Stress und Schmerz sind universelle Erfahrungen. Obwohl unterschiedlich, sind sie eng miteinander verbunden. Chronischer Stress kann das Nervensystem erheblich beeinträchtigen und zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen von chronischem Stress auf das Nervensystem und bietet Lösungsansätze zur Bewältigung und Linderung.
Stressoren und die Stressreaktion
Stress ist die Reaktion des Körpers auf Herausforderungen oder Belastungen, sogenannte Stressoren. Diese können physischer, emotionaler oder sozialer Natur sein. Typische Stressoren sind Unzufriedenheit am Arbeitsplatz (Stressfaktor Nummer 1 laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021), Zeitdruck, finanzielle Sorgen, familiäre oder gesundheitliche Probleme.
Die Stressreaktion ist ein evolutionär bedingter Mechanismus, der den Körper auf Kampf oder Flucht vorbereitet. Bis heute läuft diese Reaktion im Körper so ab wie in grauer Vorzeit. Nur war diese Reaktion für den Urmenschen absolut sinnvoll, weil sie sein Leben sicherte. Das Gehirn eines Menschen im 21. Jahrhundert bewertet die Situation, und wenn die vorhandenen Bewältigungsmechanismen subjektiv nicht der anstehenden Herausforderung entsprechen, entsteht Stress. Die Stressreaktion entsteht im Gehirn und wird durch die innere Bewertung äußerer Reize ausgelöst. Im Falle einer Aktivierung wird der Organismus „bis zur letzten Zelle“ über das Nerven- und Hormonsystem in einen Alarmzustand versetzt. Die sog. Stressreaktion wurde vom Begründer der Stresskonzepts Prof. Hans Selye erforscht und erstmals beschrieben. Selye setzte Versuchstiere unterschiedlichen Extrembelastungen aus. Bei den Belastungen handelte es sich um Reize wie Infektion, Vergiftung, Trauma, nervöse Beanspruchung, Hitze, Kälte, Muskelanstrengung oder Röntgenstrahlung. Seit der Erstbeschreibung der Stressreaktion von Selye in den 50er Jahren wurde die Pathophysiologie der Stressreaktion immer weiter erforscht. So wurden die Untersuchungen von Selye vorwiegend an Versuchstieren durchgeführt und die Befunde sind aus heutiger Sicht relativ grob.
Die Verbindung zwischen Stress und Schmerz
Schmerz ist ein unangenehmes sensorisches und emotionales Erlebnis, das mit tatsächlichem oder potentiellem Gewebeschaden verbunden ist. Es gibt akuten Schmerz, der plötzlich auftritt und oft eine klare Ursache hat. Durch Stress wird das sympathische Nervensystem aktiviert und Stresshormone wie Cortisol als auch Adrenalin freigesetzt. Diese Hormone können die Schmerzempfindlichkeit erhöhen, indem sie das Nervensystem sensibilisieren. Stress kann Entzündungsreaktionen im Körper fördern. Entzündungen sind ein zentraler Faktor bei vielen Schmerzerkrankungen wie rheumatoider Arthritis und Migräne. Stress verursacht oft Muskelverspannungen, insbesondere in Bereichen wie dem Nacken und dem Rücken. Chronische Schmerzen können erhebliche psychische Belastungen verursachen. Menschen mit chronischen Schmerzen erleben häufig Angst und Frustration und entwickeln depressive Phasen, was zu einem Teufelskreis aus Schmerz und Stress führen kann. Schmerz beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Aktivitäten des täglichen Lebens werden erschwert, was zu sozialer Isolation und Verlust von Freude an früheren Aktivitäten führt.
