Viele Menschen sorgen sich um ihr persönliches Alzheimer-Risiko, besonders wenn Fälle von Demenz in der Familie aufgetreten sind. Die Frage, ob Alzheimer vererbbar ist, beschäftigt viele. Dieser Artikel beleuchtet die genetischen Aspekte der Alzheimer-Krankheit, die verschiedenen Formen, die Rolle von Gentests und was dies für Ihre persönliche Lebensplanung bedeuten kann.
Ist Alzheimer vererbbar? Ein Blick auf die Genetik
Die Antwort ist komplex: Ja, Alzheimer kann vererbbar sein, aber die Wahrscheinlichkeit und die Art der Vererbung variieren stark. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Hauptformen:
- Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD): Diese Form ist selten und betrifft nur etwa 1 % aller Alzheimer-Fälle. Sie ist eindeutig erblich bedingt und wird durch Mutationen in bestimmten Genen verursacht.
- Sporadische Alzheimer-Krankheit: Sie macht etwa 99 % der Fälle aus. Hier spielt das Alter die größte Rolle als Risikofaktor, aber auch genetische Einflüsse können eine Rolle spielen.
Die seltene familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD)
Die familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD; englisch = Familial Alzheimer Disease) liegt vor, wenn in einer Familie mehrere Personen, meist aus aufeinanderfolgenden Generationen, betroffen sind. Der Anteil einer familiären Alzheimer-Krankheit an allen Demenzkranken mit Alzheimer-Demenz wird auf ca. 5 % geschätzt.
Ursachen und Vererbungsmuster der FAD
Bisher sind drei Gene bekannt, die für die Entstehung der FAD verantwortlich sind:
- APP (Amyloid-Precursor-Protein): Mutationen in diesem Gen auf Chromosom 21q21.2 verursachen ca. 10-15 % der FAD-Fälle. Eine dritte Kopie des APP-Gens könnte auch bei Menschen mit Down-Syndrom das erhöhte Alzheimer-Risiko erklären.
- PSEN1 (Presenilin 1): Dieses Gen auf Chromosom 14q24 ist am häufigsten von Mutationen betroffen.
- PSEN2 (Presenilin 2): Mutationen in diesem Gen auf Chromosom 1q42 sind seltener. In der deutschen Bevölkerung wurde eine Founder-Mutation im Gen PSEN2 (c.422A>T) nachgewiesen.
Die FAD wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass Kinder das mutierte Gen erben und somit erkranken, wenn ein Elternteil das mutierte Gen besitzt. Betroffene erkranken häufig früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Von einer Erkrankung mit früher Erstmanifestation (EOFAD; englisch = Early-onset FAD) spricht man, wenn die Betroffenen erste Symptome im Alter vor 60 bis 65 Jahren, oft auch schon vor dem 55. Lebensjahr zeigen.
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Symptome der Alzheimer-Krankheit
Die Alzheimer-Krankheit ist charakterisiert durch eine im Erwachsenenalter beginnende, progressive Demenz, begleitet von einer kortikalen Hirnatrophie und neuropathologischen Veränderungen mit der Bildung von extrazellulären beta-Amyloid Plaques und intraneuronalen neurofibrillären Bündeln. Die Erkrankung beginnt meist mit kleinen Gedächtnisfehlleistungen, die im Verlauf immer schwerwiegender werden und bis zur völligen Handlungsunfähigkeit führen können. Weitere häufige Symptome sind: Verwirrtheit, mangelndes Urteilsvermögen, Sprachstörungen, gesteigerte Erregbarkeit, sozialer Rückzug, Halluzinationen, Krampfanfälle, Parkinsonismus, erhöhter Muskeltonus, Myoklonien, Inkontinenz und Mutismus.
Genetische Risikofaktoren bei der sporadischen Alzheimer-Krankheit
Auch wenn das Alter der größte Risikofaktor ist, gibt es genetische Faktoren, die das Risiko für die häufigere, sporadische Form der Alzheimer-Krankheit beeinflussen können.
Das ApoE4-Gen: Ein wichtiger Risikofaktor
Die Veränderung des Apolipoprotein Epsilon 4 (ApoE4)-Gens kann das Erkrankungsrisiko erhöhen. Das ApoE-Gen ist quasi der Bauplan für ein Eiweiß, das im menschlichen Körper bestimmte Fettmoleküle, sog. Lipoproteine, transportiert. Eine bestimmte Variante des ApoE-Gens, die „Epsilon-4-Variante“, kommt weitaus häufiger bei Alzheimer-Erkrankten vor als in der Normalbevölkerung. Das bedeutet, dass die ApoE-4-Variante ein erheblicher Risikofaktor für das Auftreten einer Alzheimer-Krankheit im Alter ist. Allerdings führt diese genetische Veränderung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung. Das ApoE4-Gen könnte bei bis zu 25 Prozent aller Alzheimer-Fälle eine Rolle spielen.
