Wie viele Gehirnzellen hat ein Mensch? Eine umfassende Betrachtung

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes und komplexes Organ. Oftmals liest man von unterschiedlichen Angaben zur Anzahl der Nervenzellen, die es beherbergt. Während einige Quellen von 100 Milliarden Nervenzellen sprechen, nennen andere 86 Milliarden. Doch was stimmt nun? Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle wissenschaftliche Einschätzung, die Methoden zur Bestimmung der Nervenzellanzahl und weitere interessante Aspekte rund um die Gehirnzellen.

Die aktuelle Schätzung: 86 Milliarden Nervenzellen

Laut Prof. Dr. Stefan Liebau, Leiter des Instituts für Neuroanatomie und Entwicklungsneurobiologie der Universität Tübingen, gilt die Zahl von 86 Milliarden Nervenzellen derzeit als die beste Näherung. Diese Zahl wurde jedoch nicht durch eine vollständige Zählung aller Nervenzellen im Gehirn ermittelt. Stattdessen wurden Nervenzellen in kleineren Abschnitten gezählt und das Ergebnis dann mathematisch auf das gesamte Gehirn hochgerechnet.

Diese Methode ähnelt der Bestimmung des Salzgehalts in allen Ozeanen, indem man eine Wasserprobe aus dem Atlantik entnimmt und den Salzgehalt misst. Es liegt auf der Hand, dass diese einfache Methode ungenaue Ergebnisse liefern würde, da der Salzgehalt an verschiedenen Stellen stark variieren kann.

Herausforderungen bei der Zählung von Nervenzellen

Genaue Messungen haben gezeigt, dass die Dichte der Nervenzellen in verschiedenen Gehirnregionen, sogar innerhalb des Großhirns, unterschiedlich ist. Die neueren Schätzungen berücksichtigen dies stärker, indem sie Messungen an mehreren Stellen durchführen. Dennoch bleibt es eine Annäherung.

Es ist wichtig zu beachten, dass sich diese Schätzung nur auf das Gehirn bezieht. Im Körper befinden sich noch viele weitere Nervenzellen, beispielsweise im enterischen Nervensystem im Darm oder im Rückenmark.

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Vergleich mit dem Tierreich

Die Anzahl der Nervenzellen im menschlichen Gehirn ist im Tierreich nicht besonders einzigartig. Allerdings muss man beim direkten Vergleich vorsichtig sein, da größere Gehirne nicht unbedingt mehr Nervenzellen enthalten. Das Volumen der Zellen kann bei verschiedenen Tieren und Menschen sehr unterschiedlich sein. Nur weil ein Elefant ein größeres Gehirn hat, bedeutet das nicht automatisch, dass er auch mehr Nervenzellen hat.

Anzahl der Nervenzellen und Intelligenz

Es ist nicht möglich, von der Anzahl der Nervenzellen oder der Größe des Gehirns auf die Intelligenz zu schließen. Die jeweiligen Aufgaben der Zellen spielen eine entscheidende Rolle. Manche Tiere haben einen sehr guten Geruchssinn oder viele Sinneszellen auf der Haut oder an den Pfoten. Dies spiegelt sich im Gehirn wider: Bei Mäusen scheint das halbe Gehirn aus dem Geruchssystem zu bestehen. Dort gibt es also sehr viele Nervenzellen, die aber nicht direkt etwas mit Intelligenz zu tun haben. Beim Menschen nimmt der Geruchssinn dagegen nur einen winzigen Teil des Gehirns ein.

Letztendlich ist die reine Anzahl der Nervenzellen also nicht so wichtig, sondern vielmehr die Frage, wofür sie genutzt werden.

„Human Bias“ bei Schätzungen

Es ist denkbar, dass bei solchen Schätzungen auch ein „Human Bias“ im Spiel ist - eine kognitive Verzerrung, die dazu führt, dass Menschen sich als etwas Besonderes darstellen möchten. Ein Beispiel dafür ist die Annahme, dass die Anzahl der Nervenzellen im menschlichen Gehirn die Zahl der Sterne im Weltall übersteigt, obwohl es hierzu keine genauen Zahlen gibt.

Die Speicherkapazität des Gehirns

Die Speicherkapazität des Gehirns ist schwer abzuschätzen. Man kann allenfalls eine untere Grenze angeben, die sich vielleicht bei 1.000 Gigabyte bewegt. Aber auch diese Angabe ist im Grunde eine ziemlich willkürliche Schätzung.