Auswirkungen von Stress auf das Nervensystem
Stress hat erhebliche Auswirkungen auf das Hormonsystem. Über einen komplexen Regelmechanismus des Gehirns führt Stress zu einer Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Unter hoher Stressbelastung kommt es zunächst zu einer vermehrten Freisetzung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Cortisol führt als Hormon zu zahlreichen körperlichen und psychischen Veränderungen wie Gewichtszunahme, Anstieg des Blutzuckers, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Bei längerer Erhöhung von Cortisol kann es zu einer eingeschränkten Empfindlichkeit der Cortisol-Rezeptoren im ganzen Körper kommen. Zudem ist es möglich, dass die Nebennierenrinden nur eingeschränkt Cortisol produzieren. Dies nennt man Nebenniereninsuffizienz oder Morbus Addison. Die Nebenniereninsuffizienz kommt jedoch äußerst selten vor und ein Zusammenhang mit übermäßiger Stressbelastung wird in der Literatur nicht beschrieben. Das von Alternativmedizinern oft propagierte und mit fraglichen Methoden laborchemisch nachgewiesene Konzept der „adrenal fatigue“ ist deshalb beim heutigen Stand des Wissens nicht zielführend. Die Störungen der sog. HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse) sind deutlich komplexer. Es handelt sich in der Regel nicht einfach um eine „Schwäche der Nebennierenrinde“, sondern um eine komplexe Störung des hormonellen Regelkreises. Für eine Messung des Regelkreises muss am Vorabend eine kleine Dosis Cortison eingenommen und am nächsten Morgen die Cortisol-Aufwachreaktion gemessen werden (Dexamethason-Hemmtest). Insgesamt ist die Messung von Dysfunktionen der HPA-Achse mit heutigen Methoden zwar möglich aber durchaus aufwendig. Die meisten mir vorgelegten Laborbefunde sind Einzelmesswerte welche mit fraglichen Normbereichen. Für eine belastbare Messung müssen mindestens 6 Messungen pro Tag über zwei Tage durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind dann auf qualitativ hochwertige Normwerte zu beziehen (Cortisol-Tagesprofil). Die Messung von Cortisol ist aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft jedoch nur in Ausnahmefällen empfehlenswert. So empfehle ich die Messung von Cortisol meist nur bei diagnostisch unklaren Erschöpfungszuständen („chronic fatigue syndrome“). Neben der HPA-Achse beeinflusst Stress auch Wachstums- und Geschlechtshormone. So sinkt bei Affen im Tierversuch bei zunehmendem Stress durch zu hohe Dichte im Käfig das Testosteron mit resultierender Einschränkung der Fruchtbarkeit. Dies ist evolutionär ja für die Gruppe auch sinnvoll da bei zu hoher Populationsdichte zusätzliche Nachkommen für Knappheit und zusätzlichen Stress sorgen würden. Bei Frauen verschiebt oder verändert sich bei Stress oft die Regelblutung. Bei extremer Stressbelastung kann die Regelblutung auch ganz ausbleiben. Auch bei der Frau sinkt unter Stress die Fruchtbarkeit. Auch die Veränderungen der Geschlechtshormone lassen sich mit heutigen Methoden messen. Die Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem sind erheblich. Nicht umsonst setzt man das Stresshormon Cortisol in Form von Cortison medizinisch zur Unterdrückung des Immunsystems ein. Die Zusammenhänge zwischen Stress und Immunsystem wurden Jahrzehnte von der Medizin gar nicht gesehen. Erst in den letzten 10 Jahren hat sich hier ein erhebliches Wissen angesammelt und sich das neue Spezialgebiet der Psychoneuroimmunologie entwickelt. Unter Berücksichtigung der heutigen Forschungsergebnisse sind Nervensystem und Immunsystem eigentlich gar nicht voneinander zu trennen. Das Immunsystem reagiert bei psychischen Veränderungen unmittelbar mit. So untererdrückt das Immunsystem unter Belastung üblicherweise die Immunantwort auf Krankheitserreger wie Viren und Bakterien. Es ist ja auch nicht sinnvoll unter Fieber und Krankheitsgefühl zu leiden während man mit einem Säbelzahntiger kämpft. Die Immunantwort kommt erst nach Ende der Stressbelastung in der Phase der Erholung. So wundern sich zahlreiche Patienten, dass sie nicht während der Stressbelastung, sondern erst im anschließenden Urlaub krank wurden. Dauerhafter Stress kann aber noch deutlich bedrohlichere Folgen haben als Infektionskrankheiten in Phasen der Erholung. Auf Dauer kann Stress zu einer übermäßigen Immunantwort oder einer fehlerhaften Immunantwort führen. So kann Stress bei entsprechender Anlage zu Autoimmunkrankheiten, Allergien und Krebserkrankungen führen. Diese Zusammenhänge sind vielen genau beobachtenden Ärzten seit Jahrzehnten und Jahrhunderten bekannt. Die Psychoneuroimmunologie entschlüsselt nun aber den dahinterstehenden Mechanismus. Stress hat erhebliche Auswirkungen auf das Hormonsystem.
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Die Rolle des vegetativen Nervensystems
Das vegetative Nervensystem durchzieht den ganzen Körper und beeinflusst verschiedene Organe wie das Herz, den Darm und die Haut. Das vegetative Nervensystem ist durch den Willen nicht beeinflussbar und heißt deshalb auch „autonomes Nervensystem“. Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei Komponenten welche gleichzeitig aktiv sind. Ein Teil (der sog. Sympathikus) sorgt für Anspannung, der andere Teil (Parasympathikus) für Entspannung. Stress führt zu Anspannung und bei dauerhafter Anspannung „kippt“ das vegetative Nervensystem hierdurch in einen Modus der Überaktivierung des Sympathikus. Hierdurch kommt es zu Herzrasen, Blutdruckanstieg, beschleunigte Atmung, gereizten Magen oder Durchfall. Auf psychischer Ebene geht ein derartiger Erregungszustand mit einer Fokussierung der Aufmerksamkeit, einer erhöhten Reizbarkeit und Wachheit einher. Dies ist die Vorbereitung für einen bevorstehenden Kampf oder eine Flucht. Diese übermäßige Aktivierung ist für Körper und Psyche nur kurzfristig ohne Schaden. Auf Dauer führt die Überaktivierung zu verschiedensten körperlichen und psychischen Symptomen und Erkrankungen. In der Evolution war eine Stresssituation aber üblicherweise nur vorübergehend und hierdurch auch nicht schädlich. Heute halten Stresssituationen oft an. So kann sich eine Arbeitsplatzbelastung oder ein Beziehungskonflikt jeden Tag wiederholen. Früher konnten Ärzte auf die Aktivierung des vegetativen Nervensystems nur anhand der Symptome schließen. Seit wenigen Jahren ist es mit Hilfe der Bestimmung der Herzschlagvariabilität möglich den Aktivierungsgrad des vegetativen Nervensystems direkt zu messen. Das Verfahren ist jedoch technisch durchaus anspruchsvoll. Messung per App oder mit einfachen Brustgurten sind nicht aussagefähig. Die Ableitung muss immer mit mehreren Elektroden erfolgen da nur ein einzelner falsch gemessener Herzschlag (Artefakt) das Ergebnis um 450 % verändert. In meiner Praxis messe ich die Herzschlagvariabilität über 5 Minuten mit einem hochwertigen Gerät welches auch in der Forschung verwendet wird. Anschließend werden die Daten mit hochwertiger Software verarbeitet wodurch sich der Aktivierungsgrad des vegetativen Nervensystems sicher bestimmen lässt.