Eine spanische Forschungsgruppe um Juan Fortea hat sich dieses Gen einmal genauer angeschaut. Und dabei festgestellt: Tritt diese Erbgutvariante doppelt auf, ist die Gefahr besonders groß, an Alzheimer zu erkranken, so das Ergebnis der Studie, die vor kurzem im renommierten Fachmagazin "Nature Medicine" publiziert wurde. Das bedeutet: Wer die Gen Variante APOE4 also von Vater und Mutter erbt, erkrankt ziemlich sicher, nämlich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer. "Eine doppelte Kopie dieser Variante gilt nicht mehr nur als Risiko, sondern als Ursache für eine Alzheimer-Erkrankung", bestätigt Johannes Levin, Demenzforscher am Uni-Klinikum Großhadern in München. "In diesem Fall fängt die Erkrankung auch früher an, bereits ab Mitte oder Ende sechzig, früher als normale sporadische Erkrankungen."
Weitere Risikogene
Neben ApoE4 wurden weitere Gene identifiziert, die das Alzheimer-Risiko erhöhen können. Derzeit sind knapp 80 solcher genetischen Veränderungen bekannt. Allerdings ist dies ein intensiv beforschtes Feld, und es ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren noch viele weitere derartige „Risikogene“ entdeckt werden.
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Genetische Tests: Möglichkeiten und Grenzen
Gentests können Aufschluss über eine Alzheimer-Veranlagung geben, insbesondere bei Verdacht auf FAD.
Wann ist ein Gentest sinnvoll?
- Bei Personen unter 65 Jahren mit Symptomen einer Alzheimer-Erkrankung
- Bei direkten Angehörigen von erkrankten Personen, bei denen die Mutation eines der Alzheimer-Gene (APP, PSEN1, PSEN2) nachgewiesen wurde
- Bei einer positiven Familienanamnese und jungem Manifestationsalter
Ablauf und Kosten eines Gentests
Der Test wird in humangenetischen Testzentren oder in einer humangenetischen Sprechstunde anhand einer Blutprobe durchgeführt. In Deutschland sind Selbsttests zu Hause aufgrund des Gendiagnostikgesetzes nicht möglich. Das Gesetz schreibt vor, dass vor dem Test ein Beratungsgespräch stattfinden muss und auch das Ergebnis nur von einer Humangenetikerin oder einem Humangenetiker mitgeteilt werden darf. Die Kosten für einen Alzheimer-Gentest werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Interpretation der Ergebnisse
- Ein Gentest bei familiärer Alzheimer-Demenz zeigt mit hoher Sicherheit, ob eine Person erkranken wird.
- Ein Test auf das ApoE4-Gen weist nur auf ein erhöhtes Risiko für die häufige, nicht vererbte Form der Alzheimer-Krankheit hin - eine sichere Vorhersage ist damit nicht möglich.
Prädiktive genetische Diagnostik
Die prädiktive genetische Diagnostik hat das Ziel, nach bestimmten, krankheitsauslösenden Mutationen noch vor Beginn der Erkrankung zu suchen und - sollte eine derartige Mutation festgestellt werden - den Patienten ausführlich zu seinem Krankheitsrisiko und möglichen Therapieoptionen aufzuklären. Die prädiktive Demenz-Analyse ist für Personen, die Ihre Lebensplanung individuell gestalten möchten. Dafür ist es nicht notwendig, dass die untersuchten Erkrankungen in der Familie bereits aufgetreten sind. Im Gegenteil: Sollten Sie bereits Erkrankungen in der Familie haben, kann eine andere Art der Untersuchung geeigneter sein. Es handelt sich um eine prädiktive genetische Diagnostik. Das heißt, dass gesunde Personen auf Erkrankungen untersucht werden, die in der Zukunft auftreten können. Daher sind eine umfangreiche Aufklärung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Humangenetik sowie die Einverständniserklärung nach dem Aufklärungsgespräch, ggf. auch nach einer Bedenkzeit, unbedingte Voraussetzung.
Ethische Aspekte und genetische Beratung
Die Entscheidung für oder gegen einen Gentest ist nicht einfach. Deshalb gehört eine ausführliche humangenetische Beratung immer dazu. Sie hilft, die Chancen und Belastungen eines Tests realistisch einzuschätzen - für die getestete Person und die Familie. Denn auch wenn ein Gentest helfen kann, Ängste zu lindern, kann ein positives Ergebnis äußerst belastend sein. Eine fundierte Beratung hilft dabei, alle Aspekte dieser schwierigen Entscheidung zu durchdenken.
Bei Minderjährigen dürfen genetische Tests nur dann vorgenommen werden, wenn präventive oder therapeutische Maßnahmen möglich sind, die es bei der Alzheimer-Krankheit wie oben beschrieben noch nicht gibt. Bei volljährigen Kindern müssen diese selbst zustimmen. Eine prädiktive genetische Testung muss von einer eingehenden humangenetischen Beratung begleitet werden.