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Das Problem ist, dass das Gehirn Information deutlich anders verarbeitet als ein Computer. Computer und Festplatten werden von Menschen gebaut, die einen Plan haben und wissen, wie viele Schaltkreise sie verbauen und somit auch, wie viel Speicherkapazität das Gerät am Ende hat. Gehirne dagegen werden nicht gebaut, sondern sie wachsen organisch.

Computer funktionieren streng digital und die Elementarbausteine arbeiten binär, d.h. nach dem Prinzip 0 oder 1: Strom fließt oder Strom fließt nicht. Beim Gehirn ist das viel komplizierter. Das Gehirn besteht größenordnungsmäßig aus 100 Milliarden bis einer Billion Nervenzellen. Aber die Information steckt ja nicht in den einzelnen Zellen, sondern in den Synapsen, d.h. in den Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Jede einzelne Gehirnzelle hat im Schnitt 1.000 bis 10.000 Verbindungen zu anderen Nervenzellen. Anders als bei Computerschaltkreisen gilt hier nicht das Prinzip: Strom fließt oder fließt nicht bzw. Nervenzelle feuert oder feuert nicht. Vielmehr ist hier die Aktivität abgestuft; die Nervenzellen können in verschiedenen Intensitäten feuern.

Nicht jede Aktivität im Gehirn bedeutet, dass Information gespeichert wird - ein Großteil der Aktivität dient ja einfach nur dazu, Reize zu filtern, zu verarbeiten. Anders als beim Computer ist beim Gehirn nicht so klar, wie viel Leistung in den "Prozessor" geht - also in die Verarbeitung von Information - und wie viel wirklich in die Informationsspeicherung. Wir verarbeiten eine Menge Information, die wir gleich wieder vergessen, die also nicht mal ins Kurzzeitgedächtnis geht.

Hirnforscher können immer noch nicht sagen, wie das Gedächtnis genau arbeitet, was genau im Gehirn passiert, wenn man ein Gesicht erkennt oder sich wieder einfällt, wie die Hauptstadt von Botswana heißt. Werden da einfach eine bestimmte Menge an Synapsen aktiv oder liegen Gedächtnisinhalte auch in Form chemischer Verbindungen vor? Und auf wie viel Informationen greift man wirklich zurück, wenn einem die Antwort auf eine Frage einfällt?

Der Zellatlas des menschlichen Gehirns

Dank eines riesigen Forschungsprojektes können Wissenschaftler erstmals genau unterscheiden, wie viele verschiedene Arten von Zellen im menschlichen Gehirn zusammenarbeiten. Mehrere Forscherteams haben zusammen den bislang umfangreichsten Zellatlas des menschlichen Gehirns erstellt und unter anderem mehr als 3000 Typen von Hirnzellen ermittelt. Sie hatten etwa untersucht, wie Nervenzellen im Gehirn in ihren Funktionen voneinander abweichen.

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Ein Team um Kimberly Siletti vom Karolinska Institut in Stockholm untersuchte Gewebe aus 14 menschlichen Gehirnen. Es klärte mit einer neuen Methode auf, welche RNA-Folgen in den einzelnen Hirnzellen vorhanden waren. RNA (Ribonukleinsäure) dient unter anderem als Überträger der Information aus dem Erbgut, um Proteine herzustellen. Je nach den Aufgaben von Zellen unterscheiden sich die RNA-Sequenzen in ihnen, woraus die Forscher 3313 verschiedene Typen von Zellen ableiten konnten.

In zwei weiteren Studien untersuchten ein Team um Yang Li von der University of California und eines um Wei Tian vom Salk Institute for Biological Studies die Epigenetik einzelner Gehirnzellen. Epigenetische Mechanismen bestimmen, wie oft welches Gen in einer Zelle aus dem Erbgut abgerufen wird. Die Epigenetik wird auch von der Umwelt, von Ernährung und Alterung beeinflusst.

