Aggressives Verhalten bei Alzheimer-Patienten stellt eine besondere Herausforderung dar. Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Verhalten oft eine Folge der Krankheit selbst ist und nicht absichtlich bösartig gemeint ist. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Aggressivität bei Alzheimer, von den Ursachen bis hin zu den medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten.
Ursachen von Aggressivität bei Alzheimer
Aggressives Verhalten bei Menschen mit Demenz kann sich vielfältig äußern und verschiedene Ursachen haben. Häufige Auslöser sind:
- Kognitive Beeinträchtigungen: Verwirrung und Frustration, die direkt durch die Erkrankung ausgelöst werden. Das Gehirn kann oft nur noch eine Information verarbeiten, was zu Überforderung führt.
- Körperliche Beschwerden: Schmerzen, Harnwegsinfektionen oder andere körperliche Beeinträchtigungen können zu Unruhe und Aggression führen.
- Umweltfaktoren: Zu viele Reize, Lärm oder eine hektische Umgebung können Stress und Überforderung auslösen.
- Psychische Faktoren: Depressionen, Angstzustände, Wahnvorstellungen und Halluzinationen können ebenfalls zu aggressivem Verhalten beitragen.
- Medikamente: Einige Medikamente können paradoxe Reaktionen hervorrufen und das aufgeregte Verhalten verstärken.
Es ist wichtig zu beachten, dass etwa 80 Prozent der Verhaltensprobleme bei Menschen mit Demenz durch ungeeignete Umgebungsbedingungen verursacht werden können.
Der Umgang mit Aggressivität bei Demenz
Der Umgang mit aggressivem Verhalten bei Demenz erfordert ein hohes Maß an Verständnis, Einfühlungsvermögen und Geduld. Angehörige und Pflegepersonen sollten sich bewusst machen, dass das Verhalten nicht persönlich gemeint ist, sondern auf die Demenz zurückzuführen ist. Einige hilfreiche Strategien sind:
- Ursachenforschung: Was ist vor dem aggressiven Verhalten passiert? Menschen mit Demenz schätzen Situationen anders ein.
- Gefühle ernst nehmen: Betroffene wollen vielleicht auf sich aufmerksam machen und Hilfe erhalten.
- Ruhige Kommunikation: In einem ruhigen Tonfall und in kurzen Sätzen sprechen.
- Ablenkung: Versuchen, die Person abzulenken oder in eine ruhige Umgebung zu bringen.
- Professionelle Hilfe: Bei Eskalation professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze
Nicht-medikamentöse Maßnahmen haben einen hohen Stellenwert bei der Behandlung von herausforderndem Verhalten bei Demenz. Sie sollten immer zuerst ausprobiert werden, bevor Medikamente eingesetzt werden. Zu den wichtigsten nicht-medikamentösen Ansätzen gehören:
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- Anpassung der Umgebung: Eine gleichbleibende Umgebung, vertraute Bezugspersonen und eine gute Orientierung können Stress reduzieren.
- Herstellung einer positiven Gefühlswelt: Erinnerungspflege, gemeinsames Singen, Musik oder körperliche Aktivität können helfen, eine positive Gefühlswelt zu schaffen.
- Aktivierung: Aktivitäten im Freien und körperzentrierte Therapien wie Massagen können körperliche und verbale Aggressionen mindern.
- Ergotherapie: Ein Ergotherapeut kann Aktivitäten entwickeln, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken.
- Tiergestützte Therapie: Der Umgang mit Tieren kann eine beruhigende Wirkung haben.
- Schulung von Angehörigen und Pflegekräften: Sie können helfen, Warnzeichen zu erkennen und proaktiv zu handeln.
Medikamentöse Behandlung
Eine pharmakologische Therapie bei Aggressivität im Rahmen von Demenz kann nur das Ziel haben, die Erkrankung zu stabilisieren oder die soziale Teilhabe zu verbessern. Medikamente sollten nur unter strenger fachärztlicher Aufsicht eingesetzt werden, da sie Nebenwirkungen haben können.
