Wie Baldrian im Gehirn wirkt: Wirkmechanismus und Anwendung

Eine erholsame Nachtruhe ist für das allgemeine Wohlbefinden unerlässlich. Doch viele Menschen haben Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen. Aktuelle Studien zeigen, dass über 40 % der Erwachsenen in Deutschland von Schlafproblemen betroffen sind. Stress im Alltag und Schlafstörungen gehen oft Hand in Hand und beeinträchtigen das Wohlbefinden vieler Menschen. Bevor eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen wird, können natürliche Lösungen zur Entspannung und Verbesserung des Schlafs hilfreich sein. Eine solche natürliche Lösung ist Baldrian.

Was ist Baldrian?

Baldrian, botanisch als Valeriana officinalis bekannt, ist eine mehrjährige Pflanze, die in Europa, Asien und Nordamerika heimisch ist. Als Arzneipflanze wird der sogenannte Echte Baldrian verwendet. Diese krautige Pflanze wird seit langem als Beruhigungsmittel und Schlafhilfe eingesetzt. Schon Hippokrates wusste: Baldrian beruhigt und fördert den Schlaf. Doch wie genau wirkt diese Heilpflanze?

Inhaltsstoffe und ihre Wirkung

Die Wurzel der Baldrianpflanze enthält eine Vielzahl von Verbindungen, die für ihre beruhigenden Eigenschaften verantwortlich gemacht werden. Baldrianwurzeln werden normalerweise in einem zweijährigen Zyklus geerntet, da die Wirkstoffe in der Wurzel im zweiten Jahr am stärksten ausgeprägt sind. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen gehören:

  • Ätherische Öle (insbesondere Bornylacetat, β-Caryophyllen, Valeranon, Valerenal, Bornylisovalerat und Valerensäure)
  • Sekundäre Pflanzenstoffe wie Iridoide (Valepotriate)
  • Lignane
  • Alkaloide

Es wird angenommen, dass die in der Pflanze enthaltenen Verbindungen auf verschiedene Neurotransmitter im Gehirn einwirken, insbesondere auf GABA (Gamma-Aminobuttersäure), einen Neurotransmitter, der beruhigende Effekte hat. Aus klinischen Studien ist bekannt, dass die Inhaltsstoffe mit bestimmten Andockstellen eines Botenstoffes (GABA-Rezeptoren) in Nervenzellen wechselwirken. Dieses Zusammenspiel zwischen den Bestandteilen und bestimmten Rezeptoren innerhalb der Nervenzellen im Gehirn soll den beruhigenden Effekt hervorrufen. Die entspannende und entkrampfende Wirkung von Baldrian ist medizinisch anerkannt.

Die Rolle von Adenosin

Im Gehirn wirken verschiedene Stoffe schlaffördernd. Dabei gibt es auch noch ein ganz anderes "Müdigkeits-Molekül", das Adenosin: Adenosin induziert Schlaf. Adenosin ist ein natürlich vorkommendes Nukleosid, das im Körper eine wichtige Rolle bei der Energieübertragung spielt. Zellen verbrauchen große Mengen an Energie, die ihm in Form von ATP zur Verfügung stehen. Wenn Energie benötigt wird, werden die Phosphatgruppen abgespalten. Am Ende sammelt sich Adenosin im Gehirn an. Die schlaffördernde Wirkung kommt durch die Bindung von Adenosin an so genannte A1-Rezeptoren zustande. Die Adenosin-Konzentration steigt bei Energiemangel. Eine erhöhte extrazellulären Adenosinkonzentration geht einher mit dem Bedürfnis nach erholsamen Schlaf. Durch den Schlaf können die Energiereserven des Gehirns wieder aufgefüllt werden.

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Es wurde festgestellt, dass Baldrianextrakt an Adenosin-Rezeptoren binden kann. Versuche mit gentechnisch produzierten menschlichen Rezeptoren ergaben ein ähnliches Ergebnis. Welcher Inhaltsstoff an die Rezeptoren andockt, wussten die Bonner damit aber noch nicht. Die Forscher von der Lahn hatten nachgewiesen, dass Baldrian verschiedene Verbindungen aus der Gruppe der Lignane enthält. Lignane sind Naturstoffe, die in vielen höheren Pflanzen vorkommen. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Dr. Britta Schumacher dröselte Müller die Lignan-Fraktionen weiter auf. Adenosin selbst eignet sich nicht als Beruhigungsmittel, denn es wird innerhalb von Sekunden abgebaut. Stabile Adenosin-Derivate sind ebenfalls problematisch: Da es im Herzmuskel auch A1-Rezeptoren gibt, allerdings viel weniger als im Gehirn, können sie zu einer Herzmuskellähmung führen. "Unser Lignan ist dagegen ein partieller Agonist, das heißt, es entfaltet nur bei der hohen Rezeptordichte im Gehirn seine Wirkung", erklärt die Professorin.

