Demenz im Alltag gestalten: Tipps für ein würdevolles Miteinander

Die Diagnose Demenz verändert das Leben sowohl für die betroffene Person als auch für die Familie. Der Alltag wird herausfordernder, Gespräche schwieriger und vertraute Abläufe funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Doch es gibt Wege, den Alltag zu erleichtern und ein stabiles Miteinander zu schaffen. Dieser Artikel bietet Ihnen eine umfassende Sammlung von Tipps und Strategien, um den Alltag mit Demenz würdevoller und angenehmer zu gestalten.

Kommunikation: Der Schlüssel zum Verständnis

Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert Geduld, Einfühlungsvermögen und eine Anpassung der eigenen Kommunikationsweise. Hier sind einige grundlegende Tipps, die helfen können, Missverständnisse zu vermeiden und eine positive Interaktion zu fördern:

  • Nähern Sie sich von vorne: Menschen mit Demenz haben oft ein eingeschränktes Blickfeld. Nähern Sie sich Ihrem Angehörigen immer von vorne, um ihn nicht zu erschrecken.
  • Bauen Sie Blickkontakt auf: Gehen Sie auf Augenhöhe und warten Sie einen Moment, damit Ihr Angehöriger Sie bewusst wahrnehmen kann.
  • Sprechen Sie den Namen aus: Sprechen Sie Ihren Angehörigen mit seinem Namen an, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
  • Langsam, ruhig und deutlich: Sprechen Sie langsam, ruhig und deutlich, um sicherzustellen, dass Sie verstanden werden.
  • Unterstützen Sie Ihre Worte: Verwenden Sie Gesten und Berührungen, um das Gesprochene zu unterstützen und die Kommunikation zu erleichtern.
  • Einfache Sätze: Verwenden Sie kurze und einfache Sätze mit vertrauten Worten. Vermeiden Sie komplizierte Begriffe und lange Erklärungen.
  • Eine Information nach der anderen: Geben Sie nur eine Information oder Mitteilung auf einmal, um Ihren Angehörigen nicht zu überfordern.
  • Eine Frage zur Zeit: Stellen Sie nur eine Frage auf einmal und geben Sie Ihrem Angehörigen ausreichend Zeit, um zu antworten.
  • Vermeiden Sie Diskussionen: Vermeiden Sie Sachdiskussionen, da diese oft zu Frustration und Unverständnis führen.
  • Machen Sie Vorschläge: Wenn Ihr Angehöriger Probleme hat, sich zu entscheiden, machen Sie Vorschläge, um ihm zu helfen.

Validation: Wertschätzung und Akzeptanz

Eine besonders wertvolle Gesprächsmethode im Umgang mit Menschen mit Demenz ist die Validation. Validation bedeutet Wertschätzung und bedeutet in diesem Fall, das Gesagte des Erkrankten für gültig zu erklären und wertzuschätzen. Das heißt nicht, auf den Sachinhalt der Aussage einzugehen, sondern auf das jeweilige Gefühl, welches „hinter“ dieser Aussage steht.

Beispiel: Wenn Ihr Angehöriger am Frühstückstisch sagt, er möchte nach Hause, dann ist es nicht sinnvoll, auf den Sachinhalt einzugehen (wahrscheinlich gibt es dieses Haus nicht mehr oder er wohnt seit 50 Jahren schon nicht mehr in diesem Haus). Versuchen Sie, „hinter die Aussage“ zu schauen. Welches Gefühl steckt dahinter? Fühlt er sich allein? Sucht er Geborgenheit? Ist er unsicher? Versuchen Sie darauf einzugehen: „Du fühlst dich allein! Du hast Sehnsucht nach deinem Zuhause?“ Mit solchen Aussagen nehmen Sie Ihren Angehörigen ernst. Er wird sich verstanden fühlen und das schafft Vertrauen. Er wird nicht bloßgestellt durch die Frage: „Hier ist doch dein Zuhause!!! Wo willst du denn hin?“

