In einer globalisierten und digitalisierten Welt, die von Unsicherheit geprägt ist, suchen viele Menschen nach Orientierung in einer Flut von Informationen. Doch das Informationszeitalter hat sich paradoxerweise in ein Zeitalter der Verwirrung verwandelt. Der Wettbewerb der Ideen, der für die Weiterentwicklung freiheitlicher Demokratien unerlässlich ist, droht zu einem Marktplatz für Angst, Wut und Empörung zu werden. Unsere Gehirne sind schlichtweg überfordert mit der Verarbeitung der täglichen Flut von Botschaften.
Das Buch "Wir informieren uns zu Tode" von Gerald Hüther, einem renommierten Hirnforscher, und Robert Burdy, einem erfahrenen Journalisten und Kommunikationsexperten, analysiert dieses Phänomen. Die Autoren beschreiben die konkreten Erscheinungsformen, Ursachen und Auswirkungen dieser Überflutung und zeigen auf, wie wir durch emotional aufgeladene Botschaften manipuliert werden. Sie warnen vor den Gefahren, die daraus für uns und unser Zusammenleben erwachsen.
Die Diagnose: Informationsüberflutung und ihre Folgen
Hüther und Burdy legen den Finger in die Wunde: Wir sind einer Informationsflut ausgesetzt, die uns krank machen, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden und uns die Fähigkeit nehmen kann, zu erkennen, worauf es wirklich ankommt.
Die Zunahme von Angst, Wut und Empörung
Der Wettbewerb der Ideen, den alle freiheitlichen Demokratien für ihre Weiterentwicklung brauchen, ist zum Marktplatz für die Verbreiter von Angst, Wut und Empörung geworden.
Die Überforderung des Gehirns
Unsere Gehirne sind mit einer konstruktiven Verarbeitung der täglichen Flut von Botschaften völlig überfordert.
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Manipulation durch emotionale Botschaften
Die Autoren belegen, wie wir durch emotional aufgeladene Botschaften manipuliert werden und welche Gefahren daraus für uns und unser Zusammenleben erwachsen.
Die Ursachen: Warum informieren wir uns zu Tode?
Hüther und Burdy identifizieren mehrere Ursachen für die Informationsüberflutung und ihre negativen Folgen.
Die Rolle der Massenmedien und digitalen Medien
Die Einführung von Massenmedien wie Zeitschriften, Radio und Fernsehen ermöglichte es Machthabern im letzten Jahrhundert, ihre Propaganda massenhaft zu verbreiten. Mit der Einführung und massenhaften Nutzung digitaler Medien sind wir jetzt in eine Situation geraten, in der wir von lauter widersprüchlichen Nachrichten, Fake-News und Aufmerksamkeit erheischendem Unsinn überflutet werden.
Die Sucht nach Information
Viele Menschen lassen sich absichtlich überfluten, weil sie es für wichtig halten, über das Geschehen in der Welt informiert zu sein. Wir glauben, dass es darauf ankommt, immer so gut wie möglich über alles informiert zu sein. Wir wollen nichts verpassen, möglichst gut Bescheid wissen und sind davon überzeugt, dass wir mit Hilfe unseres Verstandes, also durch die Nutzung unserer kognitiven Fähigkeiten, im Stande sind, die im Leben entstehenden Probleme möglichst gut zu lösen.
Der Verlust der Urteilsfähigkeit
Die um sich greifende Informationsflut führt dazu, dass immer mehr Menschen ihre eigene Urteilsfähigkeit verlieren. Die vielen widersprüchlichen Informationen rauben ihnen den Mut, eine eigene Meinung herauszubilden und diese dann auch offen zu vertreten. Leichter fällt es ihnen, die Meinungen anderer zu teilen, indem sie den „Like Button“ drücken oder einfach nur schweigen.
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Die Kommerzialisierung von Aufmerksamkeit
Was wir heute als Medienwelt vorfinden, ist ein Medienmarkt, auf dem nur eine einzige Währung wirklich zählt: Aufmerksamkeit. Früher münzte sich das in Auflagenhöhen und Einschaltquoten um, heute in Seitenaufrufen und Klicks. Von den „Social Media“ ganz zu schweigen, wo selbst die Aufmerksamkeit instrumentalisiert und in bares Geld umgemünzt wird.
