Chronische Gesichtsschmerzen stellen eine komplexe und oft schwer zu behandelnde Form des chronischen Schmerzes dar. Sie können durch verschiedene Erkrankungen verursacht werden, darunter Neuropathien, Entzündungen oder muskuläre Dysfunktionen. Gesichtsschmerzen, die über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten bestehen, gelten als chronisch. Diese Schmerzen sind besonders belastend, da sie häufig die alltägliche Lebensqualität und das soziale Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen.
Ursachen chronischer Gesichtsschmerzen
Die Ursachen für chronische Gesichtsschmerzen sind vielfältig und umfassen neurologische, muskuläre und vaskuläre Faktoren. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Trigeminusneuralgie: Ein plötzlich auftretender, starker Schmerz im Versorgungsgebiet des Trigeminusnervs. Oft ausgelöst durch Gefäßkompression am Nervenstamm, aber auch durch Multiple Sklerose oder andere Schädigungen des Nervs.
- Atypische Gesichtsschmerzen: Ein chronischer, diffuser und schlecht lokalisierbarer Schmerz, dessen Ursprung häufig unbekannt ist. Dieser Schmerz wird oft als kontinuierlich und brennend empfunden und lässt sich schwer behandeln.
- Zahn- und Kieferprobleme: Fehlstellungen des Kiefers oder chronische Zahnprobleme können Schmerzen im Gesicht auslösen. Auch die sogenannte Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) kann chronische Schmerzen im Gesicht, Kopf- und Nackenbereich verursachen.
- Clusterkopfschmerzen: Diese extrem starken, periodisch auftretenden Kopfschmerzen treten oft hinter einem Auge auf, können sich aber auf das gesamte Gesicht ausbreiten.
- Postherpetische Neuralgie: Nach einer Herpes-Zoster-Infektion im Gesichtsbereich kann es zu lang anhaltenden Nervenschmerzen kommen, die als brennend und bohrend empfunden werden.
- Sinusitis und Entzündungen: Chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen können Gesichtsschmerzen verursachen, die oft mit einem Druckgefühl verbunden sind.
- Neuropathien oder periphere Nervenschäden: Diabetes oder traumatische Verletzungen können zu Nervenschäden und somit zu chronischen Gesichtsschmerzen führen.
Symptome und Charakteristika chronischer Gesichtsschmerzen
Die Symptome variieren je nach Ursache, sind aber häufig durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:
- Starke, stechende oder brennende Schmerzen: Besonders typisch bei Neuralgien und neuropathischen Schmerzen.
- Druckgefühl und dumpfe Schmerzen: Häufig bei entzündlichen Erkrankungen wie Sinusitis.
- Episodische oder kontinuierliche Schmerzen: Clusterkopfschmerzen treten in Attacken auf, während atypische Gesichtsschmerzen oft konstant sind.
- Schmerzen bei Berührung: Ein häufiges Symptom bei Trigeminusneuralgie, bei dem selbst leichte Berührungen starke Schmerzen auslösen (Allodynie).
Die Trigeminusneuralgie im Detail
Die Trigeminusneuralgie ist ein sehr intensiver, plötzlich einschießender Schmerz, der vom Charakter her als „brennend“, „stromstoßartig“ oder „elektrisierend“ beschrieben wird. Er dauert meist nur wenige Sekunden, kann aber bis zu 100-mal täglich auftreten. Die Lebensqualität der Betroffenen ist stark eingeschränkt. In Deutschland leiden rund zehn von 100.000 Menschen an der Trigeminusneuralgie. Frauen sind dabei fast doppelt so häufig betroffen wie Männer. Häufiger tritt der Gesichtsschmerz einseitig und nach dem 50. Lebensjahr auf.
Typisch für die Erkrankung ist, dass sie getriggert werden kann, zum Beispiel durch Berührung, Zugluft, Kauen oder Sprechen und durch Medikamente, die ursprünglich gegen Epilepsie eingesetzt wurden (zum Beispiel Carbamazepin).
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Formen der Trigeminusneuralgie
Grundsätzlich wird aus historischen Gründen zwischen der sogenannten klassischen Trigeminusneuralgie und der symptomatischen Trigeminusneuralgie unterschieden. Die Ursache für die klassische Trigeminusneuralgie mit blitzartig einschießenden Schmerzen ist ein Konflikt zwischen einem kleinen Gefäß und dem Trigeminus („mikrovaskulärer Konflikt“). Der genaue Mechanismus der Schmerzentstehung ist im Detail noch nicht geklärt. Die Auslöser der symptomatischen Form sind umfangreich erforscht, die Behandlung ist hingegen meist schwieriger als bei der klassischen Form.
Wie entsteht eine Trigeminusneuralgie?