Ein anderes Beispiel ist, wenn der erkrankte Angehörige wieder etwas sucht und Sie beschuldigt, es gestohlen zu haben. Was steckt „dahinter“? Vielleicht Misstrauen, Verzweiflung oder Angst? Hier ist es ebenfalls für alle Beteiligten besser, nicht auf der Sachebene zu sprechen. Versuchen Sie, Ihrem Angehörigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem Sie ihm sein Verhalten spiegeln: „Du fühlst dich hintergangen! Du bist wütend! Du kennst dich nicht mehr aus!“

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Gestaltung des Alltags: Struktur und Sicherheit

Ein strukturierter Tagesablauf kann Menschen mit Demenz helfen, sich zu orientieren und Sicherheit zu gewinnen. Feste Zeiten für Mahlzeiten, Körperpflege und Aktivitäten geben Halt und reduzieren Angst und Verwirrung.

  • Feste Routinen: Halten Sie sich an feste Routinen für Aufstehen, Essen, Anziehen und andere tägliche Aktivitäten.
  • Klare Tagesstruktur: Schaffen Sie eine klare Tagesstruktur mit festen Zeiten für Aktivitäten und Ruhephasen. Tageslicht, frische Luft und feste Abläufe am Tag, Ruhe und gedimmtes Licht am Abend.
  • Gemeinsame Aktivitäten: Bauen Sie täglich Aktivitäten ein, die Ihrem Angehörigen Freude bereiten, wie z.B. Spaziergänge, Musik hören oder gemeinsame Spiele.
  • Vermeiden Sie Überforderung: Planen Sie nicht zu viele Aktivitäten an einem Tag und legen Sie bei Bedarf Pausen ein.
  • Feste Rituale: Behalten Sie feste Rituale bei, wie z.B. das Vorlesen vor dem Schlafengehen oder das gemeinsame Kaffeetrinken am Nachmittag.
  • Orientierungshilfen: Stellen Sie Orientierungshilfen bereit, wie z.B. einen Kalender mit großen Zahlen, eine Uhr mit deutlicher Anzeige oder Fotos von Familienmitgliedern.

Umgang mit Veränderungen im Ess- und Trinkverhalten

Eine Demenzerkrankung kann das Ess- und Trinkverhalten deutlich verändern. Manche Menschen vergessen zu essen und nehmen deshalb nicht ausreichend Nahrung zu sich. Andere wiederum essen scheinbar ohne Hemmungen - oft bevorzugt Süßes. Auch das Gefühl für Hunger und Durst nimmt ab, wodurch das Risiko für Mangelernährung und Flüssigkeitsmangel steigt. Im späteren Verlauf treten häufig Koordinationsprobleme sowie Kau- oder Schluckbeschwerden auf.

Was hilft? Eine ruhige Umgebung, feste Essenszeiten und vertrautes Geschirr geben Orientierung. Bieten Sie nahrhafte und leicht verdauliche Speisen an. Achten Sie darauf, dass Ihr Angehöriger ausreichend trinkt. Bei Kau- und Schluckbeschwerden kann pürierte Nahrung oder angedickte Flüssigkeit hilfreich sein.

Unterstützung bei der Körperpflege

Die Körperpflege kann für Menschen mit Demenz eine Herausforderung darstellen. Sie haben möglicherweise Schwierigkeiten, sich zu waschen, anzuziehen oder ihre Kleidung auszuwählen.

Tipps für die Körperpflege:

  • Ermutigen Sie zur Selbstständigkeit: Ermutigen Sie Ihren Angehörigen, sich so weit wie möglich selbstständig zu waschen und anzuziehen.
  • Halten Sie das Angebot klein: Halten Sie das Angebot klein, also lieber weniger Kleidung, dafür welche, leicht kombinierbar ist.
  • Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre: Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre im Badezimmer mit warmem Wasser, angenehmer Beleuchtung und vertrauten Pflegeprodukten.
  • Vermeiden Sie Sinnesüberlastung: Laute Wassergeräusche, helles Licht oder intensive Düfte von Pflegeprodukten können Stress auslösen.
  • Geduld und Ruhe: Nehmen Sie sich Zeit und üben Sie Geduld. Hektik und Ungeduld können Angst und Widerstand auslösen.
  • Anleitung in kleinen Schritten: Geben Sie klare Anweisungen in kleinen Schritten und unterstützen Sie Ihren Angehörigen bei Bedarf.