Die Beschleunigung der Medien
Medien haben sich ja noch dazu massiv beschleunigt. Das ging mit dem Radio los und mit dem Fernsehen weiter. Die Zeitspanne zwischen Ereignis und Berichterstattung schrumpfte immer weiter. Und damit auch die Vorstellung von dieser Welt. Das Internet hat die Reaktionsspanne zwischen Vorfall und Nachrichtensturm sogar auf Sekunden reduziert. Eine Zeitspanne, innerhalb derer seriöser Journalismus, der wenigstens Quellen und Hintergründe recherchiert, nicht mehr möglich ist.
Der Lösungsvorschlag: Rückbesinnung und Mut zur Unmündigkeit
Hüther und Burdy plädieren für eine konsequente Rückbesinnung auf das, was wir für ein friedvolles und glückliches Leben brauchen, und wie wir unser künftiges Zusammenleben gemeinsam gestalten wollen.
Rückbesinnung auf das Wesentliche
Wir müssen uns wieder auf das besinnen, was uns wirklich wichtig ist: unsere Beziehungen, unsere Gesundheit, unsere Kreativität, unsere Verbundenheit mit der Natur.
Mut zur Unmündigkeit
Wir müssen den Mut haben, unseren Verstand zu nutzen und uns nicht von der Informationsflut überwältigen zu lassen. Es geht um das Wiederfinden des Mutes, das, was man spürt, was man empfindet und was man für wichtig hält, dann auch mutig zu vertreten.
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Verbindung von Kognition und Berührbarkeit
Wir müssten unsere kognitiven Kompetenzen mit einer anderen, ebenso wichtigen Kompetenz untrennbar verbinden, die wir seit der Aufklärung sträflich vernachlässigt haben. Ich nenne es gern unsere Berührbarkeit. Wir müssten lernen, uns wieder in unserem Inneren berühren zu lassen. Wir müssten lernen, dass wir die Welt nicht ständig weiter in ihre Einzelteile zerlegen können, um sie dann für uns zu nutzen. Wir müssten unsere eigene Eingebundenheit in diese Welt nicht nur kognitiv verstehen, sondern sie auch wirklich selbst, am eigenen Leib erleben. Statt alles, was lebt für unsere Zwecke zu nutzen, müssten wir uns mit diesem Lebendigen, auch mit unserer eigenen Lebendigkeit, verbunden fühlen.
Selbstbestimmung und Autonomie
Wer den Drang in sich verspürt, sich in diesen sozialen Netzwerken darzustellen oder dort möglichst viel Zustimmung und Anerkennung zu finden, ist ja ein Bedürftiger oder eine Bedürftige. Wem es gelungen ist, diese beiden Grundbedürfnisse im realen Leben, im Zusammenleben mit anderen zu stillen, braucht das nicht mehr ersatzweise vor einem Monitor.
Die Rolle der Medien
Die Autoren fordern eine Medienwelt, die nicht nur auf Aufmerksamkeit, sondern auch auf Qualität, Verantwortung und Wahrheit ausgerichtet ist.
Kritik am Buch
Obwohl "Wir informieren uns zu Tode" wichtige Denkanstöße liefert, wurde das Buch auch kritisiert. Einige Rezensenten bemängeln, dass sich die Leser:innen bald selbst in einer gewissen „Verwirrung“ befinden, angesichts der Vielfalt der gebotenen Argumentationsstränge. Leider verrennen sich die Autoren oft selbst in ihrer „Reise“ (so im Nachwort) auf dem Befreiungsversuch für verwickelte Gehirne, die Leser:innen werden es oft schwer haben, ihnen dabei mehr als phasenweise zu folgen.
Fazit
"Wir informieren uns zu Tode" ist ein aufrüttelndes Buch, das uns dazu anregt, unseren Umgang mit Informationen zu überdenken. Es zeigt uns die Gefahren der Informationsüberflutung auf und bietet Lösungsansätze, wie wir uns aus dem Teufelskreis befreien können. Es ist ein Plädoyer für mehr Selbstbestimmung, Achtsamkeit und Verbundenheit in einer zunehmend komplexen Welt.