Verlust der Sprache: Ursachen und Behandlung von Aphasie nach einem Schlaganfall

Ein Schlaganfall kann verheerende Folgen haben, und eine davon ist Aphasie, eine Sprachstörung, die das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben beeinträchtigen kann. In vielen Fällen kündigt sich ein Schlaganfall nicht aus heiterem Himmel an, sondern wird durch Warnzeichen angekündigt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von Aphasie, insbesondere im Zusammenhang mit Schlaganfällen.

Warnzeichen eines Schlaganfalls

In bis zu 40 % aller Schlaganfall-Patienten treten im Vorfeld eines Schlaganfalls Warnzeichen auf. Diese Symptome beginnen immer plötzlich und können einige Minuten oder Stunden andauern, um anschließend wieder abzuklingen. Zu diesen Warnzeichen gehören:

  • Kurz andauernde Lähmung, Schwäche oder Taubheit einer Körperhälfte
  • Kurzes Erblinden auf einem Auge (Amaurosis fugax) oder Sehstörungen (Doppelbilder sehen, Einschränkung des Gesichtsfeldes)
  • Kurzzeitige Sprachstörungen (d. h. Probleme, Sprache zu verstehen oder Störung der Sprachfähigkeit)
  • Drehschwindel, Gangunsicherheit, Gleichgewichtsstörungen, plötzliche Stürze
  • Erstmals und plötzlich auftretende, extrem starke Kopfschmerzen
  • Vorübergehende Bewusstseinsstörungen oder Desorientierung in Bezug auf Raum, Zeit oder Personen

Patienten mit solchen Warnzeichen sollten, auch wenn sie schon wieder abgeklungen sind, unverzüglich in ein Krankenhaus gebracht werden. Schnelligkeit ist hier das oberste Gebot. Eine sofortige ärztliche Behandlung kann unter Umständen einen weiteren oder bleibenden Schlaganfall verhindern oder zumindest seine Folgen begrenzen. Befindet sich eine „Stroke Unit“ in der Nähe, sollte der Patient vorzugsweise dort ärztlich behandelt werden.

Was ist Aphasie?

Der Begriff "Aphasie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "keine Sprache" und wird manchmal auch mit Sprachlosigkeit oder Sprachverlust übersetzt. Medizinisch versteht man darunter eine durch Krankheit erworbene Sprachstörung. Ursache einer Aphasie ist immer eine Erkrankung des Gehirns. Eine Aphasie beeinträchtigt das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben.

Ursachen von Aphasie

Häufigste Ursache für Aphasien ist ein Schlaganfall. Der Begriff „Aphasie“ bedeutet übersetzt soviel wie „Verlust der Sprache“. Patienten und Patientinnen verlieren ihre Sprachfähigkeit aufgrund einer Hirnschädigung. In den meisten Fällen ist ein vorausgegangener Schlaganfall dafür verantwortlich. Die Verletzungen im Gehirn können aber auch durch einen Tumor oder eine Hirnblutung entstehen. Manchmal bildet sich eine Aphasie aufgrund einer Demenz.

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Weitere Ursachen für eine Aphasie sind:

  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Tumoren
  • Hirnblutungen
  • Entzündungen
  • Weitere Erkrankungen des zentralen Nervensystems

Symptome und Formen von Aphasie

Die Symptome einer Aphasie können je nach betroffenem Hirnareal und Schweregrad der Schädigung variieren. Es gibt vereinfacht gesagt vier verschiedene Formen der Aphasie.