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Alzheimer-Diagnostik und Forschung
Diagnose von Alzheimer
Dementielle Veränderungen haben sehr viele unterschiedliche Ursachen. Es gibt viele Demenzformen. Oft liegen auch Mischformen vor. Dies erschwert die Diagnose und Behandlung. Das Problem: Alzheimer wird oft erst diagnostiziert, wenn die Symptome bereits fortgeschritten sind. Im Jahr 2021 kam in den USA ein Bluttest zur Diagnosestellung von Alzheimer auf den Markt. Der Precivity AD-Bloodtest erfasst unter Berücksichtigung des Alters und einer genetischen Komponente das Verhältnis zweier Proteinvarianten von Amyloid-Beta. Der Bluttest gilt als sehr zuverlässig und übertrifft in seiner Genauigkeit Diagnosetechniken wie bildgebende Verfahren („Bilder vom Gehirn“), die die Krankheit oft erst spät erkennen.
Es gibt neben der Diagnose durch Bilder vom Gehirn oder Untersuchungen des Blutes auch sogenannte psychometrische Demenz-Tests, die Hinweis auf eine demenzielle Erkrankung liefern können. Sie dienen vor allem der Früherkennung bei einem Anfangsverdacht.
Die Rolle von Beta-Amyloid
Unter Beta-Amyloid werden Proteine verstanden, die als Hauptauslöser von Alzheimer und anderen demenziellen Veränderungen gelten. Diese Proteine kommen auch bei gesunden Menschen vor. Krankmachend sind sie, wenn sie sich im Gehirn ablagern und nicht abgebaut werden. Sie führen dann wahrscheinlich zu einer Störung neuronaler Impulse, das heißt Signale können im Gehirn nicht weitergegeben werden. Der Erforschung des Beta Amyloids wird in der Wissenschaft viel Aufmerksamkeit geschenkt. Ein deutsch-niederländisches Forscherteam hat einen Bluttest entwickelt, der die Fehlfaltung des Amyloid-Beta Proteins erkennt. Diese Fehlfaltung des Proteins ist für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch. Der Früh-Test des Forscherteams sei mit einer Sensitivität von mindestens 90 Prozent sehr aussagekräftig.
Aktuelle Forschung und Therapieansätze
Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen. In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen. Eine erste Humanstudie, das heißt Tests an Menschen, läuft seit 2021 in den USA. Die Studie hat allerdings nur 16 Teilnehmer. Etwas weiter ist die Forschung beim Wirkstoff AADvac1. Dieser Wirkstoff greift bestimmte Proteine im Gehirn an und verhindert deren Verklumpung. So soll die Abnahme der geistigen Fähigkeiten verhindert werden. Zu diesem Wirkstoff gibt es bereits mehrere Studien, die die prinzipielle Wirksamkeit in Bezug auf die Proteine und deren Verklumpung belegen.
Im Bereich der Diagnoseforschung geht es laut dem wissenschaftlichen Beirat der Alzheimer Forschungsinitiative, Prof. Dr. Thomas Arendt, hauptsächlich darum, körperliche Merkmale zu finden, anhand derer die Krankheit Alzheimer nachgewiesen werden kann. Ein Biomarker kann zum Beispiel ein bestimmter Bestandteil im Blut sein.
Prävention und Lebensstil
Auch wenn genetische Faktoren eine Rolle spielen können, gibt es Möglichkeiten, das Demenz-Risiko zu mindern. Sport, genug Schlaf und eine gesunde Ernährung senken das Risiko, an Demenz zu erkranken. "Man kann andere Risikofaktoren, die das Gehirn auch noch schädigen, gering halten", erklärt Nicolai Franzmeier. Beispielsweise indem man nicht raucht, wenig trinkt, auf das Gewicht achtet und Bluthochdruck reduziert.
Epigenetik
In der sogenannten Epigenetik wird untersucht, wie Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen weitervererbt werden können. So können Ernährungsgewohnheiten oder traumatische Ereignisse an die Kinder- oder Enkelgeneration weitergegeben werden.
Umgang mit der Diagnose und Patientenverfügung
Sollte bei Ihnen oder einem Angehörigen Alzheimer diagnostiziert werden, ist es wichtig, Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen. Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen, vermeidet Missverständnisse und schützt vor unerwünschter Über- oder Unterbehandlung.
Pflegegrad bei Alzheimer
Alzheimer ist nicht heilbar und führt früher oder später zu einem erhöhten Unterstützungs- und schließlich auch Pflegebedarf. Finanzielle Unterstützung erhalten pflegebedürftige Menschen durch die Erteilung eines Pflegegrads.
Fazit
Die Frage, ob Alzheimer vererbbar ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Während die seltene familiäre Form (FAD) eindeutig genetisch bedingt ist, spielen bei der häufigeren sporadischen Form Alter und Lebensstil eine größere Rolle, auch wenn genetische Risikofaktoren das Risiko beeinflussen können. Gentests können in bestimmten Fällen sinnvoll sein, sollten aber immer von einer ausführlichen genetischen Beratung begleitet werden. Unabhängig von der genetischen Veranlagung können präventive Maßnahmen und ein gesunder Lebensstil dazu beitragen, das Demenz-Risiko zu senken. Die Alzheimer-Forschung ist weiterhin aktiv auf der Suche nach neuen Therapieansätzen, um die Krankheit zu heilen oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen.