Demenz: Aggressive Symptome und medikamentöse Behandlung

Aggressives Verhalten ist eine belastende Begleiterscheinung von Demenzerkrankungen, die viele Angehörige und Bezugspersonen im Laufe der Erkrankung erfahren. Wenn Menschen mit Demenz nicht mehr weiterwissen, können sie mit aggressivem Verhalten reagieren, wie Schimpfen, Schreien oder Werfen mit Gegenständen. Diese Reaktionen sind oft Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit, weil Betroffene bestimmte Dinge im Alltag nicht mehr bewältigen können, sich unverstanden, beunruhigt oder bedroht fühlen.

Ursachen aggressiven Verhaltens bei Demenz

Aggressive Reaktionen bei Menschen mit Demenz können verschiedene Ursachen haben:

  • Überforderung: Zu viele Reize, eine hektische Umgebung oder eine Flut von Anweisungen können überfordern.
  • Schmerzen: Körperliche Schmerzen oder Unwohlsein können eine Ursache sein.
  • Verwirrung und Frustration: Diese können direkt durch die Erkrankung selbst ausgelöst werden.
  • Stress: Überforderungssituationen im Alltag können Frustration oder Angst auslösen.
  • Nicht erfüllte Bedürfnisse: Negative Gefühle wie Wut und Trauer, die aus Belastungen und Herausforderungen entstanden sind, können lange unterdrückt werden und im Rahmen einer Demenz nicht mehr verdrängt werden.
  • Biografische Aspekte: Oft lassen sich Zusammenhänge im familiären und partnerschaftlichen Umfeld erkennen, wenn man das Gespräch über biografische Aspekte der betroffenen Person mit Angehörigen sucht.
  • Bewusstsein der Defizite: Menschen mit Demenz sind sich gerade im Anfangsstadium ihrer Defizite bewusst, was Angst und Unsicherheit erzeugen kann.
  • Körperliche Ursachen: Schmerzen, kribbelnde Beine, unerkannte Harnwegsinfekte, Neben- oder Wechselwirkungen von Medikamenten und zu wenig Flüssigkeits- und/oder Nahrungsaufnahme können herausfordernde Verhaltensweisen triggern oder verstärken.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Reduktion aggressiven Verhaltens

Es gibt verschiedene nicht-medikamentöse Maßnahmen, die helfen können, aggressives Verhalten bei Demenz zu reduzieren:

  • Geduld, Gleichmut und Einfühlungsvermögen: Versuchen Sie herauszufinden, was den Menschen stresst und beseitigen Sie nach Möglichkeit den Auslöser. Vermeiden Sie es, selbst wütend oder vorwurfsvoll zu reagieren und zeigen Sie Verständnis.
  • Ablenkung: Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf etwas Positives oder Interessantes, wie eine beruhigende Melodie, ein Fotoalbum oder eine angenehme Tätigkeit.
  • Vorbeugende Maßnahmen: Struktur im Alltag bringen und stressige Situationen weitestgehend vermeiden.
  • Geregelter Tagesablauf: Ein gut strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten, Ruhephasen und Aktivitäten gibt Sicherheit und Orientierung.
  • Klare Kommunikation: Frustration entsteht oft durch das Gefühl, nicht verstanden zu werden.
  • Regelmäßige Gesundheitschecks: Schmerzen oder andere gesundheitliche Probleme können zu aggressivem Verhalten führen.
  • Belastende Situationen und Orte vermeiden: Grelles Licht, viele Menschen oder Lärm können Menschen mit Demenz schnell überfordern.
  • Training für Angehörige: In speziellen Kursen können Sie lernen, mit schwierigem Verhalten und seelischen Auffälligkeiten umzugehen.
  • Erfüllung von Grundbedürfnissen: Um herausforderndem Verhalten vorzubeugen, sollten die Grundbedürfnisse erfüllt sein.
  • Nähe und Berührung: Körperliche Berührungen wie Streicheln, Liebkosungen und sanftes Zusprechen können beruhigend wirken.
  • Respektvolle Umgangsweise: Vermeiden Sie eine respektlose und gestresste Umgangsweise mit dem Betroffenen.
  • Strukturierter Tag mit Aktivitäten: Ein strukturierter Tag mit ausreichend Aktivitäten kann Langeweile und Aggressivität verhindern.
  • Verständnis für Essensvorlieben: Seien Sie verständnisvoll und gehen Sie auf den Geschmack des Demenzkranken ein.
  • Ruhige Grundhaltung: Sprechen Sie langsam, deutlich und ruhig.
  • Emotionale Distanzierung: Nehmen Sie das Verhalten nicht persönlich und versuchen Sie, mental Abstand zu gewinnen.
  • Wertschätzung und Körperkontakt: Achten Sie auf die Angemessenheit und vermeiden Sie Übergriffigkeit.
  • Ursachenforschung: Versetzen Sie sich in die Situation des Demenzkranken hinein und versuchen Sie, die Ursachen für die Aggressionen oder das Schreien nachzuvollziehen.
  • Ablenkung mit Aktivitäten: Ob ein Spaziergang, einen Kaffee trinken, Musik hören oder etwas vorlesen: jede Beschäftigung lenkt ab und lässt die Frustration schnell verfliegen.
  • Körpersprache beachten: Achten Sie auf die Körpersprache der demenzerkrankten Person.
  • Unterstützung suchen: Sprechen Sie über Ihre Belastung mit anderen Familienangehörigen, Beratungsstellen oder anderen Betroffenen.
  • Gefühle ernst nehmen: Wird ein Mensch mit Demenz „boshaft“ oder handgreiflich, will er mit seinem Verhalten vielleicht auf sich aufmerksam machen und Hilfe erhalten.
  • Betroffene aktivieren: Studien deuten darauf stark hin, dass Aktivitäten im Freien und körperzentrierte Therapien wie Massagen weitaus effektiver sind als Medikamente, um körperliche und verbale Aggressionen zu mindern.
  • Demenzerkrankte aktivieren: Als Angehörige oder als Interessierter können Sie sich Wissen zum Umgang mit Demenz in Pflegekursen aneignen.
  • Verhaltensplan: Wenn die Person auf bestimmte Reize mit Aggression reagiert, kann ein Verhaltensplan helfen, diese Reize zu vermeiden oder darauf zu reagieren.
  • Anpassung der Umgebung: Die Anpassung der Wohn- oder Pflegeumgebung kann wesentlich zur Beruhigung beitragen.
  • Schulung von Angehörigen: Die Schulung von Angehörigen oder Pflegekräften im Umgang mit Demenz kann ihnen helfen, Warnzeichen zu erkennen und proaktiv zu handeln.
  • Musik: Manche Demenzkranke reagieren positiv auf Musik.
  • Ergotherapie: Ein Ergotherapeut kann Aktivitäten entwickeln, die sowohl stimulierend als auch beruhigend wirken.
  • Umgang mit Tieren: In manchen Fällen kann der Umgang mit Tieren eine beruhigende Wirkung haben.
  • Raumgestaltung: Die Angehörigen können versuchen, eine demenzgerechte Raumgestaltung einzusetzen, so dass Verlockungen wie Türen weniger einladend wirken. Zum Beispiel kann eine Tür mit einem großformatigen Bild eines Bücherregals verdeckt werden.

