Zucker und Demenz: Ein unterschätzter Zusammenhang

Ein hoher Zuckerkonsum ist nicht nur ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes, sondern auch für die Gesundheit unseres Gehirns. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung weisen darauf hin, dass Zucker zu den neurotoxischen Substanzen zählt und somit das Risiko, an Demenz zu erkranken, erhöhen kann.

Die Auswirkungen von Zucker auf das Gehirn

Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein erhöhtes Risiko haben, an vaskulärer Demenz zu erkranken. Zucker kann die Gefäße im Gehirn verstopfen und die Durchblutung verschlechtern. Statistisch gesehen erkranken Menschen mit Diabetes zwei Jahre früher an Demenz als der Durchschnitt der Bevölkerung. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass ein hoher Zuckerkonsum das Demenzrisiko auch dann erhöht, wenn keine Diabeteserkrankung vorliegt.

Die neurotoxische Wirkung von Zucker führt zu Entzündungen und oxidativem Stress im Gehirn, was wiederum die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Um das eigene Demenzrisiko zu senken, empfehlen Mediziner neben körperlicher Aktivität und der Vermeidung von Übergewicht einen maßvollen Umgang mit zuckerhaltigen Lebensmitteln.

Wie Zucker das Gehirn schädigt

Hohe Blutzuckerspiegel schädigen die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Dies kann zu verschiedenen Einschränkungen führen, je nachdem, welcher Teil des Gehirns unterversorgt ist, und letztendlich eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz verursachen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer gefäßbedingten Demenz.

Komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, können auch direkt die geistige Leistung einschränken. Neue Daten deuten darauf hin, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Die neuronale Plastizität ist die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern. Eine Studie hatte bereits vor 20 Jahren darauf hingedeutet, dass eine fett- und zuckerreiche Kost die neuronale Plastizität stört und langfristig die Funktion des Gedächtnisareals im Gehirn, des Hippocampus, beeinträchtigt.

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Zusätzlich gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn über einen Diabetes mellitus. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte.

Hypoglykämien und kognitive Leistungsfähigkeit

Mehrere Studien belegen die Korrelation von Hypoglykämien und einer Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Eine gute Blutzuckereinstellung ist somit ein wichtiger Faktor für den Erhalt der Gehirnfunktion. Etwa 100 Milliarden Nervenzellen formen das Gehirn des Menschen. Hypoglykämie reduziert ihre Aktivität, wie spezielle EEG-Messungen (evozierte Potenziale) belegen. Bei einem Glukosespiegel im Blut unter 70 mg/100 ml (= 3,9 mmol/l) beginnt das Gehirn Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Immer mehr ältere Menschen leiden an einem Diabetes mellitus, und Diabetiker werden immer älter. Mit höherem Lebensalter steigt aber auch die Inzidenz einer Demenz. Es mehren sich die Hinweise, dass Hypoglykämien gerade bei älteren Diabetespatienten das Risiko für eine Verschlechterung der kognitiven Funktionen erhöhen und der Entwicklung einer Demenz Vorschub leisten.

Epidemiologische Erkenntnisse

Mehrere epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass das Risiko für eine vaskuläre Demenz, aber auch für eine nicht-vaskuläre Demenz vom Alzheimer-Typ, bei Typ-2-Diabetikern etwa doppelt so hoch ist wie bei stoffwechselgesunden Menschen. Noch häufiger ist aber eine leichte Beeinträchtigung der kognitiven Funktion bei Typ-2-Diabetikern zu beobachten. Diese betrifft Prozesse wie Gedächtnis, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Reaktionszeit und Konzentrationsfähigkeit. Obwohl die Pathophysiologie einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktion sicherlich multifaktoriell ist, besteht ein deutlicher Zusammenhang mit einer schlechten Blutzuckereinstellung mit häufigen hyper- und hypoglykämischen Phasen.

Eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion kann die Möglichkeit zum Selbstmanagement der Diabeteserkrankung erschweren und somit die Blutzuckereinstellung weiter verschlechtern. Es ist deshalb essenziell, die pathophysiologischen Mechanismen des Zusammenhangs von einer Beeinträchtigung der Gehirnfunktion und eines bestehenden Typ-2-Diabetes zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, diesen Prozessen entgegenzuwirken.

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Der Einfluss von schweren Hypoglykämien

Eine bedeutsame Frage ist, ob schwere Hypoglykämien, bei denen der Patient auf Fremdhilfe angewiesen ist, zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Gehirnfunktion führen können. Eine Studie mit Typ-1-Diabetikern ergab, dass im mittleren Lebensalter schwere Unterzuckerungen die Gehirnfunktion nicht dauerhaft schädigen.

Anders scheint es im höheren Lebensalter zu sein. Eine Kohortenstudie an Typ-2-Diabetikern zeigte, dass das Risiko, nach dem 65. Lebensjahr eine Demenz zu entwickeln, mit der Anzahl vorausgegangener Hypoglykämien anstieg. Eine prospektive Untersuchung an älteren insulinbehandelten Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigte ebenfalls ein etwa doppelt so hohes Risiko für die Entstehung einer Demenz, wenn zuvor schwere Hypoglykämien aufgetreten waren.