  • Amnestische Aphasie: Diese leichteste Aphasieform fällt oft erst spät auf. Betroffene zeigen Wortfindungsstörungen in der Spontansprache und beispielsweise beim direkten Benennen von Gegenständen. Amnestische Aphasiker können das in der Regel durch Redefloskeln oder Umschreibungen kaschieren.
  • Broca-Aphasie: Der Sprachfluss von Menschen mit einer Broca-Aphasie ist oft sehr langsam und wirkt angestrengt. Betroffene sprechen meist in kurzen, einfachen Sätzen oder reihen sogar inhaltstragende Wörter einzeln aneinander - das lässt ihre Sprache technisch, im Telegrammstil, erscheinen. Häufig ist die Sprache von Broca-Aphasikern durch Wortfindungsstörungen erschwert. Ist das Gehirnareal, das sich rund um die Ohren befindet, in Richtung Stirn geschädigt, spricht man von einer Broca-Aphasie. Genau diese Region ist für die Sprachproduktion verantwortlich. Kommt es hier zu Beeinträchtigungen, können Betroffene häufig nur die wichtigsten Wörter eines Satzes sagen.
  • Wernicke-Aphasie: Die Wahl der passenden Wörter, Sätze oder Laute fällt Menschen mit Wernicke-Aphasie oft schwer und auch ihr Sprachverständnis ist meist stark gestört. Wernicke-Aphasiker sind quasi das Gegenteil der Broca-Aphasiker und sprechen in langen Schachtelsätzen, in denen sich Satzteile oder Abschnitte wiederholen. Ist die Verletzung weiter hinten, also Richtung Nacken, dann ist hauptsächlich das Verständnis von Sprache gestört. In dem Fall liegt eine sogenannte Wernicke-Aphasie vor. Betroffene hören das Gesagte zwar, können die Wörter aber nicht sinngemäß verstehen oder nutzen. Sie können auch ihre eigene Sprache schwer wahrnehmen und kontrollieren. Das Ergebnis sind oft lange verschachtelte Sätze mit vielen Wiederholungen darin.
  • Globale Aphasie: Diese Sprachstörung gilt bei Ärztinnen und Ärzten als die schwerste Form der Aphasie. Sprachverständnis wie auch die eigene Sprache sind massiv gestört, ganze Sätze sind selten. Häufig nutzen Global-Aphasiker einzelne Worte und wiederkehrende Halbsätze und Floskeln. Auch ein Wort für sich zu verstehen (ohne aus der Situation zu schließen) fällt Betroffenen schwer. Die Globale Aphasie ist die schwerste Form einer Aphasie. Die Betroffenen können kaum oder gar nicht sprechen. Die Störung beeinträchtigt ebenso das Sprachverständnis und in der Regel auch die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben.

Auswirkungen der Aphasie auf Betroffene

Betroffene fühlen sich oft wie in einem Gefängnis. Sie wissen, was sie sagen möchten, können es aber nicht in Worte fassen. Wenn auch das Lesen, Schreiben und Verstehen von Sprache beeinträchtigt ist, sind gewissermaßen alle Kommunikationskanäle gekappt. Entscheidend ist aber der Schweregrad der Aphasie. Ohne Frage stellt eine Aphasie jedoch grundsätzlich eine große Herausforderung für Betroffene dar. Eine erste Konsequenz kann eine Berufsunfähigkeit sein, denn es gibt kaum einen Job, der ohne Sprache auskommt. Außerdem kann es passieren, dass sich andere von ihnen abwenden. Außenstehende fühlen sich im Umgang mit Aphasikern und Aphasikerinnen oft hilflos und wissen nicht, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Erschwerend kommt für Betroffene hinzu, dass ihre Sprachstörung häufig mit einer Denkstörung gleichgesetzt wird - manche Menschen sprechen mit Aphasikern und Aphasikerinnen wie mit einem Kind. Es ist wichtig zu wissen, dass bei einer Aphasie keine mentale Beeinträchtigung besteht - die Denkprozesse laufen ganz normal ab.