Chronischer Stress und das Gehirn
Chronischer Stress wirkt sich auf das Immunsystem und das Gehirn aus. Forschende der Universität Zürich (UZH) zeigen, dass unter Stress ein bestimmtes Enzym aus Immunzellen ins Gehirn gelangt. Bei Mäusen bewirkt es, dass sie sich zurückziehen und soziale Kontakte meiden, als ob sie depressiv seien. Chronischer Stress hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Körper. So gehen zum Beispiel viele stressbedingte psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen mit Veränderungen des Immunsystems einher. Einen zentralen Mechanismus hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Zürich (UZH), der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) und der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, nun entschlüsselt. „Wir konnten zeigen, dass Stress die Menge des Enzyms Matrixmetalloproteinase 8 - kurz MMP8 - im Blut von Mäusen erhöht. Dieselbe Veränderung fanden wir auch in Patientinnen und Patienten mit einer Depression“, berichtet Erstautor Flurin Cathomas. Vom Blut gelangt MMP8 ins Gehirn und verändert dort die Funktionstüchtigkeit bestimmter Nervenzellen. Im Tiermodell konnten die Forschenden zeigen, dass bei Stress vermehrt Monozyten - eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen - ins Gefäßsystem des Gehirns wandern, besonders in die Regionen des Belohnungszentrums. Diese Immunzellen produzieren das Enzym MMP8. Es ist am Umbau und der Regulation des netzartigen Gerüsts beteiligt, das die Nervenzellen im Gehirn umgibt - die sogenannte extrazelluläre Matrix. „Dringt das Protein aus dem Blut ins Hirngewebe ein, verändert es das Zellgerüst und stört so die Funktion der Nervenzellen. Um nachzuweisen, dass tatsächlich MMP8 für die Verhaltensänderungen verantwortlich ist, entfernten die Forschenden bei einem Teil der Mäuse das MMP8-Gen. Diese Tiere waren im Vergleich zu Kontroll-Mäusen vor den negativen stressbedingten Verhaltensänderungen geschützt. „Dass die in den Mäusen gefundenen Ergebnisse auch für Menschen relevant sind, zeigen unsere Analysen im Blut von depressiven Patienten. Bevor die Ergebnisse in die klinische Praxis implementiert werden können, braucht es noch viele weitere Studien. „Unsere Arbeit zeigt aber einmal mehr auf, wie wichtig das Zusammenspiel zwischen dem Immunsystem und dem Gehirn bei der Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen ist. Diese Erkenntnisse fließen schon heute in die psychiatrische Behandlung mit ein“, resumiert Cathomas. Das Forscherteam plant nun klinische Studien, um zu untersuchen, inwieweit das Immunsystem durch die Stimulation gewisser Gehirnareale beeinflusst werden kann. Unser Körper ist darauf eingerichtet, uns so gut wie möglich vor Gefahren zu schützen. Das Gehirn spielt dabei eine maßgebliche Rolle. In den frühen evolutionären Zeiten, aus denen die Stressreaktion stammt, ging es oft um Gefahren für Leib und Leben. Heute stehen in vielen Gesellschaften andere Gefahren im Vordergrund. Menschen erleben beispielsweise Stress, wenn ihr Selbstwert bedroht ist, wenn sie Angst haben, zu versagen oder von wichtigen anderen Menschen getrennt zu sein. Oder manchmal ganz einfach, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es gerne möchten. Doch egal was die Ursache ist, die Stressreaktion läuft immer noch nach dem gleichen alten Muster ab - selbst wenn man sich die stressige Situation nur vorstellt. Dann werden verschiedene Regionen unseres Gehirns aktiv. Wie bei einem guten Team arbeiten diese Regionen zusammen, um uns für Kampf oder Flucht fit zu machen. Manche Teile des Gehirns sind eher für die emotionale Verarbeitung "zuständig", andere fürs Planen und Denken. Wieder andere sorgen dafür, dass die Vorgänge in Gang gesetzt werden, die notwendig sind, damit die Stresshormone ausgeschüttet werden.
