Capsaicin: Wirkung auf das Gehirn und den Körper

Capsaicin, der Hauptverantwortliche für die Schärfe in Chilischoten, ist eine Substanz, die sowohl in der Küche als auch in der Medizin vielseitig eingesetzt wird. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Wirkungen von Capsaicin, von seinen potenziellen Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit bis hin zu seiner Rolle in der Schmerztherapie, und berücksichtigt dabei sowohl aktuelle Forschungsergebnisse als auch praktische Anwendungen.

Capsaicin und Kognitive Funktionen: Eine Studie aus China

Eine Studie der University of South Australia analysierte die "China Health and Nutrition Survey" (CHNS), eine prospektive Kohortenstudie, in der über einen Zeitraum von 15 Jahren die kognitiven Fähigkeiten von fast 5000 Chinesen über 55 Jahren aus neun Provinzen Chinas regelmäßig überprüft wurden. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass ein hoher Chiliverzehr mit einer verringerten kognitiven Leistungsfähigkeit verbunden sein könnte. Konkret wurde festgestellt, dass sich das Risiko für Gedächtnisverlust bei hohem Chiliverzehr verdoppelte.

Im Rahmen der Studie führten die Forscher vier kognitive Screening-Tests mit den Teilnehmern durch, wobei verschiedene Scores für Erinnerungsfähigkeit, Rückwärtszählen und Subtrahieren ermittelt und ein kognitiver Gesamt-Score zwischen 0 und 27 berechnet wurde. Zusätzlich sollten die Teilnehmer ihre kognitiven Leistungen selbst einschätzen und beurteilen, ob sich im vergangenen Jahr etwas an ihrem Gedächtnis oder Erinnerungsvermögen verändert hatte.

Die Teilnehmer wurden anhand ihres durchschnittlichen Chili-Konsums in vier Gruppen eingeteilt: Nichtkonsumenten und Konsumenten mit 1-20 g/Tag, 20-50 g/Tag und mehr als 50 g/Tag. Zudem wurde zwischen zwei unterschiedlichen Ernährungsmustern unterschieden, um mögliche Störeffekte zu erkennen: ein traditionelles südliches Ernährungsmuster (Reis, Schwein, Gemüse, wenig Weizen) und ein "modernes" Muster (Früchte, Sojamilch, Eier, frittierte Nahrungsmittel, Bier).

Die Ergebnisse zeigten, dass in der Gruppe mit einem durchschnittlichen Verzehr von mehr als 50 g Chili pro Tag die Abnahme der Kognition im Vergleich zu den Nicht-Konsumenten deutlich verschlechtert war. Der vermehrte Chilikonsum erhöhte das Risiko für ein selbst berichtetes schlechtes Gedächtnis um 56 Prozent. Interessanterweise war der Effekt bei Probanden mit normalem BMI größer als bei denen mit erhöhtem BMI, was darauf hindeutet, dass schlanke Menschen mit hohem Chili-Konsum möglicherweise sensibler auf Chili reagieren.

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Als mögliche Ursache für diese Ergebnisse vermuten die Wissenschaftler das Alkaloid Capsaicin, das für die Schärfe verschiedener Paprikaschoten verantwortlich ist. Es ist wichtig zu beachten, dass in der Studie sowohl der Konsum von frischer als auch getrockneter Chili berücksichtigt wurde, während andere Gewürze wie schwarzer Pfeffer aufgrund ihres geringen Capsaicin-Gehalts nicht einbezogen wurden.

Medizinische Anwendungen von Capsaicin

Im medizinischen Bereich wird Capsaicin zur äußeren Anwendung in Form von Cremes, Salben und Pflastern eingesetzt. Die hautreizende und durchblutungsfördernde Wirkung kann bei Muskelverspannungen, Gelenkschmerzen, neuropathischen Schmerzen und Rheuma helfen und Betroffenen Linderung verschaffen. Unerwünschte Nebenwirkungen sind vor allem lokale Hautreaktionen wie Brennen und Rötung. Bei empfindlicher Haut sollten capsaicinhaltige Formulierungen daher nicht verwendet werden und grundsätzlich nur auf gesunder, intakter Haut angewendet werden.