Medikamentöse Behandlung aggressiver Symptome bei Demenz

Wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen, können Medikamente in Betracht gezogen werden, um aggressive Symptome bei Demenz zu behandeln. Es ist wichtig zu beachten, dass Medikamente immer unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden sollten, da sie Nebenwirkungen haben können.

  • Antipsychotika: Antipsychotika, die beispielsweise auch bei Schizophrenie angewendet werden, helfen sehr gut gegen psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahn. Bei Demenz werden diese Medikamente zumeist aufgrund anderer Symptome, wie etwa Unruhe verordnet. Man macht sich hierbei eine Nebenwirkung der Antipsychotika zu Nutze: die beruhigende Wirkung. Die sedierende Wirkung des Medikaments unterdrückt das unerwünschte Verhalten. Die dauerhafte Gabe ist problematisch, da Antipsychotika viele Nebenwirkungen haben, gerade bei älteren Menschen mit Demenz. Sie machen schwindelig, senken den Blutdruck und können mit Bewegungsstörungen, wie Muskelsteifigkeit, einhergehen. So verstärken sie die Sturzgefahr. Zudem können Antipsychotika die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen. Häufig verordnete Antipsychotika bei Demenz sind Risperidon, Pipamperon, Melperon und Quetiapin.
  • Risperidon und Haloperidol: Risperidon und Haloperidol sind Medikamente, die bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden können, insbesondere wenn die Person sehr streitsüchtig oder aggressiv ist. Haloperidol kann auch eingesetzt werden, wenn der Patient falsche Vorstellungen von der Realität hat oder Stimmen hört.

Es ist wichtig, vor der Verschreibung eines Mittels sorgfältig zu prüfen, ob Neben- und Wechselwirkungen denkbar sind, und gegebenenfalls auf andere Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen. Auch die Behandlung körperlicher Beschwerden wie zum Beispiel Schmerzen kann eine Rolle spielen.

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Herausforderungen und Perspektiven

Die Behandlung von aggressiven Symptomen bei Demenz ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Es ist wichtig, die Ursachen des Verhaltens zu verstehen und sowohl nicht-medikamentöse als auch medikamentöse Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Die Belastung für Angehörige und Pflegende ist enorm und es ist wichtig, dass sie Unterstützung und Beratung erhalten.

Da in absehbarer Zeit kein Medikament auf den Markt kommen wird, Präventionsprogramme keine Allheilmittel sind und für die Versorgung bereits Erkrankter zu spät kommen, sind aktivierende Pflegekonzepte die Zukunft bei der Versorgung von Demenzkranken.

Wichtige Hinweise für Angehörige

  • Sprechen Sie über Ihre Gefühle und versuchen Sie, Abstand zu gewinnen, indem Sie sich zum Beispiel mit anderen Angehörigen austauschen, die ähnliche Erfahrungen machen.
  • Nehmen Sie das Verhalten nicht persönlich und versuchen Sie, mental Abstand zu gewinnen.
  • Suchen Sie das Gespräch mit dem behandelnden Arzt, wenn Ihr Angehöriger Antipsychotika bekommt. Fragen Sie nach dem Ziel der Behandlung, der Dauer der Einnahme und möglichen Nebenwirkungen.
  • Nutzen Sie Hilfen von außen, wie ehrenamtliche Helfer, Alzheimer Gesellschaften oder Tagespflegeeinrichtungen.
  • Achten Sie auf einen strukturierten Tagesablauf mit regelmäßigen Aktivitäten.
  • Klären Sie körperliche Beschwerden wie Schmerzen mit dem Hausarzt ab.

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