Die Amygdala
Eine sehr wichtige Hirnregion für unsere Erleben von Stress und Angst ist die Amygdala, ein kleiner, mandelförmiger Komplex von Nervenzellen im unteren Bereich des Gehirninneren. Sie ist Teil des sogenannten Limbischen Systems. Das ist ein Verbund verschiedener Hirnstrukturen im Innern des Gehirns, der eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Die Amygdala steuert - zusammen mit anderen Hirnregionen - unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf stress- und angstauslösende Situationen. Treffen bei ihr Signale ein, die höhere Aufmerksamkeit erfordern, zum Beispiel, wenn etwas neu oder gefährlich ist, dann feuern ihre Nervenzellen. Wir werden wacher und aufmerksamer. Dies geschieht bereits, bevor wir die Gefahr bewusst erkennen. Ab einer bestimmten Schwelle der Nervenaktivität setzt die Amygdala die Stressreaktion in Gang und aktiviert so die Kampf- und Flucht-Reaktion.
Der Hypothalamus
Parallel informiert die Amygdala den Hypothalamus, dass Gefahr im Verzug ist. Der Hypothalamus schüttet hormonelle Botenstoffe aus, unter anderem das Corticotropin-releasing-Hormon. Dieses Hormon wirkt auf die Hirnanhangdrüse im Gehirn - auch Hypophyse genannt. Es sorgt dafür, dass sie ein weiteres Hormon freisetzt, das Adrenocorticotropin, kurz ACTH. Es gelangt mit dem Blut zur Rinde der Nebenniere und veranlasst diese, das Stresshormon Kortisol auszuschütten. Kortisol ist ein lebenswichtiges Glukokortikoid, das auch viele andere Funktionen im Körper hat. Ist es im Übermaß vorhanden, kann es den Körper aber auch schädigen. Zusammen sorgen die Hormone und das sympathische Nervensystem dafür, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um schnell zu handeln.
Hippocampus
Die Amygdala setzt nicht nur die Stressreaktion in Gang. Sie veranlasst auch eine bedeutende Gedächtnisregion im Gehirn, den ganz in der Nähe gelegenen Hippocampus, sich die stressauslösende Situation gut zu merken. Auf diese Weise lernen wir, uns vor dem Stressor in Acht zu nehmen. Kommen wir erneut in eine derartige Situation, läuft die Stressreaktion noch schneller ab. Forschungen haben gezeigt, dass chronischer Stress die Zellfortsätze im Hippocampus schädigen kann. Sie sind Teil der Nervenzelle und wichtig für die Aufnahme von Information. Schrumpfen sie, wirkt sich das negativ auf das Gedächtnis aus.
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Stirnlappen
Auch mit dem "denkenden" Teil des Gehirns ist die Amygdala eng verbunden, vor allem mit einem stammesgeschichtlich jüngeren Teil unseres Hirns, dem Stirnlappen. Er ist wichtig für die Kontrolle der Emotionen. Wie der Name sagt, sitzt er hinter der Stirn. Er wird auch präfrontaler Cortex genannt. Mit seiner Hilfe können wir durch logische Analyse und Denken unsere Emotionen beeinflussen. Er spielt eine große Rolle bei der Bewertung, ob wir einen Stressor für bewältigbar halten oder nicht, und für unser Verhalten in der stressigen Situation. Chronischer Stress allerdings kann den präfrontalen Cortex verändern, so dass es schwieriger wird, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Strategien zur Stressbewältigung und Nervensystemregulierung
Um den Teufelskreis aus Stress und Schmerz zu durchbrechen, ist es wesentlich, dass wir unser Wissen entsprechend erweitern und Lösungswege erlernen.
Sofortmaßnahmen bei akutem Stress
Du spürst, wie dein Herz rast und die Panik hochsteigt? Diese wissenschaftlich fundierte Methode kann dir helfen, ins Hier und Jetzt zurückzukehren und Ruhe zu finden.
- Ding, das du sehen kannst: (z.B. eine Wolke am Himmel)
- Dinge, die du berühren kannst: (z.B. deine Hände)
- Dinge, die du hören kannst: (z.B. das Rauschen des Windes)
- Ding, das du riechen kannst: (evtl. an einem Taschentuch riechen, das mit ätherischem Öl beträufelt ist)
- Ding, das du schmecken kannst: (evtl. ein Bonbon oder Kaugummi)
Die 4-7-8-Atemtechnik
Konzentriere dich auf eine langsame Ausatmung. Die 4-7-8-Atemtechnik kann helfen: 4 Sekunden einatmen, 7 halten, 8 ausatmen. Diese Atmung aktiviert direkt den Parasympathikus (also den „Entspannungsnerv"). Diese Technik eignet sich auch als Atemübung bei Panikattacken, da sie schnell beruhigend wirken kann.