Im Gegensatz zur symptomatischen Trigeminusneuralgie, deren Auslöser etwa Multiple Sklerose oder eine Tumorerkrankung sein können, ist die Ursache für die klassische Form der Neuralgie ein Gefäß-Nerven-Kontakt zwischen dem Nervus trigeminus und einem Blutgefäß, meist der Arteria cerebelli superior. Dieser Kontakt führt wahrscheinlich zu einer Art elektrischem „Kurzschluss“ und löst im Zusammenhang mit weiteren Faktoren (möglicherweise einer Übererregbarkeit im Hirnstamm) die Fehlfunktion aus.
Wie lange dauert eine Trigeminusneuralgie?
Circa 30 Prozent der Betroffenen leiden nur einmalig an einer Trigeminusneuralgie. Meist tritt sie jedoch wiederholt auf.
Diagnose der Trigeminusneuralgie
Aufgrund der charakteristischen Symptomatik ist eine Trigeminusneuralgie für einen Neurologen beziehungsweise eine Neurologin in der Regel leicht zu diagnostizieren. In einem ausführlichen Gespräch erkundigt sich der Arzt oder die Ärztin unter anderem über den Verlauf, die Dauer und Ausprägung sowie über die Auslöser der Gesichtsschmerzen. Es folgt eine neurologische Untersuchung.
Behandlungsmöglichkeiten für chronische Gesichtsschmerzen
Da die Ursachen sehr unterschiedlich sind, ist eine genaue Diagnose entscheidend. In der Regel erfolgt die Behandlung multimodal, also mit einem kombinierten Ansatz.
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1. Medikamentöse Therapie
- Antikonvulsiva: Medikamente wie Carbamazepin oder Gabapentin sind besonders wirksam bei Trigeminusneuralgie und neuropathischen Schmerzen. Die Wirkung von Carbamazepin beruht vermutlich auf der Hemmung der Reizweiterleitung. Es hat dämpfende und beruhigende sowie antidepressive und muskelentspannende Wirkungen und ist in der Regel äußerst wirksam. Allerdings besteht bei diesem Medikament ein erhöhtes Risiko, dass Nebenwirkungen wie Schwindel und Müdigkeit auftreten. Häufig kommt es auch zu allergischen Reaktionen, Veränderungen des Blutbildes und der Leberfunktion, Verringerung der Blutsalze und zu Magen-Darm-Problemen. In der Regel wird die Schmerztherapie mit einer niedrigen Dosierung begonnen und so lange erhöht, bis bei der betroffenen Person keine Schmerzen mehr auftreten.
- Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin oder selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Duloxetin können zur Linderung chronischer Schmerzen beitragen, insbesondere bei atypischen Gesichtsschmerzen.
- Lokalanästhetika: Lidocain-Pflaster oder Cremes können lokal aufgetragen werden, um die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.
- Botulinumtoxin-Injektionen (Botox): Bei einigen chronischen Gesichtsschmerzen, einschließlich Trigeminusneuralgie, kann Botox in die betroffenen Muskeln injiziert werden, um die Schmerzintensität zu reduzieren.
2. Neuromodulation und Nervenstimulation
- Perkutane elektrische Nervenstimulation (PENS): Diese Methode verwendet niederfrequente elektrische Impulse, die über dünne Nadeln direkt an den betroffenen Nerv abgegeben werden und so Schmerzen lindern können.
- Rückenmarkstimulation (SCS) und Periphere Nervenstimulation (PNS): Insbesondere bei therapieresistenten Schmerzen kann die Stimulation der entsprechenden Nerven eine Option sein.
- Radiofrequenzablation: Hierbei wird der schmerzleitende Nerv durch Wärme verödet, um die Schmerzübertragung zu unterbrechen. Diese Methode wird häufig bei Trigeminusneuralgie angewendet.
3. Operative Verfahren bei Trigeminusneuralgie
- Mikrovaskuläre Dekompression (Operation nach Jannetta): Wenn eine medikamentöse Therapie keinen Erfolg bringt, kann eine Operation am Gehirn erforderlich sein, um den Kontakt zwischen Gefäß und Trigeminusnerv zu unterbrechen. Dazu wird der Schädel geöffnet und ein Kunststoffstück, zum Beispiel Teflonflies, als Puffer eingelegt. Acht von zehn Patienten und Patientinnen sind nach dem Verfahren schmerzfrei, weitere zwei haben danach geringere Beschwerden als vorher. Nach zehn Jahren ist die Erfolgsquote nicht mehr ganz so hoch: Sieben von zehn Behandelten sind jedoch weiterhin schmerzfrei. Bis zu 30 Prozent leiden nach dem Eingriff unter verminderter Empfindlichkeit im Gesichtsbereich des Versorgungsgebietes des Trigeminusnervs. Studien zeigen ein Wiederauftreten der Schmerzattacken bei 10 bis 30 Prozent der Patienten und Patientinnen. Selten kann es zu einem Hörverlust kommen. Diese Methode eignet sich für Menschen, die kein erhöhtes Operationsrisiko haben, denn die Operation erfolgt unter Vollnarkose. Der Vorteil des Verfahrens: Der Trigeminusnerv wird dabei geschont und seine Funktionsfähigkeit bleibt erhalten. Bei Misserfolg ist ein Zweiteingriff möglich.