Wohnraumgestaltung: Sicherheit und Orientierung

Eine demenzgerechte Wohnraumgestaltung kann die Selbstständigkeit und das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz fördern.

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  • Übersichtlichkeit: Gestalten Sie den Wohnraum übersichtlich und einfach, um Überforderung zu vermeiden.
  • Vertraute Umgebung: Schaffen Sie eine vertraute Umgebung mit persönlichen Gegenständen und Erinnerungsstücken.
  • Gute Beleuchtung: Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung, um die Orientierung zu erleichtern und Stürze zu vermeiden. Kaltweißes Licht ist für ältere Menschen besser zu sehen als warmweißes. Beim nächtlichen Toilettengang helfen LED-Nachtlichter mit Bewegungsmelder, sich in der Dunkelheit zu orientieren und Stürze zu vermeiden.
  • Kontraste: Verwenden Sie Kontraste, um Details hervorzuheben und die Wahrnehmung zu erleichtern. Ein Tisch ist zum Beispiel besser erkennbar, wenn der Rand eine kontrastierende Farbe zur Tischfläche hat.
  • Sturzprophylaxe: Beseitigen Sie Stolperfallen wie Teppiche, lose Kabel und unebene Böden.
  • Kennzeichnung: Kennzeichnen Sie wichtige Räume wie Toilette, Schlafzimmer und Küche mit gut sichtbaren Schildern oder Bildern.
  • Sichere Umgebung: Entfernen Sie Gefahrenquellen wie giftige Pflanzen, scharfe Gegenstände und Putzmittel. Bewahren Sie gefährliche Gegenstände sicher auf, etwa in einem abschließbaren Schrank. Sie können Schranktüren und Schubladen auch mit einer Sicherung versehen. Nutzen Sie Sicherheitstechnik, zum Beispiel Alarmsysteme wie Wasser-, Brand- und Rauchmelder, Wasserregulatoren oder eine Herdsicherung.

Umgang mit Ängsten und Unruhe

Ängste und Unruhe sind häufige Begleiterscheinungen einer Demenzerkrankung. Sie können durch Überforderung, Reizüberflutung oder das Gefühl, sich in einer fremden Umgebung zu befinden, ausgelöst werden.

Tipps zur Beruhigung:

  • Ruhe und Geduld: Bleiben Sie ruhig und geduldig und vermitteln Sie Ihrem Angehörigen Sicherheit.
  • Vertraute Umgebung: Schaffen Sie eine vertraute Umgebung mit bekannten Gegenständen und Routinen.
  • Vermeiden Sie Stress: Vermeiden Sie Stress und Hektik und sorgen Sie für eine entspannte Atmosphäre.
  • Musik: Spielen Sie beruhigende Musik, die Ihrem Angehörigen gefällt.
  • Körperkontakt: Geben Sie Ihrem Angehörigen eine Umarmung oder halten Sie seine Hand, um ihm Geborgenheit zu vermitteln.
  • Ablenkung: Lenken Sie Ihren Angehörigen mit einer angenehmen Aktivität ab, wie z.B. einem Spaziergang im Garten oder dem Betrachten von Fotos.
  • Validation: Zeigen Sie Verständnis für die Ängste und Gefühle Ihres Angehörigen und nehmen Sie diese ernst.

Unterstützung für pflegende Angehörige

Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die oft mit großer Belastung verbunden ist. Es ist wichtig, dass pflegende Angehörige auch auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und sich Unterstützung suchen.

  • Nehmen Sie Hilfe an: Scheuen Sie sich nicht, Hilfe von Familie, Freunden oder professionellen Pflegekräften anzunehmen.
  • Selbsthilfegruppen: Treten Sie einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz bei, um sich mit anderen auszutauschen und Unterstützung zu finden.
  • Pflegeberatung: Lassen Sie sich von einer Pflegeberatungsstelle über Entlastungsangebote und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten informieren.
  • Auszeiten: Nehmen Sie sich regelmäßig Auszeiten, um sich zu erholen und neue Kraft zu tanken.
  • Eigene Bedürfnisse: Vernachlässigen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse nicht und nehmen Sie sich Zeit für Hobbys, soziale Kontakte und Entspannung.
  • Psychologische Unterstützung: Suchen Sie bei Bedarf psychologische Unterstützung, um mit der Belastung umzugehen und Ihre eigenen Gefühle zu verarbeiten.