Langfristige Strategien
Körperliche Aktivität
Körperliche Aktivität versetzt Sie in die Lage, Stress abzubauen und Schmerzen zu lindern, da Bewegung die Freisetzung von Endorphinen, die natürliche Schmerzmittel des Körpers sind, freisetzt. Körperliche Aktivität hilft dir, das ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol abzubauen und signalisiert dem Gehirn, dass die Gefahr vorüber ist - so kann sich das Nervensystem wieder sicher und ausgeglichener anfühlen. Körperliche Aktivität wird auch als besonders hilfreich erlebt, um den Stressreaktionszyklus zu beenden und so langfristig auch einem Burnout - einer der häufigsten Folgen von chronischem Stress - vorzubeugen.
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Vagusnerv-Stimulation
Da der Vagusnerv so zentral für deine Entspannung ist, gibt es spezielle Übungen, um ihn zu stimulieren und entspannter zu werden.
- Zwerchfellatmung: Die Zwerchfellatmung (auch Diaphragmatic Breathing genannt) gilt als Goldstandard für Stressreduktion. Studien zeigen, dass Zwerchfellatmung den Cortisol-Spiegel reduzieren kann. Wissenschaftlicher Hintergrund: Zwerchfellatmung aktiviert das parasympathische Nervensystem und verbessert die Herzratenvariabilität.
- Achtsamkeit und Meditation: Methoden zur Stressbewältigung wie Achtsamkeit, Meditation und kognitive Verhaltenstherapie haben sich als effektiv erwiesen, um den Geist zu beruhigen und gezielt abzulenken und gleichzeitig die Schmerzwahrnehmung und -intensität zu reduzieren. Ähnlich wie die vorgestellten Atemübungen können regelmäßige Meditation und Achtsamkeitsübungen den Geist und das Nervensystem beruhigen und dir bei regelmäßiger, täglicher Übung helfen, deine Stressresilienz zu stärken. Bereits wenige Minuten am Tag reichen aus. Yoga gegen Stress und Yoga gegen Angst verbinden körperorientierte Ansätze mit Atemarbeit und können besonders effektiv sein, um das Nervensystem zu beruhigen.
- Ausschütteln: Hast du schon mal ein Video von einer Gazelle gesehen, die vor einem Löwen geflüchtet ist? Nachdem die Gazelle in Sicherheit ist und die unmittelbare Gefahr nicht mehr präsent ist, beginnt sie sich für eine kurze Weile stark zu schütteln. Dies ist eine instinktive Reaktion, um den verbleibenden Stress und die angesammelte Energie loszuwerden. Und das funktioniert nicht nur im Tierreich. Auch wir Menschen können so unseren Stress loswerden, wenn wir für ein paar Minuten den Stress aus uns herausschütteln.
- Soziale Interaktion: Lockere, freundliche und liebevolle soziale Interaktionen sind ein gutes äußeres Zeichen, dass die Welt ein sicherer Ort ist. Mach vielleicht jemandem ein unerwartetes Kompliment. So kannst du deinem Gehirn ganz einfach vermitteln, dass die Welt ein sicherer Ort ist und dass nicht alle Menschen ätzend sind.
Weitere Strategien
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit entzündungshemmenden Lebensmitteln kann den Körper widerstandsfähiger gegen Stress machen.
- Soziale Unterstützung: Soziale Interaktionen und Unterstützung durch Freunde und Familie sind wichtig, um Stress zu reduzieren und emotionale Unterstützung zu bieten.
