Wo sitzt die Hypophyse im Gehirn: Anatomie und Funktion

Die Hypophyse, auch Hirnanhangsdrüse genannt, ist eine kleine, aber entscheidende Hormondrüse im Gehirn. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung lebenswichtiger Körperfunktionen, indem sie Hormone produziert und freisetzt, die andere Drüsen und Organe beeinflussen.

Einführung in die Hypophyse

Die Hypophyse ist die Schnittstelle zwischen dem endokrinen System und dem Nervensystem. Sie ist eine wichtige Hormondrüse im Gehirn, die fast alle wichtigen Hormone, die in der Körperperipherie vorkommen, zum Teil produziert und sezerniert, zum Teil auch nur gespeichert und dann abgegeben. Die Hypophyse wird auch als Hirnanhangsdrüse oder Glandula pituitaria bezeichnet. Sie steuert wichtige Körperfunktionen, vor allem über eine essentielle Beteiligung am Hormonsystem.

Anatomische Lage und Struktur der Hypophyse

Die Hypophyse liegt an der Unterseite des Gehirns, grob in der Mitte des Kopfes und dabei ungefähr zwischen den Augen. Sie befindet sich in der Hypophysengrube, der Vertiefung des Türkensattels (Sella turcica) im Schädelknochen. Mit ihrem trichterförmigen Stiel (Infundibulum) hängt die Hypophyse am Boden des Zwischenhirns, genauer gesagt am Hypothalamus. Flankiert wird sie außerdem von Teilen des "Sinus cavernosus", das zentrale venöse Abflusssystem um das Gehirn herum. Die Hypophyse ist ungefähr so groß wie eine Erbse und wiegt durchschnittlich 0,6 Gramm.

Die Hypophyse besteht aus zwei Hauptteilen:

  • Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen, HVL): Enthält Drüsengewebe und ist hormonaktiv. Sie macht etwa drei Viertel des Organs aus.
  • Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen, HHL): Enthält Nervengewebe (Nervenfasern und Neuroglia) und ist für die Speicherung und Freisetzung von Hormonen verantwortlich, die im Hypothalamus produziert werden.

Zwischen Vorder- und Hinterlappen der Hypophyse befindet sich ein kleiner Zwischenlappen (Pars intermedia).

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Entwicklung der Hypophyse

Die Hypophyse entwickelt sich aus zwei verschiedenen embryonalen Ursprüngen:

  • Die Adenohypophyse entsteht aus der sogenannten Rathke-Tasche, einer Ausstülpung des embryonalen Mundhöhlendachs.
  • Die Neurohypophyse entsteht als Ausstülpung des Zwischenhirns.

Funktionelle Verbindung zum Hypothalamus

Der Hypothalamus ist eine evolutionsgeschichtlich alte Hirnregion und die übergeordnete Steuerungseinheit, die Informationen aus der Umwelt, dem Körper und dem zentralen Nervensystem (ZNS) verarbeitet und steuert. Er liegt im Bereich des Dienzephalons und ist bereits im 5 Wochen alten Embryo entwickelt. Der Durchmesser misst beim Erwachsenen 2,5 cm. Begrenzt wird der Hypothalamus im anterioren Bereich durch das Chiasma opticum und kaudal durch den Thalamus. Medial bildet er Anteile der Wand und des Bodens des 3. Ventrikels.

Der Hypothalamus und die Hypophyse bilden eine funktionelle Einheit, das hypothalamo-hypophysäre System. Der Hypothalamus steuert die Aktivität der Hypophyse über Hormone, die als Releasing-Hormone (Freisetzungshormone) und Inhibiting-Hormone (Hemmhormone) bezeichnet werden. Diese Hormone werden über ein spezielles Blutgefäßsystem, das hypophysäre Pfortadersystem, vom Hypothalamus zur Adenohypophyse transportiert.