Beeinflussung des Schlaf-Wach-Rhythmus

Pharmazeuten der Universität Bonn haben einen Inhaltsstoff identifiziert, der wahrscheinlich für den sedierenden Effekt mitverantwortlich ist. Die Substanz aus der Gruppe der Lignane bindet an bestimmte Rezeptoren im Gehirn, die den Wach-Schlaf-Rhythmus steuern. Koffein wirkt auf den selben Rezeptortyp, bewirkt allerdings das Gegenteil.

Anwendung von Baldrian

Baldrian wird traditionell zur Behandlung von Schlafstörungen, Angstzuständen und Stress eingesetzt. Er kann auch bei nervöser Unruhe, Spannungskopfschmerzen und Muskelverspannungen hilfreich sein. Am bekanntesten ist wohl der Einsatz als natürliches Schlafmittel, und viele Menschen nehmen Baldrian als natürliche Alternative zu verschreibungspflichtigen Schlafmitteln ein. Studien haben gezeigt, dass Baldrianpräparate die Schlafqualität verbessern und die Einschlafzeit verkürzen können.

Darreichungsformen und Dosierung

Baldrian ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich, darunter:

  • Tee
  • Tinkturen
  • Kapseln
  • Extrakte
  • Dragees
  • Tabletten
  • Sprays
  • Badezusatz

Die Dosierung kann je nach Produkt variieren, daher ist es wichtig, die Anweisungen auf der Verpackung zu lesen, den Arzt beziehungsweise die Ärztin oder in der Apotheke um Rat zu fragen. Empfehlenswert ist deshalb eine Beratung in der Apotheke.

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Um Baldrian tagsüber gegen nervöse Anspannung zu nehmen, wird eine Dosierung von bis zu dreimal täglich 400 bis 600 Milligramm Baldrianextrakt empfohlen. Gegen Schlafstörungen ist eine Dosis von 400 bis 600 Milligramm circa 30 bis 60 Minuten vor dem Schlafengehen empfehlenswert, falls nötig auch eine Dosis während des früheren Abends. Die volle Wirkung wird bei regelmäßiger Einnahme erst nach etwa zwei bis vier Wochen erreicht.

Baldriantee

Baldriantee aus der getrockneten und geschnitten Wurzel schmeckt etwas bitter und viele mögen ihn daher nicht. Angenehmer sind Teemischungen in Kombination mit Melisse, Hopfen und Passionsblume. Man nimmt pro Tasse circa einen Teelöffel Baldrianwurzel oder Kräutermischung und lässt den Aufguss zehn Minuten zugedeckt ziehen.

Vollbad mit Baldrian

Wer sich selbst Vollbäder mit Baldrian zubereiten möchte, beginnt damit am besten etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen. Man nimmt 100 Gramm zerkleinerte Wurzeln des Baldrians, gießt sie mit kochendem Wasser auf und lässt den Aufguss zehn Minuten lang ziehen. Dann gibt man ihn ins warme Badewasser und badet darin etwa 15 bis 20 Minuten. Einfacher ist es, Baldriantropfen oder Baldrianöl hinzuzufügen.

Mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Nebenwirkungen von Baldrian sind selten und in der Regel mild, können aber Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel umfassen. Gelegentlich können leichte Magenbeschwerden, Kopfschmerzen oder morgendliche Müdigkeit auftreten. Es ist selten, aber möglich, dass Baldrian bei manchen Menschen eine gegenteilige Wirkung hat und Unruhe oder sogar Schlaflosigkeit verursacht. Das Reaktionsvermögen kann herabgesetzt sein, sodass eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr und das Bedienen von Maschinen beeinträchtigt ist. Es kann auch zu einem Engegefühl in der Brust, Benommenheit oder Händezittern kommen.

Wer Baldrianpräparate und andere Arzneimittel zeitgleich oder kurz hintereinander anwenden möchte, sollte sich dazu vorsichtshalber in der Apotheke oder in der Arztpraxis informieren. Bei der Anwendung mehrerer Wirkstoffe können Wechselwirkungen auftreten - zum Beispiel bei der Kombination verschiedener beruhigender Arzneien. Die Wirkungen und Nebenwirkungen der Präparate können sich dann unter Umständen verstärken oder verändern.

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Baldrian sollte nicht mit anderen Beruhigungs- oder Schlafmitteln kombiniert werden - es sei denn, es wurde mit der Ärztin oder dem Arzt abgestimmt. Wer Baldrian anwendet, sollte keinen Alkohol trinken.

Wann sollte Baldrian nicht angewendet werden?

Schwangere und Stillende sollten Baldrian vorsorglich nicht anwenden, da es nicht ausreichend Studien zur Wirkung gibt. Kinder unter 12 Jahren sollten Baldrian vorsorglich nicht anwenden. Manche Baldrianpräparate sollten erst ab 18 Jahren zum Einsatz kommen. Informieren Sie sich in der Apotheke oder in der Arztpraxis, welche Produkte individuell geeignet sind.

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