Aus diesen drei Studien zusammengenommen, ist ein Hirnzellenatlas entstanden, der einzelne Hirnzelltypen charakterisiert und sie einzelnen Gehirnregionen zuordnet. Die Aktivitäten für den Hirnzellatlas sind im Projekt BICCN (Brain Initiative Cell Census Network) gebündelt. BICCN erlaubt nun auch, weitere Erkenntnisse über das menschliche Gehirn zu gewinnen, etwa darüber, wie sich die Gehirne von Menschen und von Affen unterscheiden.

Fortschritte in der Humanmedizin

Doch es geht den Forschern auch um Fortschritte in der Humanmedizin: "Die Kartierung der verschiedenen Zelltypen im Gehirn und das Verständnis ihrer Zusammenarbeit werden uns letztendlich dabei helfen, neue Therapien zu entdecken, die auf einzelne Zelltypen abzielen, die für bestimmte Krankheiten relevant sind", sagt Bing Ren von der University of California. Ren ist der Seniorautor der Studie von Li und Kollegen.

Weitere Forschungsarbeiten betrafen die Entwicklung des menschlichen Gehirns vom frühen Embryonalstadium an. Diese Forschung brachte dem Team von Sten Linnarsson vom schwedischen Karolinska Institut auch neue Erkenntnisse über das Glioblastom, einen der aggressivsten Hirntumoren. Demnach ähneln die Tumorzellen unreifen Stammzellen, die versuchen, ein Gehirn zu bilden, allerdings auf völlig unorganisierte Weise.

Die Lernfähigkeit des Gehirns

Das menschliche Gehirn ist das komplizierteste Organ, das die Natur je hervorgebracht hat: 100 Milliarden Nervenzellen und ein Vielfaches davon an Kontaktpunkten verleihen ihm Fähigkeiten, an die kein Supercomputer bis heute heranreicht. Eine der wichtigsten Eigenschaften ist seine Lernfähigkeit.

Bis vor wenigen Jahren galt unter Wissenschaftlern als ausgemacht: Das Gehirn eines Erwachsenen verändert sich nicht mehr. Heute weiß man jedoch, dass das Gehirn bis ins hohe Alter laufend umgebaut wird. Manche Neurobiologen vergleichen es sogar mit einem Muskel, der trainiert werden kann. Die Vorstellung, dass das Gehirn ein Leben lang lernfähig bleibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht unbestritten. Anders hätte der Mensch die vielfältigen Herausforderungen, denen er im Laufe eines Lebens begegnet, auch gar nicht bewältigen können. So können wir bis ins hohe Alter eine Fremdsprache und Yoga lernen, uns Gesicht und Stimme eines neuen Arbeitskollegen merken oder den Weg zu einer neuen Pizzeria.

Viele Wissenschaftler bezweifeln aber, dass Gehirnjogging-Übungen die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Sie gehen davon aus, dass sich der Trainingseffekt nur auf die unmittelbar trainierte Aufgabe auswirkt.

Aktuelle Forschungsfelder

Wissenschaftler können die Gehirnaktivität eines Menschen durch EEG-Signale mitlesen. Doch welche Signale gehören zu welchen Denkvorgängen? Bernhard Schölkopf und sein Team wollen diesen Code entschlüsseln und leistungsfähige Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickeln.

Synapsen übertragen nicht nur elektrische Signale von einer Nervenzelle zur nächsten, sie können die Intensität des Signals auch verstärken oder abschwächen. Kann künstliche Intelligenz Krankheiten erkennen? Welche Nervenzellen im Gehirn kommunizieren miteinander - und warum? Um das zu verstehen, kartografiert Moritz Helmstaedter das ‚soziale Netzwerk‘ im Gehirn, das unser Denken, Fühlen und Handeln steuert. Wie altert unser Gehirn? Und welchen Einfluss haben Infektionskrankheiten wie Corona? Dazu forscht Anne Schäfer vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns.

Lernen findet an den Synapsen statt - also den Orten, an denen die elektrischen Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass Synapsen die Effektivität der Übertragung variieren können. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als synaptische Plastizität. So kann eine Synapse durch einen Vorgang namens Langzeitpotenzierung (LTP) verstärkt werden, indem sie mehr Botenstoff ausschüttet oder mehr Botenstoffrezeptoren bildet.

