Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der schätzungsweise 400.000 bis 800.000 Menschen in Deutschland betroffen sind. Sie kann in jedem Alter auftreten und ist durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet, die durch eine übermäßige Aktivität im Gehirn verursacht werden. Dieser Artikel beleuchtet die Häufigkeit epileptischer Anfälle und gibt einen Überblick über die verschiedenen Aspekte dieser Erkrankung.
Was ist Epilepsie?
Bei einer Epilepsie sind einzelne Hirnbereiche oder das gesamte Gehirn übermäßig aktiv. Es werden zu viele Signale abgegeben, was die sogenannten epileptischen Anfälle auslösen kann. Manchmal zucken dann nur einzelne Muskeln - es kann aber auch der gesamte Körper bis zur Bewusstlosigkeit krampfen.
Eine Epilepsie kann in jedem Alter auftreten. Manche Menschen haben bereits als Kind ihren ersten Anfall, andere erst in höherem Alter. Zwischen den Anfällen sind meist keine körperlichen Beschwerden spürbar.
Erscheinungsformen epileptischer Anfälle
Ein epileptischer Anfall kann sich auf verschiedene Arten zeigen. Es kann lediglich ein Arm oder Bein zucken, aber auch der gesamte Körper. Das kann nach wenigen Sekunden vorbei sein oder sogar unbemerkt bleiben. Während des Anfalls können Menschen bei vollem Bewusstsein bleiben oder nur kurz abwesend sein. Manche werden jedoch auch bewusstlos.
Ein epileptischer Anfall hält selten lange an. Bei einer Dauer von mehr als fünf Minuten spricht man von einem „Status epilepticus“. Dann handelt es sich um einen Notfall, der zügig mit Medikamenten behandelt werden muss.
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Ursachen von Epilepsie
Bestimmte Bereiche des Gehirns steuern Bewegungen, andere die Sprache, Gefühle und individuelle Wahrnehmungen. Hierbei sind Milliarden von Nervenzellen beteiligt. Sie agieren durch elektrische und chemische Signale miteinander. Bei einem epileptischen Anfall ist das Zusammenspiel der Nervenzellen zeitweise gestört.
Diese Störung führt dazu, dass einzelne Gehirnbereiche oder das ganze Gehirn übermäßig aktiv werden und die Nervenzellen zu viele Signale senden. Oft lässt sich keine eindeutige Ursache für die Epilepsie feststellen.
Es gibt aber einige mögliche Auslöser, zum Beispiel Verletzungen, Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns, Schlaganfälle oder Tumoren. Auch genetische Ursachen und Stoffwechselstörungen können eine Rolle spielen. Infektionen sind weltweit eine häufige Ursache von Epilepsie.
Wie häufig ist Epilepsie?
Von Epilepsie wird erst dann gesprochen, wenn mehrfach ohne ersichtlichen Auslöser epileptische Anfälle auftreten. Laut Statistiken kommt dies bei knapp einem von 100 Menschen vor. Ein erster epileptischer Anfall kann in jedem Alter auftreten. Viele sind noch ein Kind, wenn die Epilepsie beginnt. Etwas seltener tritt im Alter von 40 bis 59 Jahren der erste Anfall auf. Erst danach kommen Neuerkrankungen häufiger vor.
Die Prävalenz, also die Anzahl der Menschen mit aktiver Epilepsie zu einem bestimmten Zeitpunkt, liegt bei etwa 0,5 bis 1 % der Bevölkerung. In Deutschland sind das etwa 500.000 Menschen. Die Inzidenz, also die Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr, liegt bei etwa 47 von 100.000 Menschen. Das entspricht etwa 38.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland.
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Altersverteilung der Epilepsie
Epilepsie kann in jedem Alter auftreten, wobei die Inzidenz einen U-förmigen Verlauf zeigt:
- Kinder und Jugendliche: Epilepsien gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Die Inzidenz bei Kindern schwankt mit rund 80 bis 130/100.000/Jahr mit der höchsten Rate im ersten Lebensjahr. Nach dem 1. bis zum 9. Lebensjahr liegt die Inzidenz bei etwa 50 bis 60/100.000/Jahr und sinkt dann bis zum 17. Lebensjahr auf das Erwachsenen-Niveau mit knapp 20 bis 40/100.000/Jahr ab.
