Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP): ICD-Code, Ursachen, Diagnose und Therapie

Die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist eine seltene Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems. Sie wurde erstmals 1968 von William R. beschrieben. Die CIDP gehört zu den erworbenen Neuropathien und ist durch eine Entzündung und Demyelinisierung der peripheren Nerven gekennzeichnet. Dies führt zu Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen und anderen neurologischen Symptomen. Im Gegensatz zu der am ehesten altersbedingten idiopathischen Polyneuropathie, die sehr langsam über Jahre fortschreitet, entwickelt sich die Symptomatik bei allen Erscheinungsformen (klassisch und atypische Varianten) jedoch in der Regel rascher, d.h. innerhalb von Wochen und Monaten. Der Verlauf kann sowohl kontinuierlich fortschreitend, aber auch schubförmig sein.

Epidemiologie

Die CIDP ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von 4 bis 8 pro 100.000 Menschen. Sie kann in jedem Alter auftreten, tritt aber gehäuft im 6. und 7. Lebensjahrzehnt auf. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Ursachen

Die genauen Ursachen der CIDP sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Myelinscheiden angreift, die die Nervenfasern umhüllen. Ursächlich für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung ist wahrscheinlich eine Kreuzreaktion (Molekulare Mimikry). Hierbei entsteht auf dem Boden einer Infektion eine Immunantwort aufgrund von gemeinsamen, kreuzreagierenden Epitopen, die ihrerseits mit Komponenten des peripheren Nervensystems reagieren. Diese können zum Beispiel gegen die Hüllschicht, also das Myelin, gerichtet sein. Es kommt zu einer Schädigung des Myelins, also zu einer sogenannten Demyelinisierung. Höchstwahrscheinlich trägt aber auch eine Vorschädigung der Nerven, durch die bestimmte Epitope freigesetzt werden können, entscheidend dazu bei.

In einigen Fällen kann die CIDP mit anderen Erkrankungen assoziiert sein, wie z. B.:

  • Infektionen
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
  • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen
  • Sarkoidose
  • Metabolische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
  • Maligne Erkrankungen
  • Monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS)

Symptome

Die Symptome der CIDP können je nach betroffenem Nerv variieren. Die häufigsten Symptome sind:

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  • Muskelschwäche: Die Muskelschwäche betrifft typischerweise die Beine und Arme, sowohl körperstammnah (proximal) als auch körperfern (distal). Die Fußhebung und das Treppensteigen können erschwert sein. Es können Schwierigkeiten in der Feinmotorik der Hände aber auch bei Überkopfarbeiten auftreten.
  • Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbelgefühle oder Gangunsicherheit können auftreten. Selten treten auch Brennschmerzen auf.
  • Reflexverlust: Abgeschwächte oder erloschene Reflexe sind typisch, insbesondere in den betroffenen Regionen.
  • Müdigkeit: Verstärkte Ermüdbarkeit und geminderte körperliche Belastbarkeit können auftreten.
  • Schmerzen: Muskelschmerzen können auftreten.

Die Symptome können sich langsam über Wochen oder Monate entwickeln oder schubweise auftreten.

Diagnose

Die Diagnose der CIDP basiert auf einer Kombination aus:

  • Klinischer Untersuchung: Beurteilung der Symptome und des neurologischen Status des Patienten.
  • Elektrophysiologischen Untersuchungen: Neurographie und Elektromyographie (EMG) zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und der Muskelaktivität. Die elektrophysiologischen Kriterien umfassen:
    • um ≥ 50 % verlängerte distal-motorische Latenzen in mindestens zwei Nerven über obere Normgrenze (ULN, upper limit of normal)
    • motorische Leitgeschwindigkeit ≥ 30 % unter untere Normgrenze (LLN, lower limit of normal) in mindestens zwei Nerven
    • ≥ 20 % Verlängerung über ULN der F-Wellen-Latenzen in mindestens zwei Nerven (≥ 50 %, falls distales CMAP < 80 % LLN)
    • Abwesenheit von F-Wellen in mindestens zwei Nerven, falls distales CMAP ≥ 20 % und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven
    • partieller motorischer Leitungsblock: ≥ 50 % Amplitudenreduktion im CMAP proximal versus distal, falls distaler MAP ≥ 20 % LLN in zwei Nerven oder in einem Nerv und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven
    • abnormale zeitliche Dispersion (> 30 % Anstieg der Dauer zwischen proximalem und distalem negativen Ausschlag des CMAP)
    • Distale Dauer des CMAP (Muskelsummenpotenzial, negativer Ausschlag, compound muscle action potential) ≥ 9 ms in mindestens einem Nerv und zusätzlich ein demyelinisierender Parameter in einem weiteren Nerven
  • Liquoruntersuchung: Analyse des Nervenwassers, das bei CIDP-Patienten häufig eine erhöhte Eiweißkonzentration ohne sonstige entzündliche Veränderungen zeigt.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung der Nervenplexus und -wurzeln, die bei CIDP-Patienten entzündliche Veränderungen zeigen können.
  • Ultraschalluntersuchung: Darstellung von Nervenschwellungen.
  • Nervenbiopsie: In einigen Fällen kann eine Nervenbiopsie erforderlich sein, um die Diagnose zu bestätigen und andere Ursachen für die Neuropathie auszuschließen. Sie spielen noch eine Rolle bei akuten, inflammatorischen und rasch progredienten Neuropathien.