Die Übertragung von Signalen kann aber nicht nur verstärkt oder abgeschwächt werden, sie kann auch überhaupt erst ermöglicht oder völlig gekappt werden. So wissen Neurowissenschaftler heute, dass Synapsen selbst im erwachsenen Gehirn noch komplett neu gebildet oder abgebaut werden können. An wenigen Stellen wie zum Beispiel im Riechsystem können sogar zeitlebens neue Nervenzellen gebildet werden. Es ist also nicht übertrieben, wenn man sagt: Unser Gehirn gleicht zeitlebens einer Baustelle.

Stärkung und Schwächung, Auf- und Abbau - die Stärke, mit der Signale zwischen Nervenzellen übertragen werden, wird laufend angepasst. Etwas vereinfacht könnte man sich also vorstellen, dass die Signalübertragung verstärkt wird, wenn das Gehirn etwas speichert - und abgeschwächt wird, wenn es vergisst. Ohne die Plastizität würde dem Gehirn folglich etwas Fundamentales fehlen: seine Lernfähigkeit.

Mit dem Lernen verhält es sich wie mit dem Sport: Je mehr eine bestimmte Fähigkeit gefordert wird, desto effektiver wird sie erledigt. Wer beispielsweise Taxi fährt, muss sich gut orientieren und Routen merken können. Durch die tägliche Arbeit wird so das Ortsgedächtnis immer besser. Das hinterlässt auch Spuren im Gehirn, zum Beispiel im Gehirn Londoner Taxifahrer: Forscher haben herausgefunden, dass in ihrem Gehirn der Hippocampus - ein für das Ortsgedächtnis zentrale Region im Gehirn - über die Jahre größer wird. Offenbar braucht ein derart trainiertes Orientierungsvermögen auch mehr Raum!

Seine Plastizität hilft dem Gehirn zudem, Schäden zumindest teilweise zu reparieren. Sterben beispielsweise bei einem Schlaganfall Nervenzellen ab, können benachbarte Hirnregionen die Aufgaben des betroffenen Gebiets zum Teil übernehmen. Am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben Forscher herausgefunden, dass das Gehirn so die Schäden nach einem Schlaganfall zum Teil kompensieren kann.

Die Verschaltung innerhalb des Gehirns

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist die Verschaltung innerhalb des Gehirns. Das menschliche Gehirn lässt sich nach verschiedenen Kriterien untergliedern. Entwicklungsgeschichtlich beispielsweise besteht es wie das aller Wirbeltiere aus dem End-, Zwischen-, Mittel-, Hinter- und Markhirn, auch als Tel-, Di-, Mes-, Met- und Myelencephalon bezeichnet. Besonders auffällig ist die zum Endhirn gehörende sogenannte Großhirnrinde, der sogenannte Kortex. Sie ist im Laufe der Evolution so stark gewachsen, dass sie fast das gesamte Gehirn umgibt. Die Großhirnrinde ist Sitz vieler höherer geistiger Fähigkeiten. Einzelne Bereiche haben dabei unterschiedliche Aufgaben. So sind manche Areale darauf spezialisiert, Sprache zu verstehen, Gesichter zu erkennen oder Erinnerungen abzuspeichern. In der Regel ist aber keine Region allein für eine bestimmte Fähigkeit verantwortlich, sondern nur im Zusammenspiel mit anderen.

Welche Gehirngebiete miteinander verbunden sind, untersuchen Wissenschaftler mithilfe der sogenannten Magnetresonanztomografie (MRT). Mit dieser Technik können sie die zu Fasersträngen gebündelten Fortsätze von Nervenzellen sichtbar machen, die die Areale der Großhirnrinde miteinander verbinden. Auf diese Weise haben Sprachforscher beispielsweise eine für das Sprachvermögen zentrale Gehirnregion entdeckt: den sogenannten Fasciculus Articuatus. Ohne dieses Nervenfaserbündel können Kleinkinder keine komplexen Sätze bilden und verstehen. Dies gelingt erst, wenn diese Verbindung genug entwickelt ist. Bei Menschenaffen hingegen sind diese Nervenfasern zeitlebens schwach ausgebildet. Folglich schaffen die Tiere es trotz jahrelangen Trainings nicht, selbst einfachste Sätze zu bilden - und das, obwohl andere erforderliche Hirnareale sowie anatomische Voraussetzungen zum Sprechen durchaus vorhanden sind.