- Erwachsene: Zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr bleibt die Inzidenz stabil bei etwa 30/100.000/Jahr oder weniger.
- Ältere Menschen: Im höheren Lebensalter steigt die Inzidenz wieder deutlich an. Grund hierfür sind vor allem die mit dem Alter zunehmende Häufigkeit zerebrovaskulärer Erkrankungen (40 %), der mit Abstand häufigsten Ursache für Anfälle in dieser Altersgruppe, sowie toxisch-metabolischer Prozesse, neurodegenerativer Erkrankungen, Tumoren und Schädel-Hirn-Traumata. Bei den über 65-Jährigen liegt die Inzidenz bei 90-150/100.000 Personen.
Geschlechterverteilung
Insgesamt zeigen die meisten Studien eine etwas höhere Inzidenzrate für Epilepsien bei Männern. Der Unterschied wird meist durch die höhere Inzidenz von Schlaganfällen, Traumata und der unterschiedlichen Prävalenz der häufigsten Risikofaktoren zwischen Männern und Frauen erklärt.
Regionale Unterschiede
Eine Metaanalyse von 33 Studien unterschiedlicher Herkunftsländer berichtete in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen („low- and middle-income countries“ [LMIC]) eine deutlich höhere Inzidenz (ca. 82/100.000/Jahr) als in Ländern mit hohem Einkommen (45/100.000/Jahr; „high-income countries“ [HIC]). Die Ursache dafür ist vermutlich multifaktoriell. Diskutiert werden die höhere Inzidenz von Schädel-Hirn-Traumata, Infektionen und parasitären Erkrankungen (z. B. Malaria oder Neurozystizerkose) in ressourcenschwachen Regionen.
Verlauf der Epilepsie
Viele Menschen haben nur einmal im Leben einen Anfall oder erkranken nur über wenige Monate oder Jahre an Epilepsie. Andere begleitet die Erkrankung dauerhaft. Nach einem ersten Anfall erleben etwa 50 Prozent der Betroffenen einen zweiten. Danach steigt das Risiko weiter an - etwa 7 von 10 Betroffenen haben nach dem zweiten Anfall innerhalb der nächsten Jahre einen weiteren.
Hierbei handelt es sich jedoch um Durchschnittswerte. Das individuelle Risiko für einen weiteren Anfall ist stark von der Ursache abhängig: Bei bekannter Ursache wie einer Gehirnerkrankung ist das Risiko für einen erneuten Anfall etwa doppelt so hoch wie bei einer unbekannten oder einer genetischen Veranlagung.
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Manche Menschen sind durch die Einnahme von Medikamenten über Jahre ohne Anfälle - und bleiben es auch nach Absetzen der Medikamente. Andere verhindern einen Anfall nur solange sie Medikamente nehmen.
Diagnose von Epilepsie
Meist wird eine Epilepsie diagnostiziert, wenn
- es zu mindestens zwei Anfällen gekommen ist,
- zwischen den Anfällen mindestens 24 Stunden vergangen sind,
- kein Hinweis auf einen Gelegenheitsanfall besteht.
Sie kann auch dann diagnostiziert werden, wenn das Risiko für einen zweiten Anfall deutlich erhöht ist - zum Beispiel bei einer Gehirnerkrankung. Zudem können seltenere spezielle Epilepsie-Formen festgestellt werden, die man als Epilepsie-Syndrom bezeichnet.
Wichtig zu wissen: Für die Diagnose ist vor allem die Vorgeschichte der Betroffenen wichtig: Wann und in welcher Situation ist der Anfall aufgetreten? Wie ist er verlaufen? Oft können sich Betroffene selbst nicht gut an den Anfall erinnern. Dann ist es hilfreich, wenn jemand, der den Anfall miterlebt hat, den Betroffenen zur Untersuchung begleitet. Die Begleitperson kann beschreiben, wie und mit welchen Symptomen der Anfall aufgetreten ist.