Es ist wichtig, andere Ursachen für Polyneuropathien auszuschließen, wie z. B.:

  • Borreliose
  • Diphtherie
  • Alkohol- oder Drogenmissbrauch
  • Vererbte Neuropathien
  • Andere Immunneuropathien (z.B. Guillain-Barré-Syndrom, multifokale motorische Neuropathie)

ICD-Code

Da die CIDP im ICD nicht direkt abgebildet ist, wird in der Regel der Code G61.- für Polyneuritis verwendet, der durch den Zusatz "[Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie] CIDP" ergänzt wird. Es ist wichtig, die Diagnose durch weitere Codes zu spezifizieren, um Begleiterkrankungen oder spezifische Manifestationen der CIDP zu berücksichtigen.

Therapie

Die CIDP ist eine behandelbare Erkrankung. Die Behandlung zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren und das Immunsystem zu modulieren, um weitere Nervenschäden zu verhindern. Die wichtigsten Therapieoptionen sind:

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  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): IVIG sind Antikörper, die aus dem Blut gesunder Spender gewonnen werden. Sie wirken immunmodulatorisch und können die Entzündung in den Nerven reduzieren.
  • Glukokortikosteroide (Kortikosteroide): Kortikosteroide sind entzündungshemmende Medikamente, die ebenfalls das Immunsystem unterdrücken können.
  • Plasmaaustausch (Plasmapherese): Bei der Plasmapherese wird das Blut des Patienten gefiltert, um schädliche Antikörper und Entzündungsstoffe zu entfernen.

Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von der Schwere der Erkrankung, dem Alter und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten ab. Bei Versagen dieser Therapien kommen auch immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil, Ciclosporin A in Betracht. Unter Umständen kommen auch therapeutische Antikörper, wie z.B. Rituximab, zum Einsatz.

Zusätzlich zur medikamentösen Therapie können Physiotherapie und Ergotherapie helfen, die Muskelkraft und Funktion zu verbessern. Bei klinisch häufig im Vordergrund stehender sensibler Gang- und Standataxie sowie diffuser Schwindelsymptomatik ist Physiotherapie mit integrierter Gangschulung und Gleichgewichtstraining einsetzbar. Hilfsmittelversorgung und -optimierung sind fester Bestandteil in der Versorgung von Patienten mit Neuropathien, um die Mobilität, Selbstständigkeit in Alltag und Beruf zu unterstützen und zu erhalten.

Prognose

Die Prognose der CIDP ist variabel. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung können viele Patienten eine deutliche Besserung ihrer Symptome erreichen und ein normales oder nahezu normales Leben führen. Einige Patienten können jedoch eine chronische Behinderung entwickeln.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, die CIDP von anderen Neuropathien und Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Dazu gehören:

  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Eine akute, schnell fortschreitende Polyneuropathie, die oft nach einer Infektion auftritt.
  • Multifokale motorische Neuropathie (MMN): Eine seltene, erworbene Erkrankung mit langsamer Progredienz, die asymmetrisch ohne sensible Störungen auftritt.
  • Vaskulitische Neuropathien: Erkrankungen des peripheren Nervensystems (PNS), bei denen es durch entzündliche Veränderungen der Blutgefäße zu einer Nervenschädigung kommt.
  • Hereditäre Neuropathien: Genetisch bedingte Neuropathien wie die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT).
  • Diabetische Neuropathie: Nervenschäden, die durch Diabetes verursacht werden.
  • Alkoholische Neuropathie: Nervenschäden, die durch Alkoholmissbrauch verursacht werden.
  • Amyloidose: Eine Erkrankung, bei der sich abnormale Proteine in den Organen und Geweben ablagern und zu Schäden führen können.
  • Andere Autoimmunerkrankungen: Lupus, rheumatoide Arthritis.

Forschung

Die Forschung zur CIDP konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Therapien und das bessere Verständnis der Ursachen und Mechanismen der Erkrankung. In unseren experimentellen wie klinischen Studien befassen wir uns mit den immunologischen Ursachen sowie neuen Therapieverfahren der CIDP.

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