Das weibliche Gehirn: Aufbau, Funktion und Besonderheiten

Das weibliche Gehirn unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom männlichen Gehirn, sowohl in Bezug auf Aufbau und Funktion als auch in Bezug auf die Reaktion auf Hormone. Diese Unterschiede können sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen auswirken und sollten daher berücksichtigt werden.

Unterschiede in Aufbau und Funktion

Es ist in der Tat sehr bemerkenswert, dass das weibliche Gehirn so viel leichter ist und etwa 17 Prozent weniger Nervenzellen hat als das männliche Gehirn, wie die Forscherin Bente ­Pakkenberg in ihren Studien herausfand. Glücklicherweise schlagen sich diese signifikanten Unterschiede nicht in einer geringeren Intelligenz oder einer geringeren analytischen Fähigkeit nieder.

Die Reifung des Gehirns beginnt bei Mädchen früher als bei Jungen. Und der Stoffwechsel pro Milliliter Hirngewebe ist bei Frauen im Erwachsenenalter um etwa 15 Prozent höher als bei Männern. Dieses Ergebnis wurde in anderen Studien bestätigt. Frauen haben also einen kleineren Motor, aber dieser Motor arbeitet härter. Dies ist die Grundlage für die Aussage, das weibliche Gehirn sei ein europäisches Auto und das männliche ein amerikanisches - eine Aussage meines Kollegen Dick Swaab, die ich gerne zitiere.

  • Größe und Struktur: Männliche Gehirne sind von Geburt an im Schnitt größer als weibliche. Dieser Größenunterschied beträgt im Erwachsenenalter circa elf Prozent. Er erklärt viele Befunde, von denen man glaubte, sie seien geschlechtsspezifisch. Zum Beispiel, dass größere Gehirne proportional mehr weiße Substanz haben. Oder dass sie eher innerhalb der Gehirnhälften vernetzt sind und nicht so sehr dazwischen. Weibliche Gehirne haben dagegen mehr Bereiche mit besonders dicht gepackten Nervenzellen, ihre Gehirnhälften sind besser vernetzt, und ihre Großhirnrinde weist mehr Furchen auf.
  • Vernetzung: Eine Studie von Madhura Ingalhalikar und Kolleginnen aus dem Jahr 2014 behauptete, dass Männer und Frauen unterschiedlich stark vernetzte Gehirnhälften haben. Sie fanden eine stärkere Vernetzung innerhalb der Gehirnhälften bei Jungen und eine größere Vernetzung zwischen den Gehirnhälften bei Mädchen. Sie behaupteten, die Unterschiede bezüglich der Vernetzung wären ein Beleg dafür, dass Frauen besser im Multitasking seien und Männer besser darin, sich auf eine Sache zu fokussieren. Allerdings ist die adäquate Erklärung eben die Größe des Gehirns.
  • Stoffwechsel: Der Stoffwechsel pro Milliliter Hirngewebe ist bei Frauen im Erwachsenenalter um etwa 15 Prozent höher als bei Männern.

Hormonelle Einflüsse

Ein großes Thema ist dabei der Hormonhaushalt, besonders Östrogen, das eine wichtige Rolle für das Gehirn spielt - zum Beispiel beim Gedächtnis, bei der Stimmung oder beim Schlaf.

  • Östrogen: Östradiol, ein Östrogen, soll zum Beispiel neuroprotektiv sein, also das Gehirn schützen. In einer Studie zeigte sich zum Beispiel, dass sich höhere Östradiol-Level von Frauen in der Menopause positiv auf die Gedächtnisleistung auswirken. Tierstudien haben außerdem gefunden, dass eine höhere Östrogenkonzentration vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer schützt.
  • Testosteron: Entgegen der weit verbreiteten Annahme führen höhere Level an Testosteron auch nicht dazu, dass sich die kognitiven Fähigkeiten verbessern. Nur eine Evidenz zeigt sich konsistent: dass Testosteron den Sexualtrieb verstärkt.
  • Schwangerschaftshormone: Eine aktuelle Studie von Forschenden des Francis Crick Institute in London, England, die in der Fachzeitschrift Science erschienen ist. Dabei zeigte sich, dass ein kleines Areal im Gehirn trächtiger Tiere durch bestimmte Schwangerschaftshormone so beeinflusst wird, dass es zu einer teilweise permanenten Neuverdrahtung der betroffenen Neuronen kommt. Laut der Studie sind die Hormone Östrogen und Progesteron für die Verhaltensänderung verantwortlich.

