Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, kognitive Beeinträchtigungen und Verhaltensänderungen gekennzeichnet ist. Weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, neue Diagnostikverfahren zu entwickeln und Therapien zu finden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen können. Obwohl es noch keine Heilung gibt, hat die Forschung in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, insbesondere im Bereich der Antikörper-Medikamente und der Früherkennung.
Neue Medikamente zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs
Leqembi: Ein Hoffnungsschimmer für Patienten im Frühstadium
Im August 2025 wurde das Medikament Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) in Europa zugelassen. Es ist das erste Medikament, das ursächlich gegen die Altersdemenz wirkt und nicht nur die Symptome der Krankheit beeinflusst. Leqembi bekämpft die Alzheimer-Demenz dort, wo sie entsteht: im Gehirn. Dort beeinträchtigen Eiweißablagerung die Funktion der Nervenzellen. Leqembi heftet sich an die schädlichen Eiweißmoleküle und lockt Fresszellen des Immunsystems herbei. Diese Fresszellen bauen die schädlichen Ablagerungen ab und verzögern so das Fortschreiten der Erkrankung.
Allerdings ist Leqembi nicht unumstritten. Die Kritik: Es ist sehr teuer und seine Wirksamkeit gilt als begrenzt. Nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien verzögert Leqembi den Fortschritt der Demenz nur um wenige Monate. Momentan rechnet man damit, die Uhr um etwa sechs Monate zurückdrehen. Zudem ist das Medikament nur für fünf bis zehn Prozent der Betroffenen geeignet und wirkt auch nur in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung. Mit MRT-Aufnahmen des Gehirns, Untersuchungen des Nervenwassers und genetischen Tests müssen die passenden Patienten ermittelt werden.
Trotz dieser Einschränkungen sehen Experten wie Neurologe Thorsten Bartsch das neue Medikament Lecanemab als einen "Meilenstein". Erstmals könne bei Alzheimer direkt in den Krankheitsprozess eingegriffen werden.
Kisunla: Ein weiteres Antikörper-Medikament
Seit dem 25. September 2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen: Kisunla (Wirkstoff: Donanemab). Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen.
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Donanemab ist ein Antikörper mit hoher Affinität für die modifizierte, N-terminal verkürzte Form des Beta-Amyloids (N3pE-Aβ). Kisunla® wurde zum 1. November 2025 auf dem deutschen Markt eingeführt. Während Lecanemab alle zwei Wochen infundiert wird, erfolgt die Infusion bei Donanemab nur alle vier Wochen. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Antikörpern ergibt sich beim Thema Therapiedauer. Laut Fachinformation von Kisunla soll die Behandlung nur so lange fortgesetzt werden, bis die Amyloid-Plaques entfernt sind, zum Beispiel bis zu sechs oder zwölf Monate. Die maximale Behandlungsdauer beträgt 18 Monate und sollte nicht überschritten werden, auch wenn die Plaque-Entfernung nicht bestätigt wird.
Sowohl Donanemab als auch Lecanemab dürfen nur bei Personen mit bestätigter Amyloid-Pathologie zum Einsatz kommen und nur dann, wenn die Betroffenen nur eine oder keine Kopie von ApoE4, einer bestimmten Form des Gens für das Protein Apolipoprotein E, aufweisen. Der Test auf den ApoE4-Status muss vor Therapieeinleitung erfolgen. Kisunla und Leqembi dürfen nicht bei Personen mit Blutungsstörungen, die nicht angemessen kontrolliert sind, zum Einsatz kommen. Tabu ist auch der Beginn der Behandlung bei Patienten, die eine laufende Therapie mit Antikoagulanzien erhalten.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Antikörper-Medikamente
Beide Medikamente, Leqembi und Kisunla, sind für die Behandlung von Erwachsenen mit leichter kognitiver Störung und leichter Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Beide können die Erkrankung nicht heilen, haben aber in Studien eine Verlangsamung der Erkrankungsprogression gezeigt.
Ein wichtiger Unterschied besteht in der Häufigkeit der Infusionen: Lecanemab wird alle zwei Wochen infundiert, während Donanemab alle vier Wochen verabreicht wird. Zudem ist die Therapiedauer bei Donanemab auf maximal 18 Monate begrenzt.
Herausforderungen und Risiken der Antikörper-Therapien
Die Behandlung mit Leqembi und Kisunla ist aufwändig und erfordert eine sorgfältige Auswahl der Patienten. Vor Beginn der Therapie sind verschiedene Untersuchungen notwendig, darunter MRT-Aufnahmen des Gehirns, Untersuchungen des Nervenwassers und genetische Tests.