Diagnose von Aphasie

Die Diagnose einer Aphasie erfolgt durch eine umfassende neurologische und sprachliche Untersuchung. Im Rahmen der neurolinguistischen/logopädischen und neuropsychologischen Diagnostik werden die folgenden Bereiche der Sprachfunktion untersucht:

  • Lautstruktur (Phonologie)
  • Wortgestalt (Morphologie)
  • Satzbau (Syntax)
  • Wort- und Satzbedeutung (Semantik)
  • Sprachverständnis
  • Störungen des Lesens (Dyslexie)
  • Störungen des Schreibens (Dysgraphie)
  • Störungen von Sprechbewegungen (Sprechapraxien)
  • Störungen der Artikulation, der Stimmgebung und der Sprechatmung (Dysarthrophonie)

Zudem werden mögliche zusätzliche Einschränkungen folgender Bereiche erfasst:

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  • Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Orientierung
  • Gedächtnis
  • Auditive und visuelle Wahrnehmung
  • Räumlich-konstruktive Störungen
  • Handlungsplanung
  • Rechenfähigkeit
  • Antrieb und psychomotorisches Tempo
  • Stimmung und Affektivität

Behandlung von Aphasie

Das Gehirn beginnt sich nach Erkrankung oder Schädigung neu zu organisieren - und das bietet auch Chancen für einen guten Verlauf der Aphasie. Die Deutsche Schaganfallhilfe gibt an, dass sich die Beeinträchtigungen von Schlaganfallpatienten mit Aphasie in etwa einem Drittel der Fälle binnen der ersten vier Wochen normalisieren und die Fähigkeiten der Sprache dementsprechend wieder zurückgewonnen werden können. Wesentliche Ziele der Aphasie-Therapie sind die Reorganisation und Kompensation der Hirnareale - bei der Reorganisation erlernen die früheren Nervenzellen ihre alten Aufgaben wieder. Bei der Kompensation lernen andere Nerven die Aufgaben zu übernehmen. Außerdem sollen Betroffene ihre Fähigkeiten aufbauen und zum Sprechen und sozialem Kontakt animiert werden. Die Therapie einer Aphasie ist Aufgabe von Sprachtrainern, sogenannten Logopäden oder Patholinguisten. Noch in der Stroke-Unit (Spezialstation für Schlaganfall-Betroffene) beginnen sie mit dem Training - je nach Schaden durch den Schlaganfall kann dabei auch zuerst einmal ein Schlucktraining im Vordergrund stehen. In schweren Fällen von Aphasie (Globale Aphasie) kann auch das Erlernen einer Zeichensprache notwendig sein, damit sich Betroffene überhaupt verständigen können.

Ziel der Aphasietherapie ist es, die Kommunikationsfähigkeit so gut es geht zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis. Gerade in der akuten und subakuten Phase einer Aphasie hat sich gezeigt, dass vor allem eine intensive Sprachtherapie (IST) die Kommunikationsfähigkeit verbessern kann. Aber auch im Krankheitsverlauf, d.h. zu einem späteren Zeitpunkt, sind durch ein ausreichend intensives Training Besserungen der Symptome einer Aphasie möglich.

Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen:

  • Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie
  • Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis)
  • Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen)
  • Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten)
  • Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder)

Technische Entwicklungen erleichtern Therapeuten die Behandlung und Betroffenen ihren Alltag. Dazu gehören beispielsweise Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica und spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware. Studien wie die Big-CACTUS-Studie von 2019 zeigen, dass Patienten mit Sprachapps und Sprachsoftware zur Aphasie-Behandlung größere Fortschritte erzielen als ohne die Übungen.

Tipps zum Umgang mit Aphasikern

  • Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
  • Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“
  • Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
  • Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
  • Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
  • Insbesondere bei den ausgeprägten Formen einer Aphasie versuchen Sie Fragen vorzugsweise so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
  • Korrigieren Sie nicht.
  • Halten Sie Blickkontakt.
  • Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
  • Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
  • Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
  • Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
  • Manche Betroffene sind leichter gereizt oder haben Gefühlsschwankungen. Hierbei handelt es sich um häufige Begleitsymptome der Grunderkrankung. Versuchen Sie dennoch verständnisvoll und geduldig zu sein.

Selbsthilfe

Vielen Aphasiker*innen und ihren Angehörigen hilft der Austausch mit anderen Betroffenen, wir er beispielsweise in Selbsthilfegruppen möglich ist.

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