Mit einer Variante dieser Technik, der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomografie, können Wissenschaftler zwischen aktiven und nicht aktiven Gehirnregionen unterscheiden. Damit haben sie viel über den Aufbau und die Funktionsweise des Gehirns gelernt. So haben Max-Planck-Forscher aus Leipzig herausgefunden, warum bei Menschen, die stottern, ein Ungleichgewicht zwischen der Hirnaktivität von linker und rechter Großhirnhälfte auftritt: Innerhalb des überaktiven rechten Netzwerkes haben sie eine Faserbahn entdeckt, die bei den Betroffenen deutlich stärker ausgebildet ist, als bei Menschen ohne Sprechprobleme.

Die Entschlüsselung des Konnektoms

Einen exakten Schaltplan des Gehirns lässt sich jedoch mit der MRT-Technik nicht erstellen, dafür ist die Genauigkeit der Methode nicht hoch genug. Schließlich sitzen bis zu 10.000 Synapsen auf einer Nervenzelle, 100 Billionen sind es insgesamt. Dies zeigt, wie dicht das Kommunikationsnetz im Gehirn ist. In diesem Netz können einerseits benachbarte Nervenzellen miteinander verknüpft sein, andererseits auch Zellen, die weit voneinander entfernt sind.

Die Wissenschaftler entwickeln deshalb neue Methoden, mit denen sie das Konnektom entschlüsseln können. Als Modellfälle dienen ihnen dafür Mäuse: Zuletzt haben sie die Verschaltung von Bereichen der Netzhaut des Auges sowie der Großhirnrinde aufgeklärt und herausgefunden, dass Nervenzellen im sogenannten entorhinalen Kortex der Großhirnrinde wie ein Transistor organisiert sind: Bevor eine Nervenzelle eine andere Zelle aktivieren kann, kontaktiert sie eine hemmende Zelle und wird so in ihrer eigenen Aktivität behindert. Anhand solcher Schaltpläne wollen Wissenschaftler lernen, wie das Gehirn funktioniert. An Max-Planck-Instituten arbeiten sie bereits heute daran, die Prinzipien der Informationsverarbeitung aufzuklären. Derzeit konzentrieren sie sich auf einfacher aufgebaute Gehirne, die weniger Nervenzellen und -fasern besitzen als das Gehirn des Menschen. Mäuse sind ein solcher Modellfall für Neurowissenschaftler. Sie besitzen als Säugetiere ein ähnlich aufgebautes und funktionierendes Gehirn wie der Mensch. Noch einfacher aufgebaut und leichter zu untersuchen ist das Gehirn von Zebrafischen und ihrer Larven. So besitzt das Gehirn einer Fischlarve nicht nur lediglich 100.000 Nervenzellen und damit eine Million Mal weniger als das des Menschen, es ist auch noch nahezu völlig transparent.

Auch Wirbellose können ein Modell für Neurowissenschaftler sein. Ihre Nervenzellen sind zwar sehr klein, dadurch kann ihre Aktivität nicht so leicht gemessen werden. Dafür lassen sich wegen der vergleichsweise einfacheren Architektur die Prinzipien von Verschaltungen zur Wahrnehmung und Verarbeitung von Umweltreizen analysieren. So können Forscher anhand des Gehirns von Fruchtfliegen lernen, wie der Geruch von Nahrung die Fortpflanzung beeinflusst. Durch die Analyse des Sehsystems von Schmeißfliegen wollen sie herausfinden, wie die Insekten Bewegungen so unglaublich schnell wahrnehmen können. Selbst ein so einfach aufgebauter Organismus wie der Fadenwurm C.

Aufbau und Funktion des Gehirns

Das Gehirn (Encephalon) ist der Teil des zentralen Nervensystems, der innerhalb des knöchernen Schädels liegt und diesen ausfüllt. Es besteht aus unzähligen Nervenzellen, die über zuführende und wegführende Nervenbahnen mit dem Organismus verbunden sind und ihn steuern.

Das Gehirnvolumen (Mensch) beträgt etwa 20 bis 22 Gramm pro Kilogramm Körpermasse. Das Gewicht (Gehirn) macht mit 1,5 bis zwei Kilogramm ungefähr drei Prozent des Körpergewichts aus.

Ein Mensch hat ungefähr 100 Milliarden Gehirnzellen, die das zentrale Nervensystem, unser Gehirn, aufbauen und untereinander verknüpft sind. Die Zahl dieser Verknüpfungen wird auf 100 Billionen geschätzt.