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Ein besonderes Risiko sind Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Mikroblutungen. Alzheimer-Patienten mit einer bestimmten genetischen Anlage - zwei Kopien des sogenannten ApoE4-Gens - sind wegen ihres erhöhten Risikos für diese Komplikationen grundsätzlich von einer Behandlung ausgeschlossen. Auch die Einnahme von Gerinnungshemmern erhöht das Risiko für Hirnblutungen.
Früherkennung als Schlüssel zur wirksamen Behandlung
Da die neuen Medikamente im frühen Stadium der Erkrankung am besten wirken, wird die Früherkennung zu einem entscheidenden Schlüssel in der Versorgung. Forschende weltweit suchen nach aussagekräftigen Biomarkern im Blut, die schnell und einfach Hinweise auf eine sich entwickelnde Alzheimer-Erkrankung geben können.
Zwei Bluttests auf fehlerhafte Eiweiße werden in Europa bereits im Rahmen klinischer Studien eingesetzt. Der Kieler Neurologe Thorsten Bartsch hofft, dass sie schon bald die Routinediagnostik der Alzheimer-Erkrankung unterstützen können.
Weitere Forschungsansätze und Therapieoptionen
Die Demenzforschung betrachtet heute viele verschiedene Mechanismen und verfolgt unterschiedliche Ansätze - von der Diagnostik bis zur Therapie.
Krankheitsmechanismen verstehen
Forschende untersuchen zentrale Prozesse wie die Ablagerung der Proteine Amyloid-beta und Tau, entzündliche Vorgänge, die Bedeutung von Umwelteinflüssen und genetische Aspekte. Ziel ist es, die Entstehung der Erkrankungen besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden.
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Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) befasst sich mit TREM2, einem Eiweiß-Molekül, das auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns vorkommt. In Laborexperimenten wollen die Forschenden untersuchen, wie man diesen Schalter beeinflussen kann, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen.
Ein Team um Prof. Martin Fuhrmann (Bonn) möchte mit Hilfe eines gentherapeutischen Verfahrens das Risiko-Gen ApoE3 verändern und damit das Risiko für Alzheimer senken. Dafür sind Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen vorgesehen.
Ziel eines Projekts um Prof. Anja Schneider (Bonn) ist es, mittels einer Technik der Erbgutanalyse namens GWAS genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD) aufzuklären.
Prof. Monique Breteler (Bonn) wird gemeinsam mit Fachleuten aus den Niederlanden anhand von Daten aus zwei großen bevölkerungsbasierten Studien untersuchen, inwieweit Bluttests das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium zuverlässig abschätzen können.
Vorbeugung von Demenzerkrankungen
Rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen ließen sich nach aktuellem Stand der Wissenscahft durch die Reduktion bestimmter Risikofaktoren verzögern oder sogar verhindern. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder soziale Isolation. Die Forschung versucht, diese Zusammenhänge besser zu verstehen und Menschen dabei zu unterstützen, ihr persönliches Risiko zu senken.
Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten.
Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren. Das belegt eine jüngst im Fachmagazin Nature publizierte Studie aus Wales.
Pflege und Lebensqualität
Neben der medizinischen Forschung rückt auch der Alltag von Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) unterstützt regelmäßig Forschungsvorhaben im Bereich Demenz. Die DAlzG schreibt alle zwei Jahre eine Forschungsförderung im Bereich der Versorgungsforschung aus. Im Rahmen des Projektes PraWiDem wurde 2022 eine Arbeitsgruppe Demenz und Forschung aufgebaut, die das Projekt kontinuierlich begleitet und aktuelle Forschungsfragen diskutiert hat.
Körperliche Aktivität
Eine neue Studie macht Hoffnung: Reichen schon 5000 Schritte aus, um Alzheimer hinauszuzögern? Wer sich im Alltag regelmäßig bewegt, kann das Fortschreiten einer sich abzeichnenden Alzheimer-Erkrankung offenbar deutlich verzögern.
"Während neue Antikörpertherapien wie Lecanemab und Donanemab erstmals den Krankheitsverlauf der Alzheimer-Erkrankung beeinflussen können, zeigt sich zugleich, dass körperliche Aktivität ein potenziell vergleichbar wirkungsvolles, aber sicheres und breitenwirksames Instrument bleiben wird." Künftige Forschung muüsse klären, ob Bewegung die Wirksamkeit dieser Therapien sogar verstärken kann.
Neben körperlicher Aktivität spielen weitere Lebensstilfaktoren eine Rolle für die Gehirngesundheit: geistige und soziale Aktivität, gesunde Ernährung und wenig Alkoholkonsum.