Auswirkungen auf Gesundheit und Verhalten

Die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Gehirn können sich auf die Gesundheit und das Verhalten von Frauen auswirken.

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  • Krankheiten: Frauen leiden häufiger als Männer an Migräne, Depressionen, Schlaganfällen - und doppelt so oft an Alzheimer. Die Symptome von Krankheiten werden bei ihnen nicht immer richtig erkannt oder behandelt. Zum Beispiel zeigen Frauen bei einem Schlaganfall oft andere Anzeichen als Männer - das wissen aber viele nicht. Auch bei Demenz oder Wechseljahresbeschwerden wird oft nicht klar zwischen Männern und Frauen unterschieden.
  • Kognitive Fähigkeiten: Im Schnitt sind Männer besser im räumlichen Vorstellungsvermögen und Frauen sind sprachlich stärker. Dies ist jedoch meist auf mehr Übung zurückzuführen.
  • Soziale Fähigkeiten: Ein stereotypisch weiblicher Charakter wäre eher sozial und empathisch. Rationales, analytisches Denken stufen wir eher als männlich ein. Dabei kann eine Person sehr »feminin« sein in der Art, sich zu kleiden, und sehr »maskulin« in der Art, wie sie denkt. Ihre Beziehungen können eher weiblich sein, aber ihre Interessen eher männlich.

Möglichkeiten zur Förderung der Gehirngesundheit

Es gibt viele Dinge, die Frauen tun können, um ihr Gehirn gesund zu halten.

  • Ernährung: Dr. Sie erklärt, welche Lebensmittel besonders gut fürs Gehirn sind - zum Beispiel Fisch, Beeren, Nüsse, grünes Gemüse und gesunde Fette. Dazu gibt es einfache Speisepläne und Tipps, wie man diese Ernährung im Alltag umsetzen kann.
  • Lebensstil: Das Buch bietet viele konkrete Anleitungen und Checklisten, wie man seinen Lebensstil verbessern kann - Schritt für Schritt.
  • Stressreduktion und besserem Schlaf Dieses Buch zeigt, was Frauen für die Gesundheit ihres Gehirns und ihres Körpers tun können, um schwere Erkrankungen zu vermeiden und dauerhaftes Wohlbefinden zu erlangen.

Kritik an der Forschung zu Geschlechterunterschieden im Gehirn

Die britische Neurowissenschaftlerin Gina Rippon behauptet, das Gehirn sei „so genderneutral wie die Leber und das Herz“. Ganz und gar nicht! Die Emanzipation der Frau ist ein wichtiger und noch immer andauernder, manchmal schmerzhafter Prozess. Manche Menschen, sogar Wissenschaftler, sind jedoch der Meinung, dass Gleichberechtigung nur gegeben ist, wenn die Unterschiede zwischen den Geschlechtern aufgehoben sind. Zu diesem Zweck werden geschlechtsspezifische Unterschiede im Gehirn und im Verhalten der Menschen manchmal als unbequeme Wahrheit unter den Teppich gekehrt. Diese Unterschiede zu leugnen, ist jedoch nicht nur für Mädchen und Jungen, sondern auch für Frauen und Männer schädlich. Wenn man die Unterschiede nämlich berücksichtigt, kann man Männern und Frauen besser gerecht werden - so wie dies in der Psychiatrie und auch in anderen medizinischen Disziplinen der Fall ist.

Lise Eliot führte mit Kolleginnen 2015 eine Studie durch, für die sie über 1.400 Kernspin-Aufnahmen von Gehirnen analysierte. Sie fanden, dass es bei allen untersuchten neuronalen Strukturen große Überschneidungen zwischen Frauen und Männern gab. Laut Joel bestehen Gehirne aus einzigartigen »Mosaiken« von Merkmalen. Manche Merkmale kommen häufiger bei Frauen vor als bei Männern. Andere bei Männern häufiger als bei Männern. Und dann gibt es noch solche, die sowohl bei Frauen als auch bei Männern vorkommen.

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