In den hypothalamischen Regionen des Nucleus arcuatus (ARC) sowie der Nuclei para- und periventricularis (PVH, PeVH) werden Releasing-Hormone produziert, die im Bereich der Eminentia mediana in das portale Blutgefäßsystem abgegeben werden, das den Hypothalamus mit der Adenohypophyse somit funktionell verbindet. In den Nuclei supraopticus und PVH befinden sich magnozelluläre Neurone, deren Axone in die Neurohypophyse reichen und dort für die Ausschüttung von antidiuretischem Hormon (ADH) und Oxytocin in das periphere Blutgefäßsystem verantwortlich sind. Die Eminentia mediana ist die funktionelle Verbindung zwischen Hypothalamus und Adenohypophyse. Sie besteht aus zahlreichen Nervenendigungen und Blutgefäßen, dem portalen Blutgefäßsystem.

Die Interaktion von neuronalem und endokrinem System, die funktionelle Einheit von ZNS, Hypothalamus und Hypophyse ist die Voraussetzung für die Steuerung vitaler Abläufe und Funktionen. Sie ermöglicht eine physiologische Antwort auf Umwelt und Umgebung und beinhaltet auch die wechselseitige Steuerung von Immunsystem und neuroendokrinem System.

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Hormone der Hypophyse und ihre Funktionen

Die Hypophyse produziert und sezerniert verschiedene wichtige Hormone. Die Sekretion wird durch verschiedene Releasing- (Freigabe-) und Inhibiting- (Hemmungs-) Hormone des Hypothalamus gesteuert.

Hormone des Hypophysenvorderlappens (Adenohypophyse)

  • Somatotropin (STH): Auch Wachstumshormon genannt, wichtig für das normale Längenwachstum. Es fördert das Wachstum und stellt dafür Energie zur Verfügung: Leber und Fettgewebe setzen Fett und Zucker frei. In der Leber und in anderen Geweben werden andere Wachstumsfaktoren wie IGF-1 (Insulin-like growth factor) gebildet, die das Knochenwachstum anregen. Außerdem fördert das Wachstumshormon die Eiweißbildung.
  • Corticotropin (ACTH): Regt die Nebennierenrinde zum Wachstum sowie zur Bildung und Sekretion von Glukokortikoiden an, über die ein indirekter Einfluss auf den Kohlenhydratstoffwechsel besteht. ACTH stimuliert in der Nebennierenrinde die Produktion von Glukokortikoiden. Dieser Effekt wird durch den Melanokortinrezeptor (MCR), einen G-Protein-gekoppelten 7 transmembranäre Domänen umfassenden Rezeptor vermittelt. Bisher wurden 5 Subtypen beschrieben.
  • Thyreotropin (TSH): Steuert die Funktion der Schilddrüse. TSH gelangt über das periphere Blutsystem zur Schilddrüse, wo es das Wachstum der Schilddrüse, die Jodaufnahme und die Produktion von Schilddrüsenhormonen bewirkt.
  • Lipotropin: Wirkt lipolytisch (Fett-abbauend) und beeinflusst damit den Fettstoffwechsel.
  • Follikelstimulierendes Hormon (FSH): Fördert zusammen mit dem Luteinisierenden Hormon (LH) bei der Frau die Follikelreifung bzw. beim Mann die Spermienbildung (Spermatogenese) und die Entwicklung der Hodenkanälchen. Die Sexualhormone bewirken, dass sich die sekundären Geschlechtsmerkmale, wie Brustdrüsenwachstum und Pubesbehaarung beim Mädchen und Schambehaarung, Bartwuchs und Stimmbruch beim Jungen ausprägen.
  • Luteinisierendes Hormon (LH): Fördert zusammen mit dem Follikelstimulierenden Hormon (FSH) bei der Frau die Follikelreifung bzw. beim Mann die Spermienbildung (Spermatogenese) und die Entwicklung der Hodenkanälchen. Die Sexualhormone bewirken, dass sich die sekundären Geschlechtsmerkmale, wie Brustdrüsenwachstum und Pubesbehaarung beim Mädchen und Schambehaarung, Bartwuchs und Stimmbruch beim Jungen ausprägen.
  • Prolaktin (PRL): Wird ab der achten Schwangerschaftswoche gebildet und wirkt auf die Brustdrüse und die Milchproduktion. Während der Pubertät steigert PRL die Expression von LH-Rezeptoren auf den Ovarien und Testes.