Warnung der WHO vor schwerwiegenden Nebenwirkungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor möglicherweise schwerwiegenden Nebenwirkungen bei der Anwendung von Capsaicin-haltigen Präparaten, insbesondere bei medizinischem Personal. Eine wiederholte Exposition gegenüber Capsaicin kann zu schwerer und möglicherweise chronischer Überempfindlichkeit führen. In der WHO-Datenbank VigiBase wurden 42 Fälle von Überempfindlichkeitsreaktionen im Zusammenhang mit Capsaicin gefunden, von denen sieben auf beruflicher Exposition beruhten. Zu den berichteten Reaktionen zählten Husten, Rachenreizung, Atemnot, Juckreiz, Schmerzen an der Applikationsstelle, Augenschmerzen, Nesselsucht, Erythem und Blasenbildung. Selbst bei Einhaltung der empfohlenen Schutzmaßnahmen traten unerwünschte Reaktionen bei medizinischem Personal auf.

Capsaicin in der Schmerztherapie

Capsaicin spielt eine bedeutende Rolle in der Schmerztherapie, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen. Es wirkt, indem es den TRPV1-Rezeptor (Transient Receptor Potential Vanilloid 1) auf kutanen Nervenfasern stimuliert. Eine hohe Dosis Capsaicin führt nach einer initialen Schmerzzunahme zu einem reversiblen Funktionsverlust der nozizeptiven Afferenzen und bewirkt so eine Schmerzlinderung.

Ein Pflaster mit hochdosiertem Capsaicin (8%, Qutenza™) hat sich als wirksam bei der Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen bei nichtdiabetischen erwachsenen Patienten erwiesen. Studien haben gezeigt, dass die einmalige Applikation des Pflasters zu einer signifikanten Schmerzreduktion bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie (PHN) und HIV-assoziierter distaler sensorischer Polyneuropathie (HIV) führt. Die Wirkung setzt bereits in der ersten Woche ein und bleibt über 12 Wochen erhalten.

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Die Anwendung des Pflasters sollte von einem Arzt oder einer medizinischen Fachkraft unter Aufsicht eines Arztes durchgeführt werden. Akute Schmerzen während und nach der Behandlung können durch örtliche Kühlung oder mit oralen Analgetika behandelt werden. Bei Bedarf kann die Anwendung alle 90 Tage wiederholt werden.

Wie Capsaicin wirkt: Der Mechanismus der Schärfeempfindung

Capsaicin aktiviert bestimmte "Schmerzrezeptoren" (Nozizeptoren), insbesondere den transienten Rezeptor-Potenzial-Kationenkanal der Unterfamilie V, Subtyp 1 (TRPV1)-Rezeptor. Dieser Rezeptor kommt in Nervenzellen des zentralen und peripheren Nervensystems vor. Neben Capsaicin können auch andere Reize wie Hitze oder ein erniedrigter pH-Wert TRPV1 aktivieren, was im Gehirn als Schmerzsignal wahrgenommen wird. Initial kommt es zu Schmerz, Schärfe, Brennen oder einem Erythem. Später soll es zur kutanen Desensibilisierung des Nozizeptors kommen, was sodann für die gewünschte Schmerzlinderung verantwortlich sein soll.

Praktische Hinweise zum Umgang mit Capsaicin

  • Schutzmaßnahmen: Beim Umgang mit sehr scharfen Chili-Schoten sollten Schutzhandschuhe getragen werden. Hände und Geschirr sollten gründlich gereinigt und Kinder ferngehalten werden. Bei gemahlenen Schoten sollte der Staub nicht eingeatmet werden (ggf. Staubmaske tragen).
  • Erste Hilfe bei zu viel Schärfe: Bei zu starker Schärfe sollte man kein Wasser trinken, da Capsaicin eine ölige Substanz ist, die sich nicht mit Wasser verbindet. Stattdessen helfen fetthaltigeSubstanzen wie Joghurt, Milch oder Käse, das Schärfegefühl zu lindern.
  • Langsame Gewöhnung: Der Körper sollte sich langsam an scharfes Essen gewöhnen, um die Magenschleimhaut nicht zu schädigen.

Capsaicin: Mehr als nur Schärfe

Capsaicin ist eine faszinierende Substanz mit vielfältigen Wirkungen auf den Körper. Während die Studie aus China Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von hohem Chiliverzehr auf die kognitive Leistungsfähigkeit aufwirft, hat Capsaicin in der Medizin einen festen Platz in der Schmerztherapie. Es ist wichtig, die potenziellen Risiken und Vorteile von Capsaicin zu berücksichtigen und es verantwortungsvoll zu verwenden.

Weitere gesundheitliche Aspekte von Chili

Neben Capsaicin enthalten Chilis auch andere wertvolle Inhaltsstoffe, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können. So regen sie den Speichelfluss und die Magensaftproduktion an, was die Verdauung fördert. Zudem können sie bei Erkältungen die Symptome lindern, da sie die Nasenschleimhäute besser durchbluten und die Bildung von Nasensekret fördern.

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