Antipsychotika
Antipsychotika werden häufig zur Behandlung von Verhaltenssymptomen bei Demenz eingesetzt. Sie können helfen, Agitation, Aggression, Wahnvorstellungen und Halluzinationen zu reduzieren. Allerdings sind sie mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen verbunden, insbesondere bei älteren Menschen mit Demenz.
Risperidon: Orales Risperidon ist zur Kurzzeitbehandlung (maximal sechs Wochen) bei anhaltender Aggression bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Alzheimer-Demenz zugelassen, wenn nicht-pharmakologische Methoden nicht ansprechen und ein Risiko für Eigen- oder Fremdgefährdung besteht. Die Dosierung soll einschleichend erfolgen und darf maximal 2 mg am Tag betragen.
Quetiapin und Aripiprazol: Werden off Label in niedrigen Dosierungen verwendet.
Wichtige Hinweise zum Einsatz von Antipsychotika:
- Patienten mit Demenz haben ein etwa 1,5-fach erhöhtes Risiko zu versterben, wenn sie mit Antipsychotika behandelt werden.
- Antipsychotika können zu zerebrovaskulären Ereignissen, Stürzen, Infektionen und kognitiver Verschlechterung beitragen.
- Auch kaum anticholinerg wirkende Antipsychotika wie Quetiapin können den kognitiven Abbau beschleunigen.
Antidementiva
Antidementiva können das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und daher dazu beitragen, dass herausforderndes Verhalten später auftritt. Ob Antidementiva eine gezielte Wirkung auf herausforderndes Verhalten haben, wird widersprüchlich diskutiert. Agitation zählt jedoch zu den häufigeren Nebenwirkungen.
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Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente verbessern die Signalübertragung im Gehirn, indem sie den Abbau des Botenstoffs Acetylcholin hemmen. Sie kommen bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz zum Einsatz. Beispiele sind Donepezil, Rivastigmin und Galantamin.
Glutamat-Antagonisten: Memantin wird bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz verordnet. Es schützt Nervenzellen vor einer Überstimulation durch Glutamat.
Antidepressiva
Depressionen treten bei Menschen mit Demenz häufig auf und sollten behandelt werden, da sie sich negativ auf die Lebensqualität und die geistige Leistungsfähigkeit auswirken können. Die S3-Leitlinie Demenzen empfiehlt zur Behandlung von Depressionen bei Alzheimer-Demenz den Einsatz von Mirtazapin oder Sertralin.
Weitere Medikamente
Für Benzodiazepine, Betablocker, SSRI, Valproat und typische Antipsychotika gibt es keine guten Belege für die Wirksamkeit beziehungsweise werden diese Stoffe aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils nicht empfohlen.
Neue Therapieansätze
Ein neuer Ansatz sind Antikörper-Medikamente, die direkt an einer der möglichen Krankheitsursache ansetzen: schädliche Proteinablagerungen im Gehirn, sogenannte Amyloid-Plaques. Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) und Kisunla (Wirkstoff: Donanemab) sind seit Herbst 2025 in Deutschland erhältlich und richten sich ausschließlich an Menschen im frühen Alzheimer-Stadium.
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Die Rolle der Familie und Angehörigen
Bei der Diskussion um die medizinische und sozioökonomische Bedeutung dementieller Erkrankungen wird der Einsatz der Familie häufig nur unzureichend gewürdigt. Die Betreuung im häuslichen Umfeld bedeutet für den Kranken mehr Lebensqualität und schont die finanziellen Ressourcen, doch die physische und psychische Belastung der Angehörigen wird oft unterschätzt. Studien zeigen, dass ein Drittel der Angehörigen an einer Depression leidet. Es sind weniger die kognitiven Defizite des Kranken, die die Betreuer belasten, sondern sein verändertes Wesen und unberechenbares Verhalten.
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