Auf leisen Sohlen ins Gehirn: Wie Metaphern unser Denken und unsere Politik beeinflussen

Das Buch „Auf leisen Sohlen ins Gehirn“ von George Lakoff und Elisabeth Wehling, ursprünglich 2008 erschienen, erfreut sich in Zeiten von Fake News und politischer Manipulation unverminderter Aktualität. In einem lebendigen Gespräch erörtern die beiden Wissenschaftler die Macht der Metaphern und Deutungsrahmen und wie sie unser Denken, unsere Wahrnehmung und unsere politischen Überzeugungen lenken.

Die Metaphern-Theorie von George Lakoff

George Lakoff, ein Vorreiter auf dem Gebiet der kognitiven Linguistik, argumentiert, dass Metaphern nicht nur sprachliche Werkzeuge sind, sondern die Art und Weise bestimmen, wie wir die Welt wahrnehmen und erfahren. Wir denken und leben in Metaphern, oft ohne uns dessen bewusst zu sein. Lakoff betont, dass Denken physisch ist: Neuronale Verbindungen im Gehirn werden durch wiederholtes Denken gestärkt, was bedeutet, dass unsere Erfahrungen unsere Denkweise formen.

Vertikalität und Quantität: Ein unbewusstes Konzept

Ein klassisches Beispiel für eine Metapher, die wir täglich verwenden, ist die Verbindung von Vertikalität mit Quantität. Wir assoziieren "hoch" mit "mehr", wie bei steigenden Preisen oder zunehmendem Gewicht. Diese Metapher ist so tief in unserem Denken verankert, dass wir sie kaum noch wahrnehmen.

Diskussion ist Krieg: Eine prägende Metapher

Lakoff analysiert die Metapher "Diskussion ist Krieg" und zeigt, wie sie unsere Gesprächsführung beeinflusst. Wir verwenden Begriffe wie "Worte treffen", "sich positionieren" oder "ein Wortgefecht liefern", die implizit eine aggressive Auseinandersetzung suggerieren. Eine alternative Metapher, wie "Diskussion ist Tanz", könnte ein kooperativeres Miteinander fördern.

Abstraktion und Metaphern: Zuneigung ist Wärme

Abstrakte Konzepte wie Zuneigung benötigen Metaphern, um für uns greifbar zu werden. "Zuneigung ist Wärme" ist eine gängige Metapher, die sich in Ausdrücken wie "warmherzig", "eine Beziehung erkaltet" oder "kaltblütig" manifestiert. Oft existieren mehrere, sich widersprechende Metaphern für ein Konzept, aber wir können uns nur innerhalb dieser Denkmuster bewegen.

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Unbewusstes Denken und die Realität

Lakoff betont, dass 80 Prozent unseres Denkens unbewusst ablaufen. Metaphern bilden nicht die Realität an sich ab, sondern wählen spezifische Aspekte aus und verbergen andere.

Frames: Deutungsrahmen, die unsere Sichtweise prägen

Lakoff führt den Begriff "Frame" ein, um tief verankerte Deutungsrahmen zu beschreiben, die unser Verständnis der Welt strukturieren. Diese Frames beeinflussen, wie wir Informationen interpretieren und bewerten.

Seed-it Frames: Grundlegende Weltanschauungen

Seed-it Frames sind grundlegende Frames, die unsere generellen Überzeugungen und Weltanschauungen prägen. Sie sind oft unhinterfragt und beeinflussen unsere Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft.

Politische Sprache und Manipulation

Lakoff und Wehling untersuchen, wie politische Akteure Sprache gezielt einsetzen, um Frames zu aktivieren und Meinungen zu beeinflussen. Durch die bewusste Verwendung bestimmter Metaphern können sie Emotionen wecken und gewünschte Narrative erzeugen.

Steuerlast vs. Beitrag zum Gemeinwohl: Die Macht der Wortwahl

Die Bezeichnung "Steuerlast" anstelle von "Beitrag zum Gemeinwohl" ist ein Beispiel für eine negativ konnotierte Metapher, die unser Denken in eine bestimmte Richtung lenkt.

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Krieg gegen den Terror vs. Internationale Konfliktbewältigung

Auch der Begriff "Krieg gegen den Terror" suggeriert eine militärische Lösung für ein komplexes Problem, während "internationale Konfliktbewältigung" eine diplomatischere Herangehensweise impliziert.

Familienmodelle in der Politik: Strenger Vater vs. Sorgendes Elternteil

Lakoff analysiert, wie politische Ideologien oft auf Familienmodellen basieren. Der "strenge Vater" steht für konservative Werte wie Disziplin und Eigenverantwortung, während das "sorgende Elternteil" progressive Werte wie Empathie und soziale Gerechtigkeit verkörpert. Diese Modelle sind jedoch nicht unproblematisch, da sie paternalistische Strukturen widerspiegeln.

Die Rolle der Medien und Journalisten

Lakoff und Wehling betonen die Verantwortung von Medien und Journalisten, Metaphern und Frames kritisch zu analysieren und ihre manipulative Wirkung aufzudecken. Sie sollten sich bewusst sein, wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst und alternative Deutungsrahmen anbieten.

Kritik an Lakoffs Theorie

Lakoffs Theorie ist nicht ohne Kritik geblieben. Einige bemängeln seine schematische Dichotomie der zwei Ethiken und die starke Fokussierung auf US-amerikanische Politik. Dennoch bietet sein Ansatz wertvolle Einblicke in die Funktionsweise von Sprache und ihre Bedeutung für politische Meinungsbildung.

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