ADHS: Die Entstehung im Gehirn – Ein umfassender Überblick

Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsstörungen auszeichnet. Obwohl ADHS lange Zeit als Modekrankheit abgetan wurde, ist es eine ernstzunehmende Erkrankung, die das Leben von Kindern und Erwachsenen erheblich beeinträchtigen kann. Rund fünf Prozent aller Kinder sind von ADHS betroffen, wobei Jungen etwa viermal häufiger betroffen sind als Mädchen. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung von ADHS im Gehirn, die zugrunde liegenden Mechanismen, genetischen Faktoren undUmwelteinflüsse.

Symptome und Diagnose von ADHS

Zu den Kernsymptomen von ADHS zählen Hyperaktivität, Impulsivität und Aufmerksamkeitsstörungen. Kinder mit ADHS zeigen oft schlechte schulische Leistungen, haben Schwierigkeiten beim Lernen, weisen eine Lese-Rechtschreib-Schwäche auf und haben eine schwer leserliche Schrift. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jedes unruhige oder unaufmerksame Kind an ADHS leidet. Eine Diagnose kann nur von einem erfahrenen Kinderarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater nach intensiven Untersuchungen gestellt werden. Die Symptome müssen über einen längeren Zeitraum (mindestens sechs Monate) und in verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Schule, Freizeit) auftreten.

  • Hyperaktivität: Gesteigerter Bewegungsdrang, der sich darin äußert, dass die Betroffenen fast ständig in Bewegung sind und sich nicht für kurze Zeit still und ruhig beschäftigen können.
  • Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, Flüchtigkeitsfehler, Vergesslichkeit und leichte Ablenkbarkeit.
  • Impulsivität: Schwierigkeiten, Handlungen zu kontrollieren, Rededrang, Unterbrechen anderer und ungeduldiges Verhalten.

Neurobiologische Grundlagen von ADHS

Die Ursachen von ADHS sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Es gilt als gesichert, dass eine genetische Veranlagung im Zusammenspiel mit weiteren Umweltfaktoren zu den Symptomen führt. Die wissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass ADHS mit einer Störung der neuronalen Funktion in bestimmten Gehirnregionen zusammenhängt.

Botenstoffe im Ungleichgewicht

Eine zentrale Rolle bei der Entstehung von ADHS spielen die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Diese Botenstoffe sind für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen verantwortlich. Bei ADHS-Patienten wird angenommen, dass Dopamin im synaptischen Spalt nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Dies führt zu einer gestörten Informationsweiterleitung und einer unzureichenden Filterung von Reizen.

  • Dopamin: Steuert Aktivität, Antrieb und Motivation. Bei ADHS wird Dopamin zu schnell im synaptischen Spalt abgebaut.
  • Noradrenalin: Zuständig für Aufmerksamkeit und Aktivität.

Funktionelle und strukturelle Veränderungen im Gehirn

Moderne bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die Single-Photon-Emissions-Computertomografie (SPECT) haben Funktionsstörungen in einzelnen Hirnabschnitten (Stammganglien und Frontalhirn) sowie Veränderungen in der "Gehirnarchitektur" bei ADHS-Patienten sichtbar gemacht. Insbesondere der Hirnvorderlappen zeigt bei Betroffenen eine geringere Aktivität.

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  • Frontalhirn: Zuständig für Verhaltensregulierung, Entscheidungen, Auswertung von Erfahrungen und Steuerung des Organismus. Bei ADHS ist das Frontalhirn weniger stark durchblutet und zeigt eine geringere Nervenaktivität.
  • Striatum: Ein Teil der Basalganglien, der zusammen mit dem Frontalhirn an der Steuerung von Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten beteiligt ist.

Aufgrund dieser Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn können ADHS-Betroffene die ständigen neuen Impulse nicht ausreichend filtern, was zu einer Reizüberflutung und einer gestörten Selbstregulation führt.

