Eine Verletzung des Nervus axillaris, auch bekannt als Achselnerv, kann zu erheblichen Beeinträchtigungen der Schulterfunktion führen. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie, Funktion, Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten einer solchen Verletzung.
Anatomie und Funktion des Nervus axillaris
Der Nervus axillaris entspringt den Segmenten C5 und C6 der Halswirbelsäule und ist somit Teil des Plexus brachialis, einem Nervengeflecht, das für die Versorgung des Armes zuständig ist. Er verläuft durch die seitliche Achsellücke am Oberarmkopf entlang zur Rückseite des Arms.
Versorgungsgebiet:
- Motorisch: Der Nervus axillaris innerviert den Musculus deltoideus (Deltamuskel), der für die Armhebung (Abduktion) verantwortlich ist, sowie den Musculus teres minor, einen kleinen Muskel der Rotatorenmanschette, der die Aussenrotation des Armes unterstützt.
- Sensibel: Er versorgt die Haut des seitlichen Schulterbereichs (über dem Deltamuskel) mit sensorischen Informationen.
Ursachen einer Axillarisnerv-Verletzung
Der Nervus axillaris kann durch verschiedene Mechanismen geschädigt werden:
- Traumatische Ereignisse:
- Schulterluxationen (Ausrenkungen): Da der Nervus axillaris nahe an der Gelenkkapsel der Schulter verläuft, kann er bei einer Schulterluxation, insbesondere einer vorderen, gedehnt oder sogar durchtrennt werden.
- Oberarmkopfbrüche (Humeruskopffrakturen): Brüche des proximalen Humerus, insbesondere des Collum chirurgicum, können den Nerv direkt verletzen.
- Hochrasanztraumata: Unfälle mit hoher Sturzenergie, insbesondere bei jüngeren Menschen, können zu Frakturen und Nervenverletzungen führen.
- Kompression:
- Quadrilateraler Raum Syndrom: Eine Kompression des Nervus axillaris in der Achsellücke, zwischen dem Musculus teres major, Musculus teres minor, Caput longum des Musculus triceps brachii und dem Humerus, kann durch fibröse Bandstrukturen verursacht werden. Dies wird als Quadrilateraler Raum Syndrom bezeichnet.
- Muskuläre Belastung: Vermehrte muskuläre Belastung, beispielsweise bei Sportarten wie Baseball, Volleyball oder Squash, kann zur Kompression beitragen.
- Hypertrophie des M. teres minor: Bei Paraplegie kann es zu einer Hypertrophie des M. teres minor kommen, was ebenfalls den Nerv einklemmen kann.
- Entzündungen: Eine Entzündung des Nervus axillaris kann im Rahmen einer Entzündung des gesamten Nervengeflechts (Plexus brachialis) im Arm auftreten (Neuralgische Schulteramyotrophie).
- Iatrogen: Selten kann der Nerv im Rahmen von Operationen im Schulterbereich geschädigt werden.
- Druckschädigung: Längere Druckeinwirkung auf den Nerv, beispielsweise durch Krücken, kann ebenfalls zu einer Schädigung führen.
- C5-Radikulopathie: Eine Nervenwurzelreizung im Bereich der Halswirbelsäule (C5) kann ebenfalls Symptome verursachen, die einer Axillarisnerv-Verletzung ähneln.
Symptome einer Axillarisnerv-Verletzung
Die Symptome einer Axillarisnerv-Verletzung können vielfältig sein und hängen vom Schweregrad der Schädigung ab:
- Muskelschwäche:
- Schwäche der Armhebung (Abduktion): Die Unfähigkeit, den Arm seitwärts anzuheben, ist ein typisches Zeichen. Betroffene können den Arm oft nur bis zu einem bestimmten Punkt heben.
- Schwäche der Aussenrotation: Schwierigkeiten bei der Aussenrotation des Armes können ebenfalls auftreten.
- Atrophie des Deltamuskels: Bei länger bestehenden Schädigungen kann es zu einem Gewebeschwund (Atrophie) des Deltamuskels kommen, was zu einer sichtbaren Delle im Schulterbereich führt.
- Sensibilitätsstörungen:
- Taubheitsgefühl: Ein Taubheitsgefühl oder eine verminderte Sensibilität im Bereich der äusseren Schulter und Schulterkappe ist häufig.
- Schmerzen:
- Neuropathische Schmerzen: Nervenschmerzen, die als brennend, stechend oder elektrisierend beschrieben werden, können auftreten, insbesondere in der Achselhöhle.
