Opiate und ihre Wirkung an der Synapse: Mechanismen, Folgen und therapeutische Aspekte

Opiate, Substanzen gewonnen aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum), sind seit Jahrhunderten bekannt für ihre schmerzlindernden und beruhigenden Eigenschaften. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Medizin, insbesondere bei der Behandlung starker Schmerzen. Allerdings bergen sie auch ein hohes Suchtpotenzial und können bei unsachgemäßer Anwendung schwerwiegende gesundheitliche und soziale Folgen haben. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkmechanismen von Opiaten an der Synapse, die Entstehung von Toleranz und Abhängigkeit, sowie therapeutische Strategien und Risiken im Umgang mit diesen Substanzen.

Was sind Opiate? Definition und Beispiele

Opiate sind natürliche Verbindungen, die aus dem Milchsaft des Schlafmohns gewonnen werden. Zu den wichtigsten Vertretern gehören Morphin, Codein und Thebain. Im Unterschied dazu stehen Opioide, die halbsynthetisch oder vollsynthetisch hergestellt werden und an denselben Rezeptoren wirken. Opiate sind somit die naturbelassenen Wirkstoffe des Opiums.

  • Morphin: Das stärkste natürliche Opiat, eingesetzt zur Behandlung starker Schmerzen nach Operationen, bei Tumoren oder schweren Verletzungen. Es dient als Referenzstandard für andere Schmerzmittel.
  • Codein: Wird meist als Hustenstiller oder leichtes Schmerzmittel verschrieben. Seine Wirkung ist schwächer als die von Morphin, dafür ist das Suchtpotenzial geringer.
  • Thebain: Ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung weiterer Wirkstoffe.

Wirkmechanismus von Opiaten an der Synapse

Opiate entfalten ihre Wirkung im Körper durch die Bindung an spezifische Rezeptoren, die sogenannten Opioidrezeptoren. Diese Rezeptoren gehören zu den µ-, δ- und κ-Rezeptoren und sind in verschiedenen Bereichen des Gehirns und des Nervensystems lokalisiert. Sie funktionieren wie molekulare Andockstellen für körpereigene Opioidpeptide wie Endorphine.

Die Bindung von Opiaten an diese Rezeptoren führt zu einer Hemmung der Weiterleitung von Schmerzsignalen und löst gleichzeitig ein Gefühl von Wohlbefinden aus. Dies erklärt die extreme Schmerzlinderung bei gleichzeitigem Suchtpotenzial.

Präsynaptische Wirkung

Morphin bindet an Opioidrezeptoren in der präsynaptischen Membran von Nervenzellen der Schmerzbahn. Dadurch wird die Freisetzung von Neurotransmittern wie Glutamat und Substanz P gehemmt, was die Erregungsweiterleitung zwischen Nervenzellen der Schmerzbahn einschränkt und das Schmerzempfinden des Patienten senkt.

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Postsynaptische Wirkung

Opiate können auch postsynaptisch wirken, indem sie die Erregbarkeit der Nervenzelle reduzieren. Dies geschieht durch die Aktivierung von Kaliumkanälen, was zu einer Hyperpolarisation der Zelle führt.

Toleranzentwicklung und Abhängigkeit

Bei länger andauernder Einnahme von Opiaten kann es zu einer Toleranzentwicklung kommen. Das bedeutet, dass bei gleicher Dosis des Medikaments zunehmend weniger schmerzunterdrückende Wirkung erreicht wird. Um trotzdem eine Wirkung zu erzielen, muss die Dosis erhöht werden, was zur Abhängigkeit von Opiaten führen kann.

Zelluläre Mechanismen der Toleranzentwicklung

Hohe Opiatdosierungen führen dazu, dass das G-Protein vom Rezeptor intrazellulär abgekoppelt wird. Ein weiterer Effekt der lang anhaltenden, hochdosierten Erregung ist, dass Opiatrezeptoren komplett von der Zelloberfläche verschwinden. In Folge dessen wird mehr Opiat benötigt, um die restlichen Rezeptoren, die auf der postsynaptischen Seite liegen, erregen zu können.