Die spezifische Regulation der Ausschüttung der Hypophysenvorderlappenhormone erfolgt durch hypophyseotrope Hormone des Hypothalamus, den sog. Releasinghormonen und Inhibitinghormonen.

  • TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon): Stimuliert die Ausschüttung von TSH und Prolaktin aus der Adenohypophyse. Es steigert jedoch auch die Ausschüttung von STH bei Patienten mit Akromegalie und die Ausschüttung von ACTH bei Patienten mit Cushing-Syndrom. Weitere Effekte von TRH auf das ZNS sind die Steuerung der Thermoregulation, des Schmerzempfindens, des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und anderer vegetativer Funktionen.
  • GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon): Stimuliert die Ausschüttung der Gonadotropine LH und FSH. Interessanterweise ist die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden(HHG)-Achse schon während der Fetalentwicklung aktiv. Klinisch kann bei Jungen bis zum Alter von 6 Monaten und bei Mädchen bis zum Alter von 2 Jahren die sog. Minipubertät auftreten.
  • GHRH (Growth Hormone-Releasing-Hormon): Führt zur Freisetzung von STH aus der Adenohypophyse. Die intravenöse Verabreichung von GHRH führt bei gesunden Probanden zu einem raschen dosisabhängigen Anstieg von STH mit einer maximalen STH-Ausschüttung nach 15-90 min.
  • Somatostatin: Hemmt die hypophysäre STH-Sekretion. Für die Regulation der STH-Ausschüttung fungiert es als Gegenspieler zum GHRH. Es inhibiert ebenfalls die TSH- und ACTH-Freisetzung. Die klinische Applikation von Somatostatinanaloga (Oktreotid, Lanreotid) umfasst die Therapie von Akromegalie und anderen neuroendokrinen Tumoren. Im Kindesalter ist die häufigste Anwendung die Behandlung des Insulinoms.
  • CRH (Kortikotropin-Releasing-Hormon): Stimuliert die Produktion und Freisetzung von ACTH. Es aktiviert neben der hypothalamohypophysären-adrenalen Achse auch die sympathoadrenale Achse. Letztere dient der Aufrechterhaltung der Blutzirkulation im ZNS. Die Verabreichung von CRH führt zur sofortigen Ausschüttung von ACTH.

Hormone des Hypophysenhinterlappens (Neurohypophyse)

Die Hormone des Hypophysenhinterlappens werden nicht dort produziert, sondern im Hypothalamus. Von dort gelangen sie über Nervenfasern in den Hypophysenhinterlappen und werden bei Bedarf freigesetzt. Im Hypophysenhinterlappen werden 2 Hormone gespeichert:

  • Oxytocin: Bewirkt die Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur bei der Geburt (Auslösung der Wehen) und der Muskelzellen der Brustdrüse (Anregung der Milchsekretion). Es bewirkt die Kontraktion der Gebärmutter bei der Geburt, das Einschießen der Milch in die weibliche Brust, wird aber auch beim Orgasmus beider Geschlechter freigesetzt.
  • Vasopressin oder Adiuretin (ADH): Hemmt die Wasserausscheidung über die Nieren (antidiuretische Wirkung) und sorgt für eine Engstellung der Blutgefäße. ADH hält Wasser im Körper zurück, es wirkt gegen die Harnausscheidung (= Diurese). Es fördert die Rückresorption von Wasser in den Nieren: Der Urin wird somit stärker konzentriert und sieht „gelber" aus. Zusätzlich verengen sich durch ADH die Blutgefäße und der Blutdruck steigt.