Gliazellen und Hirnhäute

Die Nervenzellen im Gehirn sind eingebettet in ein stützendes Gewebe aus Gliazellen. Das Gehirn ist von drei Hirnhäuten umgeben: Dura mater, Arachnoidea und Pia mater.

Fünf Abschnitte des Gehirns

Das menschliche Gehirn lässt sich grob in fünf Abschnitte gliedern:

  • Großhirn (Telencephalon)
  • Zwischenhirn (Diencephalon)
  • Mittelhirn (Mesencephalon)
  • Kleinhirn (Cerebellum)
  • Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata)

Die verschiedenen Anteile der Großhirnrinde übernehmen ganz unterschiedliche Funktionen.

Hirnstamm

Im unteren Schädelbereich befindet sich die Hirnbasis, die - entsprechend der knöchernen Schädelbasis - stärker modelliert ist. Hier liegt der Hirnstamm. Der Hirnstamm ist der stammesgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und besteht aus Mittelhirn, Medulla oblongata und Brücke (Pons).

Graue und weiße Substanz

Die graue Substanz im Gehirn besteht in erster Linie aus Nervenzellkörpern. Der Name kommt daher, dass die Nervenzellen im lebenden Organismus rosa sind, sich nach dessen Tod aber grau verfärben. Aus grauer Substanz bestehen etwa die Großhirnrinde, die Basalganglien, die Kleinhirnrinde und die Hirnnervenkerne. Etwa 80 Prozent der Hirndurchblutung sind für die Versorgung der grauen Substanz notwendig.

Neben der grauen Substanz gibt es noch die weiße Substanz, die aus den Nervenzellfortsätzen, den Nervenfasern (Axonen), besteht. Die weiße Substanz findet sich im Mark von Großhirn und Kleinhirn.

Hirnnerven und Hirndurchblutung

Dem Gehirn entspringen zwölf paarige Nerven, die den Kopf, den Hals und Organe im Rumpf versorgen. Diese Menge kann bis zum 50. Lebensjahr geringfügig schwanken, nimmt aber danach ab (zusammen mit dem Sauerstoff- und Glukoseverbrauch). Zwischen 15 und 20 Prozent des Herzminutenvolumens entfällt auf die Blutversorgung des Gehirns.

In Schlaf- und Wachphasen wird das Gehirn stets etwa gleichermaßen durchblutet. Auch bei Blutdrucksteigerungen, Blutdruckabfall, stark körperlicher Anstrengung oder sogar unregelmäßigem Herzschlag ändert sich die Durchblutung des Gehirns kaum - außer, wenn der systolische Blutdruck stark abfällt (unter 70 mmHg) oder stark ansteigt (über 180 mmHg).

Die Blutversorgung des Gehirns erfolgt über die rechte und linke innere Halsschlagader (Arteria carotis interna), die aus der gemeinsamen Halsschlagader (Arteria communis) entspringen, und über die Arteria vertebralis, die aus den Wirbelkörpern kommt und durch das Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle eintritt. Durch weitere Arterien werden diese zu einem Gefäßring (Circulus arteriosus cerebri) geschlossen, der die Basis des Zwischenhirns umfasst.

Durch diesen Gefäßring wird sichergestellt, dass der Blutbedarf des empfindlichen Gehirns auch bei Schwankungen in der Blutzufuhr immer ausreichend ist. Der Gefäßring und seine Äste liegen zwischen zwei Hirnhäuten (der Spinngewebshaut und der inneren Hirnhaut) im sogenannten Subarachnoidalraum und sind dort von Liquor (Hirn-Rückenmarksflüssigkeit) umgeben, der die dünnwandigen Gefäße schützt.

Liquor und Ventrikelsystem

Der Liquor ist die Flüssigkeit, welche das Gehirn und auch das Rückenmark schützend umgibt. Das Gehirn weist mehrere Hohlräume (Hirnkammern) auf, in denen der Liquor zirkuliert und die zusammen das Ventrikelsystem bilden.

Blut-Hirn-Schranke

Das empfindliche Gewebe im Gehirn ist durch die Blut-Hirn-Schranke gegen schädigende Substanzen im Blut (wie Gifte, Krankheitserreger, bestimmte Medikamente etc.) abgeschirmt.

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