Vergleichbare Ergebnisse erbrachte eine große taiwanesische Datenbankanalyse an einer Million Personen. Das Risiko für eine Demenz stieg mit der Anzahl der vorausgegangenen schweren Unterzuckerungen kontinuierlich an. Schwere Hypoglykämien in der Vorgeschichte reduzieren aber auch bereits die kognitive Leistungsfähigkeit bei älteren Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Tierexperimentelle Studien zeigen, dass der Untergang von Neuronen während der gleichen Unterzuckerung bei Individuen mit dauerhaft hohen Blutzuckerspiegeln deutlich stärker ausgeprägt ist als bei Versuchstieren mit gut eingestellten Blutzuckerwerten. Als Ursache wird eine Herunterregulation der Glukosetransporter an der Blut-Hirn-Schranke bei dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegeln vermutet, was eine stärkere Neuroglukopenie bei Unterzuckerungen bewirkt.

Der Einfluss von leichten Hypoglykämien

Kontinuierliche Glukosemessungen erbrachten, dass Episoden niedriger Blutzuckerspiegel < 70 mg/dl im Alltag bei insulinbehandelten Patienten wesentlich häufiger sind als bislang vermutet. Die meisten hypoglykämischen Episoden treten dabei im Nachtschlaf auf und werden häufig vom Patienten nicht bemerkt.

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Tierexperimentelle Daten deuten darauf hin, dass aber auch rezidivierende leichte Unterzuckerungen über eine vermehrte Bildung freier Sauerstoffradikale und inflammatorischer Faktoren die Gehirnfunktion dauerhaft schädigen können. Dies betrifft besonders Individuen mit dauerhaft hohen Blutzuckerwerten, wenn sie eine leichte Hypoglykämie erleiden. Auch hier wird als Ursache eine Herunterregulation der Glukosetransporter an der Blut-Hirn-Schranke bei dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegeln vermutet, was eine stärkere Minderversorgung der Neuronen mit Glukose bei Unterzuckerungen bewirkt.

Empfehlungen zur Blutzuckereinstellung

Eine gute Blutzuckereinstellung unter Vermeidung von Hypoglykämien ist somit ein wichtiger Faktor für den Erhalt der Gehirnfunktion. Bevorzugt sollten Substanzen eingesetzt werden, die per se kein oder nur ein sehr geringes Hypoglykämiepotenzial haben. Dies betrifft:

  • Metformin
  • Acarbose
  • DPP-4-Inhibitoren
  • Glucagon-like-Peptide-1-(GLP-1-)Analoga
  • SGLT-2-Inhibitoren
  • Pioglitazon (in begründeten Ausnahmefällen und solange sie nicht in Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin eingesetzt werden)

Grundsätzlich zu berücksichtigen sind dabei stets der aktuelle Zulassungsstatus, die Kontraindikationen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka.

Die Rolle von Zuckerarten und Lebensmitteln

Eine Studie untersuchte, ob Zucker aus verschiedenen Lebensmitteln mit dem Demenzrisiko verbunden ist. Bei freien Zuckern aus Getränken und überraschenderweise auch bei intrinsischen Zuckern stieg das Demenzrisiko stetig an oberhalb von 5 % bzw. 10 % der Gesamtenergie. Für freie Zucker aus festen Lebensmitteln dagegen konnte kein signifikanter Zusammenhang dargestellt werden.

Bei freiem Zucker aus Getränken erhöhte sich das Demenzrisiko stetig ab einer Aufnahme von 5 %E. Bei festen Lebensmitteln gab es keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Demenzrisiko. Weiterhin wurden in der Studie die freien Zucker in vier Getränkekategorien analysiert:

  • Bei Softdrinks wurde ab einem Konsum von 1 %E ein stetiger Anstieg des Demenzrisikos beobachtet.
  • Bei Saft lag das statistisch niedrigste Risiko bei 2 %E mit einem um 12 % erhöhten Demenzrisiko bei Nichtkonsumenten.
  • Bei gezuckerten Milchgetränken stieg das Erkrankungsrisiko ab 0 %E kontinuierlich an und war bei 4 %E erhöht.

Der Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Demenz ist besonders deutlich für freie Zucker aus Getränken und hierbei insbesondere für Softdrinks und gezuckerte Milchgetränke. Im Gegensatz zu Befunden in derselben Kohorte zu Mortalität und Depression gibt es bei Demenz auch erstmals einen Zusammenhang für intrinsische Zucker mit dem Erkrankungsrisiko.

Milchzucker und Neurodegeneration

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass eine zuckerarme Ernährung auch unabhängig vom Blutzuckerspiegel positive Auswirkungen auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns haben könnte. Insbesondere Milchzucker könnte die Neurodegeneration unseres Gehirns beschleunigen. Milchzucker lagert sich an Eiweiße an und verändert auf diese Weise die Isolierschicht von Zellen, was zu einer schnelleren Abnutzung und Alterung von Gehirnzellen führt. Derartige Prozesse können einer Demenz wie der Alzheimer-Erkrankung den Weg bereiten.