- Perkutane Operationsverfahren: Beim sogenannten perkutanen Operationsverfahren wird der Nervus Trigeminus im Bereich des Ganglion Gasseri (sensibler Nervenknoten im Bereich der Schädelgrube) entweder thermisch (Thermokoagulation), chemisch (Glyzerinhizolyse) oder mechanisch (Ballonkompression) geschädigt. Der Zugangsweg erfolgt durch die Haut seitlich des Mundwinkels durch eine Schädelöffnung unter Durchleuchtung. Bei den thermischen und chemischen Varianten wird in 90 Prozent der Fälle Schmerzfreiheit erzielt. Auch nach zehn Jahren sind acht von zehn Patienten und Patientinnen schmerzfrei, bei der mechanischen Variante sind es sechs bis sieben von zehn Patienten und Patientinnen. Nebenwirkungen können eine verminderte Empfindlichkeit im Gesicht und unangenehme bis schmerzhafte Missempfindungen sein. Diese Methode eignet sich auch für ältere Menschen oder solche, die bei einer Operation erhöhte Risiken durch eine Vorerkrankung haben. Die betroffene Person wird nur örtlich betäubt oder in eine Kurznarkose gelegt, eine Vollnarkose ist nicht notwendig.
- Radiochirurgische Behandlung (Gamma-Knife-Behandlung): Bei diesem Verfahren wird der Trigeminusnerv am Abgang mit einer hohen Strahlendosis einmalig bestrahlt. Das soll zu einer Teilschädigung des Nervs führen. Anders als bei der Dekompression kommt es erst nach Tagen bis Wochen zu einer Besserung der Symptomatik. Ist anfangs die Neuralgie bei 70 bis 90 Prozent der Patientinnen und Patienten gebessert, so ist das nach fünf Jahren nur noch etwa bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten der Fall. Eine weitere Bestrahlung mit einer niedrigeren Strahlendosis ist ebenfalls möglich, auch wenn dies nur bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten erfolgreich ist. Auch ist mit einer Zunahme der sensiblen Ausfälle als Nebenwirkung zu rechnen. Das heißt, dass die Schmerzen bei sehr leichten Reizen vermehrt auftreten können. Bei 10 von 100 Patientinnen und Patienten kommt es nach der Behandlung zu unangenehmen bis schmerzhaften Fehlempfindungen.
4. Physiotherapie und Ergotherapie
- Entspannung und Muskelaufbau: Physiotherapeutische Maßnahmen zur Entspannung und zum Aufbau der Hals- und Kiefermuskulatur können bei myofaszialen Schmerzen und Kiefergelenksproblemen hilfreich sein.
- Kiefergelenksübungen: Insbesondere bei Craniomandibulärer Dysfunktion (CMD) wird mit gezielten Übungen das Kiefergelenk stabilisiert und schmerzfreie Bewegung gefördert.
5. Psychologische Behandlung
- Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Diese Therapie hilft, das Schmerzempfinden zu bewältigen und psychische Belastungen durch die Schmerzen zu reduzieren.
- Entspannungstechniken: Autogenes Training, progressive Muskelentspannung und Achtsamkeitsübungen können bei chronischen Schmerzen entlastend wirken und die allgemeine Lebensqualität verbessern.
6. Alternative Therapien und komplementäre Ansätze
- Akupunktur: Akupunktur kann bei chronischen Gesichtsschmerzen unterstützend wirken und die Schmerzintensität verringern.
- Osteopathie und manuelle Therapie: Einige Betroffene profitieren von osteopathischen oder manuellen Therapien zur Linderung muskulärer Spannungen im Gesichts- und Kieferbereich.
- Kälte- und Wärmeanwendungen: Lokale Anwendungen können bei akuten Schmerzen helfen, besonders bei Spannungsschmerzen und Entzündungen.
Vorbeugung von chronischen Gesichtsschmerzen
Einige vorbeugende Maßnahmen können das Risiko für chronische Gesichtsschmerzen verringern oder helfen, die Häufigkeit und Intensität der Schmerzanfälle zu reduzieren:
- Stressmanagement: Stressreduktion durch Techniken wie Yoga, Meditation und Atemübungen kann helfen, Spannungsschmerzen zu vermeiden.
- Regelmäßige Bewegung: Moderate körperliche Aktivität verbessert die allgemeine Schmerzresistenz und fördert das Wohlbefinden.
- Kiefergelenksentlastung: Eine bewusste Entspannung des Kiefergelenks, etwa durch regelmäßige Pausen und das Vermeiden von Kieferpressen, ist bei CMD wichtig.
- Gute Schlafhygiene: Ausreichend und erholsamer Schlaf reduziert die Schmerzempfindlichkeit.
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