Hormon des Zwischenlappens (Pars Intermedia)

  • Melanozyten-stimulierendes Hormon (MSH): Fördert die Bildung von Melanin in den Melanozyten der Haut und schützt so vor UV-Strahlung. MSH fördert in den Pigmentzellen der Haut, den Melanozyten, die Produktion von Melanin. Melanin ist ein wichtiger Schutz gegen die schädlichen UV-Strahlen der Sonne.

Erkrankungen der Hypophyse

Verschiedene Erkrankungen können die Hormonbildung in der Hirnanhangsdrüse stören, so dass diese entweder zu viele Hormone oder zu wenige Hormone produziert.

  • Hypophysenadenom: Eine gutartige Geschwulst des Hypophysenvorderlappens, ein Hypophysen-Adenom, ist die häufigste Erkrankung der Hypophyse. Sie kann aus verschiedenen Zelltypen bestehen. Ist das Adenom hormonaktiv, produziert die Hypophyse übermäßig viel des Hormons, das die betreffenden Zellen bilden - mit entsprechend gesteigerter Hormonwirkung. Am häufigsten dabei ist das Prolaktinom, das übermäßig viel Prolaktin ausschüttet. Bei Frauen kommt es zu Milchfluss und Ausbleiben der Regel, bei Männern zu einem Androgenmangel und Unfruchtbarkeit. Ein Hypophysen-Adenom kann aber auch hormonell inaktiv sein. Dann bemerkt man es erst durch seine Raumforderung und deren mögliche Auswirkungen. So wird durch die Vergrößerung der Hypophyse der Türkensattel ausgeweitet, was das direkt benachbarte Chiasma opticum (Sehnervenkreuzung) in der mittleren Schädelgrube beeinträchtigt. Direkte Folgen sind eine bitemporale Hemianopsie (das äußere Gesichtsfeld beider Augen ist eingeengt) und eine Abnahme des Sehvermögens, wenn der Nervus opticus (Sehnerv) durch das Wachstum und den Druck des Adenoms geschädigt wird.
  • Hypopituitarismus: Eine Unterfunktion des Hypophysenvorderlappens durch Entzündungen, Tumoren oder Medikamente. Als Folge wird die Ausschüttung von Wachstums-, Schilddrüsen- und Sexualhormonen vermindert oder fällt ganz aus. Dadurch sind das Wachstum, die körperliche Entwicklung, der Stoffwechsel und die Fruchtbarkeit gestört.
  • Diabetes insipidus: Ein Mangel am Hormon ADH, das im Hypophysenhinterlappen gespeichert wird. Der Wasserhaushalt des Körpers ist dann gestört. Symptome sind Flüssigkeitsmangel durch verstärkte Harnproduktion und Harnausscheidung, ständiges Durstgefühl, trockene Haut und Schleimhäute, Verstopfung, Schlafstörungen, Gereiztheit sowie Krämpfe bis hin zum Zusammenbruch.
  • Akromegalie/Gigantismus: Produziert ein Tumor in der Hypophyse zu viel Wachstumshormon kann bis zum Ende der Pubertät ein übermäßiges Größenwachstum (=Gigantismus) und bei Erwachsenen eine Akromegalie (= Hyperpituitarismus) auslösen. Diese Erkrankung wird meist erst nach 10-15 Jahren auffällig: Hände, Füße und Kopf sind dann größer als früher, die Gesichtszüge vergröbert.
  • Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH): Wird übermäßig viel ADH ausgeschüttet. Ursache kann ein Unfall, schwere Verbrennungen, Entzündungen im Gehirn (Meningitis, Enzephalitis) oder die Einnahme bestimmter Medikamente sein. Auch Erkrankungen der Lunge wie z. B. eine Lungenentzündung können dazu führen, dass übermäßig viel ADH produziert wird. Häufig merken die Patienten nichts davon. Manche leiden unter Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfen.

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