- Schlafhygiene: Wenn wir ohnehin in einer stressreichen Lebensphase stecken, belastet es unseren Körper und unser vegetatives Nervensystem noch mehr, wenn wir nicht ausreichend Schlaf erhalten. Denn guter Schlaf ist essenziell, um das Nervensystem beruhigen zu können. Sorge deswegen dafür, dass du genug Ruhezeit in der Nacht hast und nutze die 10 Regeln der Schlafhygiene, um deinen Schlaf zu verbessern.
- Emotionen zulassen: Manchmal neigen wir dazu, uns nicht zu erlauben, unsere Emotionen herauszulassen. Man möchte nicht das vermeintliche Klischee der „hysterischen Frau” bedienen oder du lebst mit dem Glaubenssatz, dass „Männer nicht weinen” dürfen. Aber ganz ehrlich - manchmal kann es richtig guttun, einfach mal die angestauten Emotionen herauszulassen. Mach dir traurige Musik an, such dir einen Ort, an dem du ungestört bist, und erlaube dir, einfach mal für ein paar Minuten zu weinen. Danach die Nase putzen, tief seufzen und oft fühlst du dich danach schon viel erleichterter und befreiter.
Professionelle Hilfe
Bei chronischem Stress und Schmerz kann professionelle Hilfe notwendig sein. Die multimodale Schmerztherapie verbindet alle Aspekte, um diesem Teufelskreis zu entkommen. Im Mittelpunkt stehen die Patienten. Mit ihnen arbeiten Ärzte, Psycho- sowie Physio- und Sporttherapeutinnen und -therapeuten eng zusammen. Die Fachleute tauschen sich während der multimodalen Therapie regelmäßig aus und berichten dabei häufig von überraschend schnellen Erfolgen.
Stress rechtzeitig abbauen!
Die gründliche Präventivdiagnostik führt uns dann unmittelbar zur individuellen Therapie- bzw. Präventivplanung!
Vitalstoffe nach Maß
Dauerstress sowie ein permanent erhöhter Pegel des Stresshormons Cortisol zehren an den Vitalstoffreserven des Körpers. Sie bringen die gesamte Körperregulation sowie das Wechselspiel der Hormone durcheinander. Dazu gehören u. a. die Bildung der Stress-Gegenspieler Dopamin, Serotonin, Melatonin, DHEA. Wir stellen fest, welche Substanzen Ihrem Körper fehlen, und versorgen Sie damit. Die zugeführten Vitalstoffe bringen Ihren Mineralstoffhaushalt wieder ins Gleichgewicht und lindern zusätzlich den oxidativen Stress im Körper.
Infusionen für ihren Vagusnerv
Der Vagusnerv ist einer der großen Hirnnerven und reicht bis in den Darm hinein. Er ist der größte Nerv im Parasympathikus-Nervensystem und damit ein genialer Ruhe-, Antientzündungs-, Antistress-, Antidepressions- und Antikrebsnerv. Er erweitert die kleinen und kleinsten Blutgefäße bis in den letzten Winkel Ihres Körpers und schützt Sie damit vor chronischen Entzündungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Hörsturz, Tinnitus und sogar vor Krebs. Mit speziellen Infusionen konzentrieren wir uns darauf, über den Vagusnerv den „schlafenden“ Parasympathikus als Gegenspieler zu Ihrem hyperaktiven Sympathikus zu aktivieren. Die Mischinfusionen beinhalten wertvolle Subst…
Fazit
Stress und Schmerz sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Folglich kann chronischer Stress Schmerzen verstärken, während anhaltende Schmerzen zu erheblichem Stress führen können. Chronischer Stress kann tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem haben, was zu einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen führen kann. Durch das Verständnis der Auswirkungen von Stress und die Anwendung von Strategien zur Stressbewältigung und Nervensystemregulierung können Einzelpersonen den Teufelskreis aus Stress und Schmerz durchbrechen und ein gesünderes, ausgeglicheneres Leben führen.
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