur in einem sehr frühen Stadium und unter genauer und fortlaufender Untersuchung“, so von Hirschhausen.
Herausforderungen in der Pflege und Versorgung
Andrea Sawatzki berichtet von den Zuständen in vielen Pflegeheimen, ernüchternd seien sie: „Ich finde es skandalös, was hier in Deutschland abgeht“, sagt Sawatzki und spricht Personalmangel und Überforderung an. Sie könne von Vorfällen berichten, in denen Windeln mehrmals verwendet worden seien oder schlicht vergessen wurde, den Pflegebedürftigen regelmäßig etwas zum Essen zu geben.
86 Prozent der Pflegebedürftigen aber würden nach wie vor zu Hause betreut werden, ein Wert, der sich seit drei Jahrzehnten kaum verändert habe.