Neben der körperlichen und neurologischen Untersuchung wird Blut zur Untersuchung entnommen. Meist werden außerdem mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) die Hirnströme gemessen. Bestimmte Muster deuten hier auf ein erhöhtes Anfallsrisiko hin. Ein EEG allein reicht allerdings nicht aus, um eine Epilepsie festzustellen. In der Regel kommt eine Magnetresonanztomographie (MRT) hinzu. Sie hilft herauszufinden, ob sich im Gehirn Veränderungen zeigen, die die Anfälle auslösen könnten. Falls sinnvoll, wird das Hirnwasser (Liquor) durch eine Spritze im Bereich der Lendenwirbelsäule entnommen und untersucht (Lumbalpunktion).
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung ist von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf abhängig. Meist werden Betroffene mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Hier gibt es unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen. Wenn eine niedrige Dosierung keine ausreichende Wirkung zeigt, kann zunächst die Dosis des Medikaments erhöht werden. Stellt sich auch dann kein Erfolg ein, kombiniert man unterschiedliche Wirkstoffe oder testet ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe.
Da oft nur ein einziger Anfall auftritt, ist nicht sofort eine Behandlung erforderlich. Normalerweise fängt man erst nach einem zweiten Anfall mit einer Behandlung an. Ist das Risiko für erneute Anfälle erhöht, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann auch nach dem ersten Krampfanfall schon eine Behandlung angebracht sein. Wichtig ist, mit der Ärztin oder dem Arzt die persönliche Situation ausführlich zu besprechen.
Bei einer Behandlung mit Medikamenten werden diese meist mehrere Jahre lang eingenommen. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Einige ambulante Einrichtungen und Kliniken sind auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert.
Kommt es trotz Medikamenten weiter zu Anfällen, ist ein Eingriff eine Alternative. Zu den Möglichkeiten zählen:
- Operation: Wenn sich herausfinden lässt, dass ein bestimmter Teil des Gehirns fokale Anfälle auslöst, kann dieser unter Umständen entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
- Vagusnerv-Stimulation: Hier soll die Überaktivität der Nervenzellen gehemmt werden. Ein Schrittmacher wird im Brustbereich unter der Haut eingesetzt und gibt elektrische Impulse ab. Das geschieht über Kontakte am Halsbereich, die mit dem sogenannten Vagusnerv verbunden sind. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien.
Außerdem kann eine begleitende Psychotherapie sinnvoll sein. Sie kann dabei helfen, mit der Erkrankung zurechtzukommen und die Lebensqualität zu verbessern.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Betroffene vor Verletzungen schützen und ruhig bleiben. Hält der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle in geringem zeitlichem Abstand auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.
Mortalität bei Epilepsie
Die Mortalität bei Epilepsie ist um den Faktor 2 bis 3 erhöht. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Mortalität. Die standardisierte Mortalitätsrate (SMR), ein Inzidenzverhältnis zwischen beobachteter und erwarteter Mortalität, liegt für Epilepsie im Mittel bei 1,6 bis 3,6 und ist für alle Altersgruppen erhöht. Sie ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und v. a. bei konvulsiven Anfällen und fehlender Anfallsfreiheit erhöht. Jenseits des 64. Lebensjahres werden geringere SMR berichtet (1,4 bis 2,6) als bei den unter 45-Jährigen (6,4 bis 8,5), wobei die Zunahme konkurrierender Todesursachen im höheren Alter als Ursache diskutiert wird. Häufige Todesursachen bei älteren Menschen sind v. a. Pneumonien (SMR 3,5 bis 7,2; mittleres Alter 81,3 Jahre), Neoplasien und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Todesfälle als unmittelbare Folge einer Epilepsie oder von Anfällen sind in 17 % der plötzliche unerwartete Tod bei Epilepsie (engl.
Neue Therapieansätze
Am heutigen Tag der Epilepsie berichtet Prof. Dr. Regine Heilbronn, von EpiBlok Therapeutics GmbH, von einer neuen Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten. EpiBlok entwickelt einen Genvektor, der epileptische Anfälle am Ort der Entstehung verhindern kann. Die schonende Einmaltherapie wird nur zum Zeitpunkt der Anfallsentstehung aktiviert. Es handelt sich um einen AAV-basierten Genvektor, der schützende Neuropeptide fokal produziert und speichert. Diese werden nur bei starker Erregung freigesetzt, wie zu Beginn eines Anfalls.