Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem junge Menschen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr betrifft. In Deutschland sind mehr als 250.000 Menschen betroffen, wobei Frauen etwa zwei Drittel der Fälle ausmachen. Die MS manifestiert sich oft in Schüben, die mit neurologischen Ausfällen wie Lähmungen, Sehstörungen oder Koordinationsproblemen einhergehen können.
Schubtherapie bei MS: Kortison und alternative Verfahren
Bei akuten MS-Schüben ist die intravenöse Gabe von Kortikosteroiden (Glukokortikosteroide, GKS) die Standardtherapie. Diese soll die Entzündung im Nervensystem reduzieren und die Symptome lindern. Allerdings sprechen nicht alle Patienten auf Kortison an, oder die Symptome persistieren trotz der Behandlung. In solchen Fällen kann eine Eskalation der Therapie notwendig sein.
Eine solche Eskalationstherapie stellt die sogenannte "Blutwäsche" dar, wobei hier zwei Verfahren unterschieden werden: die Plasmapherese und die Immunadsorption. Diese kommen zum Einsatz, wenn Kortison keine ausreichende Wirkung zeigt oder die Nebenwirkungen zu stark sind.
Plasmapherese
Bei der Plasmapherese wird das gesamte Plasma des Patienten gegen Humanalbumin ausgetauscht. Dieses Verfahren ist aufwendiger und erfordert in der Regel einen längeren Krankenhausaufenthalt. Ljuba, eine MS-Patientin, berichtet, dass ihr eine Plasmapherese angeboten wurde, nachdem sie eine intensive Sehnerventzündung mit 90% Sehverlust erlitten hatte und die Cortisontherapie nicht wirksam war.
Immunadsorption
Die Immunadsorption ist ein spezifischeres Verfahren, bei dem gezielt Autoantikörper aus dem Blut entfernt werden, während das eigene Plasma dem Körper wieder zugeführt wird. Dies macht die Immunadsorption etwas weniger aufwendig als die Plasmapherese. Studien haben gezeigt, dass die Immunadsorption vergleichbare Ergebnisse wie die Plasmapherese erzielen kann, jedoch mit weniger Nebenwirkungen und besserer Verträglichkeit. Insbesondere die Tryptophan-Immunadsorption (Tryptophan-IA) hat sich als wirksam erwiesen.
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Indikation und Durchführung der Blutwäsche
Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sehen den Plasmaaustausch bzw. die Immunadsorption als Eskalationstherapie bei steroidrefraktären MS-Schüben vor. Das bedeutet, dass diese Verfahren in Betracht gezogen werden, wenn ein Schub trotz hochdosierter Kortisongabe nicht ausreichend auf die Behandlung anspricht und weiterhin funktionelle Beeinträchtigungen bestehen.
Für die Durchführung der Blutwäsche ist ein Krankenhausaufenthalt notwendig, der bei der Immunadsorption etwa 5-7 Tage und bei der Plasmapherese 10-14 Tage dauern kann. Dies liegt daran, dass zum Austausch des Blutes relativ großvolumige Katheter benötigt werden, die bisweilen am Hals angebracht werden müssen. Zudem muss sichergestellt sein, dass keine Luft in den Blutkreislauf gelangt. In der Regel sind fünf Austausche erforderlich, wobei bei der Plasmapherese zwischen jedem Austausch ein Tag Pause liegen sollte.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Blutwäsche keinRoutineverfahren ist, sondern nur in bestimmten Fällen und nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und Vorteile eingesetzt wird. Allerdings gibt es Patienten, die besonders gut auf diese Verfahren ansprechen, während Kortison bei ihnen keine Wirkung zeigt. In solchen Fällen kann die Blutwäsche eine wertvolle Therapieoption darstellen.
Erfahrungen und Perspektiven
Ljuba berichtet, dass sie vor dem Eingriff große Angst hatte, aber von den Ärzten sehr kompetent aufgeklärt wurde und Bedenkzeit erhielt. Sie wurde von ihrem Mann und ihrer Familie unterstützt, was ihr half, sich abzulenken.
Studien haben gezeigt, dass mit der Immunadsorption bei über der Hälfte der Patienten mit schweren Schüben, die nicht auf Kortison ansprechen, eine deutliche Verbesserung erreicht werden kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Wirkung der Immunadsorption nur etwa sechs bis acht Wochen anhält, bevor es zu einer erneuten Produktion von Entzündungseiweißen kommen kann. Daher ist es ratsam, im Anschluss eine immunologische Therapie einzuleiten.
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Patientenleitlinie MS: Wissen für informierte Entscheidungen
Um Patienten bei der komplexen Entscheidungsfindung im Rahmen ihrer MS-Erkrankung zu unterstützen, wurde die erste MS-Patientenleitlinie veröffentlicht. Diese Leitlinie basiert auf der ärztlichen Leitlinie zur Diagnose und Therapie der MS und übersetzt die wichtigsten Empfehlungen in eine leicht verständliche Sprache. Sie soll Betroffenen helfen, die Hintergründe von Therapieentscheidungen zu verstehen und ihre eigenen Wünsche und Vorlieben in den Entscheidungsprozess einzubringen.
Die Patientenleitlinie behandelt unter anderem die Diagnose der MS, die Schubtherapie und die Immuntherapien. Im Kapitel zur Schubtherapie wird detailliert erläutert, wann und wie ein Schub mit Kortison behandelt werden sollte, welche Ziele und Nebenwirkungen diese Therapie hat und wann eine Eskalation mittels Blutwäsche in Betracht gezogen werden sollte.
Immuntherapien bei MS: Vielfalt und Wirksamkeit
Ein wichtiger Aspekt der MS-Therapie ist die Immuntherapie, die darauf abzielt, den Krankheitsverlauf langfristig zu beeinflussen. Mittlerweile stehen fast 20 Immuntherapien zur Verfügung, die in drei Wirksamkeitskategorien eingeteilt werden: mäßig, stark und höchst wirksam. Die Wahl der geeigneten Immuntherapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Verlauf der Erkrankung, dem individuellen Risikoprofil des Patienten und seinen persönlichen Präferenzen.
Die Patientenleitlinie bietet zu allen Immuntherapien einen kurzen Überblickstext und erläutert, wie der Wechsel einer Immuntherapie erfolgen sollte, wenn diese nicht ausreichend wirksam ist oder Nebenwirkungen verursacht. Auch die Frage, ob und wann eine Immuntherapie pausiert oder beendet werden kann, wird ausführlich diskutiert.
MS und Schwangerschaft: Besondere Regeln
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Behandlung von MS während der Schwangerschaft. Hier gelten besondere Regeln, da bestimmte Medikamente während der Schwangerschaft vermieden werden müssen, um das ungeborene Kind nicht zu gefährden. Die Patientenleitlinie gibtEmpfehlungen, welche Medikamente bis zum Eintritt der Schwangerschaft oder sogar währenddessen gegeben werden können und welche vermieden werden müssen.
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