- Dumpfer Schulterschmerz: Bei Kompressionssyndromen, wie dem Quadrilateralen Raum Syndrom, kann ein lateraler und dorsaler, dumpfer Schulterschmerz auftreten, der sich bei Anteflexion, Abduktion und Aussenrotation verstärkt.
Diagnose einer Axillarisnerv-Verletzung
Die Diagnose einer Axillarisnerv-Verletzung basiert auf einer Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und bildgebenden Verfahren:
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- Anamnese: Der Arzt wird nach dem Unfallhergang, den genauen Beschwerden und Vorerkrankungen fragen.
- Körperliche Untersuchung:
- Inspektion: Beurteilung der Schulter auf Atrophie des Deltamuskels.
- Palpation: Abtasten der Schulter und der Achselhöhle auf Druckschmerzhaftigkeit.
- Neurologische Untersuchung: Prüfung der Armabduktion ab 15° gegen Widerstand, Test der Sensibilität im Bereich der äusseren Schulter und Beurteilung der Aussenrotation.
- Elektrophysiologische Untersuchungen:
- Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Diese Untersuchung misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Impulse entlang des Nervs geleitet werden. Eine verlangsamte Leitgeschwindigkeit deutet auf eine Nervenschädigung hin.
- Elektromyographie (EMG): Das EMG misst die elektrische Aktivität der Muskeln. Es kann helfen, den Schweregrad der Nervenschädigung zu beurteilen und andere Ursachen für die Muskelschwäche auszuschliessen.
- Bildgebende Verfahren:
- Röntgen: Röntgenaufnahmen der Schulter können Frakturen oder Luxationen ausschliessen.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Eine MRT der Schulter kann Weichteilverletzungen, wie z.B. Risse der Rotatorenmanschette, oder Kompressionen des Nervs darstellen.
- Angiographie: Bei Verdacht auf ein Quadrilateraler Raum Syndrom kann eine Angiographie durchgeführt werden, um einen Verschluss der Arteria circumflexa humeri posterior nachzuweisen.
Behandlung einer Axillarisnerv-Verletzung
Die Behandlung einer Axillarisnerv-Verletzung hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Schädigung ab:
- Konservative Behandlung:
- Krankengymnastik: Gezielte Übungen zur Kräftigung des Deltamuskels und des Musculus teres minor können helfen, die Funktion des Nervs zu erhalten und die Beweglichkeit der Schulter zu verbessern.
- Schmerzkontrolle: Schmerzmittel können zur Linderung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden.
- Immobilisation: Beim Quadrilateralen Raum Syndrom kann eine vorübergehende Ruhigstellung der Schulter helfen.
- Lokale Kortisoninjektionen: In einigen Fällen können Kortisoninjektionen in den Bereich des Nervs die Entzündung reduzieren und die Symptome lindern.
- Chirurgische Behandlung:
- Nervenrekonstruktion: Bei einer traumatischen Nervendurchtrennung oder hochgradigen Druckschädigung kann eine chirurgische Intervention erforderlich sein, um den Nerv zu reparieren oder zu rekonstruieren. Dies kann durch eine Nervennaht, eine Nerventransplantation oder eine Dekompression des Nervs erfolgen.
- Dekompression: Beim Quadrilateralen Raum Syndrom kann eine chirurgische Dekompression des Nervs erforderlich sein, um die Kompression zu beseitigen.
- Muskelersatzoperationen: Wenn der Nerv über einen längeren Zeitraum (z.B. über 1 Jahr) geschädigt ist und der Deltamuskel irreversibel geschädigt ist, können Muskelersatzoperationen in Betracht gezogen werden.
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig, andere Ursachen für Schulterschmerzen und Muskelschwäche auszuschliessen, bevor die Diagnose einer Axillarisnerv-Verletzung gestellt wird. Dazu gehören:
- Rotatorenmanschettenriss: Ein Riss der Rotatorenmanschette kann ähnliche Symptome wie eine Axillarisnerv-Verletzung verursachen, insbesondere Schmerzen und Schwäche bei der Armhebung.
- Schulterimpingement: Ein Engpass-Syndrom im Schultergelenk kann ebenfalls zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.
- Arthrose des Schultergelenks (Omarthrose): Arthrose kann Schmerzen und Steifigkeit im Schultergelenk verursachen.
- Zervikale Radikulopathie: Eine Nervenwurzelreizung im Bereich der Halswirbelsäule (z.B. C5-Radikulopathie) kann Schmerzen und Schwäche im Arm verursachen.
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