Glukoseverteilung im Gehirn und Mikroglia

Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Zuviel an Zucker nicht nur Herz, Leber und andere Organe schädigen kann, sondern eben auch das Gehirn. Beim Menschen zählt das Gehirn zu den Organen mit dem größten Energieverbrauch, der sich mit dem Alter und auch krankheitsbedingt verändern kann. Der Energieumsatz lässt sich indirekt über die Verteilung von Glukose im Gehirn erfassen.

Die Befunde der Forschenden beruhen auf Laboruntersuchungen sowie auf PET-Studien an Patienten mit einer Demenzerkrankung. Untermauert werden die Ergebnisse unter anderem durch Studien an Mäusen, deren Mikroglia aus dem Gehirn entweder weitgehend entfernt oder außer Kraft gesetzt wurden. Die Ergebnisse sind wichtig für die korrekte Interpretation solcher Aufnahmen des Gehirns und lassen zudem manche, bislang rätselhafte Beobachtungen in neuem Licht erscheinen.

Zucker als neurotoxische Substanz

Zu viel Zucker kann bekanntlich zu Adipositas führen oder Diabetes begünstigen. Weniger bekannt ist allerdings: Ein hoher Zuckerkonsum fördert auch die Entstehung von Hirnkrankheiten wie Demenz. Zucker ist eine "neurotoxische" Substanz, das heißt, er schädigt Nervenzellen - unter anderem im Gehirn.

Viele dieser Erkrankungen ließen sich durch einen gesünderen Lebensstil vermeiden. Dazu gehört auch ein geringerer Zuckerkonsum. Zu viel Zucker im Blut kann auch die Blutgefäße schädigen. Durch den veränderten Insulinstoffwechsel können sich Ablagerungen in den Gefäßwänden bilden. So verengen sich mit der Zeit die Gefäße, die das Hirn mit Blut versorgen. Dadurch kann es dann zu einer Unterversorgung einzelner Hirnareale kommen. Langfristig könne die Gefäßverengung zu Demenz, Alzheimer und Schlaganfällen führen.

Trotz dieser Risiken bleibt aber der Konsum von Zucker hoch. In Deutschland liegt der jährliche Konsum von Zucker bei durchschnittlich 33 Kilogramm - fast doppelt so hoch wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt. Laut der DGE sollten lediglich zehn Prozent unserer Energiezufuhr mit Zucker gedeckt werden. Im Durchschnitt wären das etwa 18 Kilogramm im Jahr.

Eine Möglichkeit, den Konsum zu senken, wäre eine Zuckersteuer. Diese habe in England seit ihrer Einführung 2018 bereits erste Erfolge erzielt. Bereits kleine Dosen führen zu einem erhöhten Verlangen. Denn durch die Einnahme kommt es im Gehirn zur Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Auch der Ersatz von Zucker durch verschiedene Süßungsmittel ist laut Experten nicht unproblematisch. Zwar enthalten sie keine Kalorien, doch neue Studien deuten an, dass durch den Konsum von Süßungsmitteln auch die Zahl an Gefäßerkrankungen zunimmt.

Polysialinsäure als Schutz vor Neurodegeneration

Ein Forschungsteam hat herausgefunden, dass die körpereigene Zuckerverbindung Polysialinsäure (PolySia) gegen neurodegenerative Prozesse helfen könnte. Im Gehirn wirkt PolySia auch im Hippocampus und dem präfrontalen Kortex. In diesen Gehirnbereichen ist das Zuckerpolymer wesentlich an der Regulation der Weitergabe von Informationen von einem Nerven zum nächsten beteiligt. Mit höherem Lebensalter nimmt die Konzentration an PolySia im Gehirn ab. Bei Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen ist das Level dann noch einmal deutlich geringer.

In Voruntersuchungen konnte das Forschungsteam bereits am Mausmodell für Alzheimer-Erkrankung zeigen, dass kurzkettige PolySia einer ganz bestimmten Länge die Gehirnleistung steigern konnte. Untersuchungen im Fluoressenzmikroskop bestätigten zudem, dass die über die Nase verabreichte PolySia tatsächlich im Gehirn der Mäuse ankommt.

Blutzuckerspiegel und Demenzrisiko

Studien haben bereits gezeigt, dass Diabetes die Wahrscheinlichkeit erhöht, eine Demenz zu entwickeln. Eine Studie wollte herausfinden, wie der Blutzuckerspiegel die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, eine Demenzerkrankung zu entwickeln. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass bei den Personen ohne Diabetes ein höherer durchschnittlicher Blutzuckerspiegel in den vorangegangenen fünf Jahren mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden war. Das Risiko stieg bei ihnen mit zunehmendem Blutzuckerspiegel.

Die Ergebnisse zeigen den Forschern zufolge, dass erhöhte Blutzuckerspiegel ein eigenständiger Risikofaktor für Demenz sind - unabhängig davon, ob bereits ein Diabetes vorliegt oder nicht.

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