Aktivitäten und Beschäftigung: Lebensqualität erhalten

Gewohnte Aktivitäten im Alltag tragen dazu bei, die Selbstständigkeit sowie körperliche und geistige Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten.

  • Fördern Sie selbstständige Beschäftigung: Fördern Sie selbstständige Beschäftigung, etwa Rätsel lösen oder leichte Näharbeiten.
  • Bieten Sie kreative Tätigkeiten an: Bieten Sie kreative Tätigkeiten an, zum Beispiel zeichnen oder ein Fotoalbum gestalten.
  • Unternehmen Sie etwas gemeinsam: Unternehmen Sie etwas gemeinsam. Fördern Sie soziale Kontakte.
  • Erinnerungspflege: Wecken Sie Erinnerungen, um positive Gefühle auszulösen. Im Verlauf einer Demenz kann es zu Symptomen kommen, die auch für das Umfeld schwierig sein können. Dazu gehören zum Beispiel starke Unruhe, fortwährendes Rufen oder Aggressivität.

Medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungen

Die meisten Formen von Demenz sind nicht heilbar. Verlauf und Symptome können aber teilweise durch eine individuelle Behandlung gemildert werden. Welche Behandlung geeignet ist, hängt von den Bedürfnissen, der Krankheitsphase, den Symptomen und dem Umfeld ab.

  • Individuelle Therapien: Individuelle Therapien ohne Medikamente sollen helfen, den Alltag mit Demenz möglichst gut zu bewältigen. Zudem sollen Wohlbefinden und Selbstwertgefühl gefördert werden.
  • Psychologische Hilfe: Psychologische oder psychotherapeutische Hilfe kann bei der Auseinandersetzung mit der Erkrankung sowie beim Umgang mit Angst, Wut oder Depressionen unterstützen.
  • Kognitives Training: Kognitives Einzel- oder Gruppentraining kann im frühen bis mittleren Stadium Wahrnehmung, Lernfähigkeit und Denkvermögen schulen.
  • Ergotherapie: Mit der Ergotherapie werden alltagspraktische Fähigkeiten gefördert.
  • Bewegungstherapie: Bewegungstherapie und körperliche Aktivierung können dazu beitragen, Beweglichkeit und Gleichgewicht zu erhalten und zu verbessern.
  • Erinnerungstherapie: Die Erinnerungstherapie verstärkt positive Gefühle, Identität sowie Geschichten und Bilder aus dem Leben.
  • Snoezelen und Aromatherapie: Snoezelen und Aromatherapie sprechen die Sinne an. Dazu werden gezielt Licht, Klang, Berührung, Geschmack und Duft eingesetzt.
  • Validation: Validation ist eine Kommunikationsform. Sie ist erfahrungsgemäß hilfreich, um Zugang zu Wahrnehmung und Gefühlen von Menschen mit Demenz zu finden.
  • Medikamentöse Behandlungen: Medikamentöse Behandlungen von Demenz haben das Ziel, den Abbau geistiger Fähigkeiten hinauszuzögern sowie Symptome und begleitende Beschwerden zu lindern.

Notfallplanung: Vorbereitet sein

Auch wenn so etwas hoffentlich nie eintritt - es ist immer gut einen Plan für den Notfall zu haben.

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  • Notfallplan: Überlegen Sie, wer in einer Notsituation einspringen und alles Notwendige organisieren kann. Das kann jemand aus der Familie oder im Freundeskreis sein. Wenn es im privaten Umfeld niemanden gibt, kann vielleicht auch eine ehrenamtliche Betreuungsperson, die Sie unterstützt, als erste Ansprechperson fungieren.
  • Wichtige Informationen: Fertigen Sie eine Liste mit wichtigen Telefonnummern und Informationen an und platzieren Sie sie möglichst gut sichtbar, zum Beispiel neben dem Telefon. Die Liste sollte die Nummern von Unterstützungspersonen und des Hausarztes bzw. der Hausärztin enthalten; außerdem Angaben zu wichtigen Medikamenten, Vorsorge- und Patientenverfügung sowie ggf.

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