Genetische Faktoren und Vererbung

Es gilt als gesichert, dass ADHS zu einem hohen Prozentsatz erblich ist. Die Wahrscheinlichkeit für Kinder, ADHS zu haben, wenn ein Elternteil betroffen ist, liegt bei 20-30%. Zwillingsstudien zeigen, dass gut 80% der eineiigen und knapp 30% der zweieiigen Zwillinge die gleiche Symptomatik aufweisen. Neuere Forschungsergebnisse gehen sogar davon aus, dass nahezu 80% aller ADHS-Erkrankungen erblich bedingt sind.

Mehrere veränderte Gene (polygener Erbgang), die alleine kaum Störungen bewirken, sind im Zusammenspiel ursächlich für die fehlerhafte Informationsübertragung im Gehirn verantwortlich. Dies erklärt das breite Spektrum möglicher Begleitstörungen (Komorbidität) wie Lerndefizite oder emotionale Störungen sowie das unterschiedliche Ansprechen auf die Medikation.

Umweltfaktoren und psychosoziale Risikofaktoren

Neben der genetischen Veranlagung spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entstehung von ADHS. Der Konsum von Nikotin, Alkohol oder anderen Drogen während der Schwangerschaft sowie ein Sauerstoffmangel bei der Geburt erhöhen das Risiko des Kindes, später an ADHS zu erkranken. Auch zentralnervöse Infektionen während der Schwangerschaft, Schädelhirntraumen oder Verletzungen sowie Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt werden mit späteren hyperkinetischen Auffälligkeiten in Verbindung gebracht.

Familiäre Bedingungen, Bedingungen im Kindergarten und in der Schule können die Stärke der Probleme und ihren weiteren Verlauf mitbestimmen. Psychosoziale Risikofaktoren wie eine unvollständige Familie, psychische Erkrankungen der Eltern, familiäre Instabilität, niedriges Familieneinkommen, Inkonsequenz in der Erziehung, fehlende Regeln, häufige Kritik und Bestrafungen sowie ein unstrukturierter Tagesablauf können die ADHS-Symptome verstärken.

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Therapieansätze bei ADHS

Die Behandlung von ADHS stützt sich heute auf mehrere Säulen. Individuell kombiniert werden nach Aufklärung und Beratung aller Betroffenen eine Psychotherapie, z.B. Verhaltenstherapie des Kindes, Eltern- und Lehrertraining sowie bei Bedarf eine medikamentöse Therapie.

Verhaltenstherapie

In der Verhaltenstherapie lernt der junge Patient, auffällige und störende Verhaltensmuster abzubauen und gezielt durch neu erlernte zu ersetzen. Der Erfolg einer Verhaltenstherapie setzt die aktive Mitarbeit des Patienten voraus und kann durch eine begleitende Therapie mit ADHS-Medikamenten erleichtert und verbessert werden.

Medikamentöse Therapie

ADHS-Medikamente können Störungen der Signalübertragung im Gehirn verbessern, indem sie die Konzentration der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin erhöhen. Dies ermöglicht es dem Betroffenen, Reize besser zu filtern und die belastenden Symptome der ADHS zu reduzieren. Methylphenidat ist der am häufigsten eingesetzte Wirkstoff zur Behandlung von ADHS.

Pädagogische Maßnahmen

Der Aufbau einer positiven Beziehung zum Kind, klare und eindeutige Regeln sowie eine definierte Tages- und Wochenstruktur sind wichtige pädagogische Maßnahmen. Eltern und Angehörige sollten regelmäßig das Gespräch mit Lehrern, Betreuern und Freunden des Kindes suchen, um die Situation des Kindes besser einschätzen zu können und Verständnis für seine Besonderheiten zu entwickeln.

ADHS im Erwachsenenalter

Die ADHS-Störung verschwindet auch im Erwachsenenalter nicht. Zwar lässt mit der Reifung des Gehirns die Hyperaktivität nach, doch Impulsivität und Unkonzentriertheit bleiben häufig bestehen. Typisch für Erwachsene mit ADHS ist, dass sie ständig dazwischenreden und schwer konzentriert arbeiten können.

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