Entzugserscheinungen

Wird Morphin abrupt abgesetzt, treten Entzugserscheinungen auf, wie z. B. das Empfinden starker Schmerzen ohne entsprechend starke Schmerzreize. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Körper sich an die ständige Zufuhr von Opiaten angepasst hat und nun ohne diese Substanzen nicht mehr richtig funktionieren kann.

Therapeutische Anwendung von Opiaten

Opiate werden in der Medizin hauptsächlich zur Behandlung von starken Schmerzen eingesetzt. Sie sind ein fester Bestandteil des WHO-Stufenschemas zur Schmerztherapie. Weitere Anwendungsgebiete sind:

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  • Schmerzlinderung: Unangefochten das wichtigste Anwendungsgebiet.
  • Hustenstillende Wirkung: Codein wird besonders als Hustenblocker bei trockenem Husten verschrieben.
  • Substitutionstherapie: Bei Opiatabhängigkeit, z.B. mit Methadon oder Buprenorphin.

Die Anwendung von Opiaten unterliegt strengen gesetzlichen Regelungen. Sie müssen immer ärztlich verschrieben und gut überwacht werden, da die Risiken (z. B. Atemdepression, Abhängigkeit) erheblich sind.

Risiken und Nebenwirkungen

Neben der Gefahr der Toleranzentwicklung und Abhängigkeit können Opiate auch eine Reihe von Nebenwirkungen verursachen, darunter:

  • Übelkeit und Erbrechen
  • Verstopfung
  • Müdigkeit und Sedierung
  • Atemdepression
  • Bewusstlosigkeit (bei Überdosierung)

Besonders der missbräuchliche Konsum von Opiaten (z.B. Heroin, hohe Morphindosen) ist mit massiven Risiken verbunden: Bei Injektionen drohen Infektionen (HIV, Hepatitis), Abszesse oder Blutvergiftungen.

Opiat-induzierte Hyperalgesie

Ein paradoxes Phänomen bei der Langzeitanwendung von Opiaten ist die Opiat-induzierte Hyperalgesie (OIH). Dabei kommt es zu einer Schmerzverstärkung, anstatt einer Schmerzlinderung. Die genauen Mechanismen der OIH sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird vermutet, dass eine Sensibilisierung des zentralen Nervensystems eine Rolle spielt.

NMDA-Rezeptoren und Opiat-induzierte Hyperalgesie

NMDA-Rezeptoren spielen eine zentrale Rolle bei der Opiat-induzierten Hyperalgesie. Wenn Opiatrezeptoren stark erregt werden, können NMDA-Rezeptoren über die Proteinkinase C (PKC) phosphoryliert werden. Das bedeutet eine erhöhte Aktivierung. Je länger und je mehr Opiat verabreicht wird, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur die analgetische Wirkung nachlässt, sondern auch, dass eine Langzeitpotenzierung ausgelöst wird.

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Behandlung der Opiat-induzierten Hyperalgesie

Eine Möglichkeit zur Behandlung der Opiat-induzierten Hyperalgesie ist die Blockade der NMDA-Rezeptoren. Dies kann beispielsweise mit Ketamin erreicht werden. Studien haben gezeigt, dass die Gabe von Ketamin vor einem starken Schmerzreiz das Rückenmark vor einer Langzeitpotenzierung schützt.

Gesellschaftliche Aspekte und Mythen

Opiate können in der Medizin Segen sein - in den falschen Händen entwickeln sie sich jedoch zum Treiber sozialer Krisen. Auf individueller Ebene bedeutet Abhängigkeit häufig soziale Ausgrenzung, Arbeitsplatzverlust, Beschaffungskriminalität oder Verwahrlosung. Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis) verbreiten sich besonders unter Nutzern, die Drogen injizieren.

Rund um Opiate kursieren zahlreiche Mythen - von der angeblich direkten Suchtgefahr durch Mohnbrötchen bis zur völligen Ablehnung in der Medizin. Es ist wichtig, diese Mythen zu entkräften und eine informierte Diskussion über den verantwortungsvollen Umgang mit Opiaten zu fördern.

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