Casein, ein Hauptprotein in Milch, hat in den letzten Jahren aufgrund seiner potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere auf das Gehirn, viel Aufmerksamkeit erregt. Dieser Artikel untersucht die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkung von Casein, einschließlich der Unterschiede zwischen A1- und A2-Casein, der Bildung von Casomorphinen und der möglichen Verbindung zu neurologischen Erkrankungen.
Was ist Casein?
Casein macht etwa 80 % des Gesamteiweißgehalts in Kuhmilch aus und ist auch in Muttermilch enthalten, wo es etwa 40 % des Proteingehalts ausmacht. Es ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Proteinen, die sich in α-, β-, γ- und κ-Caseine unterteilen. Casein wird traditionell zu Käse verarbeitet, was sich auch in der Wortherkunft widerspiegelt: Der Name leitet sich vom lateinischen Wort "caseus" für Käse ab.
A1- vs. A2-Casein: Ein Vergleich
Die Bezeichnungen A1 und A2 beziehen sich auf Varianten des β-Caseins, die sich in ihrer Aminosäurezusammensetzung unterscheiden. A1- und B-Varianten enthalten an einer bestimmten Stelle der Aminosäurenkette Histidin, während A2 an dieser Stelle Prolin aufweist. Einige Rinderrassen produzieren überwiegend A1-Milch, während andere (z. B. Jersey, Brown Swiss und Guernsey) eher A2-Milch produzieren.
Dieser Unterschied in der Aminosäurezusammensetzung beeinflusst die Verdauung von Casein. Bei der Verdauung von A1- und B-Casein kann ein Peptid namens Betacasomorphin-7 (BCM7) entstehen, das bioaktive Wirkungen hat. Bei der A2-Variante entsteht BCM7 nicht. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die B-Variante mehr BCM7 produzieren kann als die A1-Variante. Da die meisten Rinderrassen alle drei Varianten bilden, ist das Verhältnis entscheidend für die Gesamtmenge an gebildetem BCM7.
Betacasomorphin-7 (BCM7): Mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit
Die mögliche Bildung von BCM7 aus A1-β-Casein wird seit etwa 20 Jahren mit verschiedenen gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht, darunter Auswirkungen auf das Gehirn (Autismus, plötzlicher Kindstod), Störungen im Fettstoffwechsel, Atherosklerose und Diabetes mellitus Typ 1. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam jedoch 2009 zu dem Schluss, dass die vorhandenen Daten diese Hypothesen nicht ausreichend belegen.
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Bisherige Humanstudien sind überwiegend ökologischer Natur, wobei das Auftreten von Krankheiten in verschiedenen Ländern mit deren Ernährungsgewohnheiten verglichen wird. Solche Studien berücksichtigen jedoch oft nicht ausreichend andere Einflussfaktoren. Zwei weitere Kurzzeitstudien wurden am Menschen durchgeführt. In einer Studie hatten gesunde Erwachsene nach dem Konsum von Milch mit A1-β-Casein eine etwa 10 % höhere Stuhlkonsistenz als nach dem Konsum von Milch mit A2-β-Casein. In einer anderen Studie mit Kindern mit chronischer Verstopfung zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Stuhlfrequenz zwischen A1- und A2-Milch. Es ist wichtig zu erwähnen, dass alle bisherigen Humanstudien von Vermarktern der A2-Milch finanziell gefördert wurden.
Casein-Morphine und ihre Auswirkungen
Sowohl Gluten (Weizenprotein) als auch Casein (Milchprotein) können im Darm Morphine bilden. Es wird angenommen, dass diese Opioide bei Kälbern die Bindung zur Mutter fördern. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte, dass diese Morphine die Cystein-Aufnahme in Nerven- und Darmzellen hemmen können. Da Cystein eine Vorstufe von Glutathion ist, könnte dies die antioxidative Kapazität der Zellen beeinträchtigen. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2015 deutete darauf hin, dass Casomorphin, das aus menschlichem Casein entsteht, weniger stark wirkt als Kuhmilch-Casomorphin.
Casein und Multiple Sklerose (MS)
Eine Studie des Universitätsklinikums Bonn deutet darauf hin, dass Kuhmilch-Casein bei MS-Patienten eine fehlgeleitete Immunreaktion auslösen kann. Bei Mäusen führte die Injektion von Casein zusammen mit einem Wirkverstärker zu neurologischen Störungen und Schädigungen der Myelinschicht um die Nervenfasern. Es wurde festgestellt, dass die B-Zellen im Blut von MS-Patienten besonders stark auf Casein reagieren. Dies deutet darauf hin, dass der Konsum von Milchprodukten bei MS-Patienten, die gegen Kuhmilch-Casein allergisch sind, eine verstärkte Produktion von Casein-Antikörpern auslösen kann, die möglicherweise das Myelin angreifen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Ergebnisse nicht bedeuten, dass eine Casein-Überempfindlichkeit zwangsläufig zu MS führt, sondern dass möglicherweise weitere Risikofaktoren erforderlich sind.
Casein und Suchtpotenzial
Studien haben gezeigt, dass Casein ein Suchtpotenzial haben kann, das mit dem von Opioiden vergleichbar ist. Bei der Verdauung von Casein entstehen Casomorphine, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Rezeptoren im Gehirn stimulieren können, was zu einem Wohlgefühl führt. Dies könnte evolutionsbiologisch bedingt sein, da Muttermilch Säugetiere beruhigt. Käse hat aufgrund seines hohen Casein-Gehalts ein besonders hohes Suchtpotenzial.
Casein als Proteinquelle
Casein ist eine hochwertige Eiweißquelle, die sich vielseitig in den Alltag einbinden lässt, z. B. in Shakes, Quark, Protein-Pudding oder Backrezepten. Es bietet eine langsame Freisetzung von Aminosäuren und ein langes Sättigungsgefühl, was es besonders für die nächtliche Versorgung mit Eiweiß geeignet macht.
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Empfehlungen für den Casein-Konsum
Obwohl Casein potenziell gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann, ist ein moderater Konsum im Allgemeinen unbedenklich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine Menge von 50 bis 60 Gramm Käse pro Tag. Es ist ratsam, stark verarbeitete Käsesorten und -produkte zu meiden und stattdessen auf hochwertige, biologische Produkte zu setzen. Vegane Käsesorten können eine Alternative darstellen, um das Suchtpotenzial zu reduzieren.
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