Ohrenschmalz und Demenz: Ein möglicher Zusammenhang und neue Erkenntnisse

Ohrenschmalz, oft als lästig und unnütz abgetan, könnte in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von schweren Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Alzheimer spielen. Forscher betrachten Cerumen, wie Ohrenschmalz auch genannt wird, als eine Art Langzeitarchiv unseres Stoffwechsels. Diese Erkenntnis könnte besonders für Menschen von Bedeutung sein, die unter ungeklärten Beschwerden leiden und bisher keine Diagnose erhalten haben.

Ohrenschmalz als Spiegel des Stoffwechsels

Der Grund, warum Ohrenschmalz so interessant für die Forschung ist, liegt in seiner Fähigkeit, fettlösliche Stoffe zu speichern. Viele Erkrankungen beginnen именно dort. Chemikerin Rabi Ann Musah betont, dass Ohrenschmalz extrem fettreich ist und somit ein ideales Medium für die Speicherung von Stoffwechselprodukten darstellt.

Auffällige Moleküle im Ohrenschmalz von Krebspatienten

Bereits 2019 entdeckten Forscher in einer Studie mit 52 Krebspatienten insgesamt 27 auffällige Moleküle im Ohrenschmalz. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass Veränderungen im Stoffwechsel, die mit Krebs einhergehen, sich im Ohrenschmalz widerspiegeln.

Veränderungen im Cerumen bei Morbus Ménière

Auch bei Morbus Ménière, einer Erkrankung, die mit Schwindel, Hörverlust und Übelkeit einhergeht, zeigen sich typische Veränderungen im Cerumen. Musah erklärt, dass viele Betroffene aufgrund der Symptome nicht mehr alleine Auto fahren können.

Erhöhtes Brustkrebsrisiko bei Menschen mit nassem Cerumen?

Studien legen nahe, dass Menschen mit nassem Cerumen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben könnten. Dies wirft Fragen nach möglichen Zusammenhängen zwischen genetischen Unterschieden, Umweltfaktoren wie Ernährung und Lebensstil und dem Krebsrisiko auf.

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Stoffwechselveränderungen im Ohrenschmalz bei Diabetes

Menschen mit Diabetes, sowohl Typ 1 als auch Typ 2, weisen oft veränderte Stoffwechselwerte auf, die sich auch im Ohrenschmalz nachweisen lassen. Biochemiker Bruce Kimball von der BBC erklärt, dass es im Ohrenschmalz kaum Austausch gibt, was bedeutet, dass sich abgelagerte Stoffe dort dauerhaft сохраняются.

KI-gestütztes Analysemodell für Parkinson-Erkennung

Aktuelle Untersuchungen widmen sich ebenfalls dem orangen Körpersekret. In einer Studie, die Ende Mai 2025 erschien, wurden bei über 200 Teilnehmern vier chemische Verbindungen identifiziert, die bei Parkinson-Patienten in auffälliger Konzentration vorkamen. Mithilfe dieser Substanzen entwickelte das Team ein KI-gestütztes Analysemodell, das in ersten Tests eine Trefferquote von über 94 Prozent erreichte.

Ausblick auf zukünftige Testverfahren

Forscher arbeiten bereits an Testverfahren, die künftig in Arztpraxen oder sogar zuhause angewendet werden könnten. Musah fasst zusammen: „Ohrenschmalz ist mehr als Dreck - es erzählt die Geschichte deines Körpers.“ Wer künftig nur auf Blutwerte setzt, könnte wichtige Frühwarnzeichen übersehen.

Schwerhörigkeit als Risikofaktor für Demenz

Neben den potenziellen diagnostischen Möglichkeiten von Ohrenschmalz gibt es auch neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und Demenz. Ein neues KI-Tool erkennt Alzheimer und andere Demenzformen mit einem einzigen Hirnscan - schnell, präzise und schon im Frühstadium. Es gibt Risikofaktoren, die die Entwicklung einer Demenz begünstigen, und Schwerhörigkeit gehört dazu. Sie führt nicht nur zu Isolation, sondern auch dazu, dass weniger akustische Signale im Gehirn verarbeitet werden.

Die Rolle des Hörens bei Demenz

Klänge können nicht nur verlorengegangene Erinnerungen wieder reaktivieren, sondern gutes Hören ist auch wichtig, um Isolation zu vermeiden, die eine Demenz begünstigen kann. Der Welt-Alzheimertag am 21. September unterstreicht die Bedeutung des Themas mit dem Motto „Demenz - genau hinsehen“.

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Prävention von Demenz durch Lebensstilfaktoren

Eine hochkarätig besetzte Expertenrunde der „Commission on Dementia Prevention, Intervention, and Care“ betont, dass mehr als ein Drittel aller Fälle von Demenz theoretisch vermieden werden könnten, weitere zumindest um Jahre aufschiebbar. Die Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, um unser individuelles Risiko zu verringern, sind vielfältig und werden unter dem Begriff „Lebensstilfaktoren“ zusammengefasst. Dazu gehören gute Bildung und kognitives Training, körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung, das Vermeiden von Übergewicht, die frühzeitige Behandlung von hohem Blutdruck, Diabetes und Depressionen sowie der Verzicht auf das Rauchen.

Schwerhörigkeit als modifizierbarer Risikofaktor

Die Kommission hat nach der Sichtung neuer Studien zwei schützende Elemente neu in die Liste aufgenommen: „Soziale Aktivitäten“ und das „Management von Hörverlust“. Stefan Zimmer, Koordinator der deutschsprachigen WHO-Kampagne zum Welttag des Hörens, betont: „Eine Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter ist mit acht Prozent der größte modifizierbare Risikofaktor. Damit ist die Prävention von Hörverlust für die Demenzvorsorge bedeutender als zum Beispiel zu hoher Blutdruck oder Übergewicht.“

Die komplexen Zusammenhänge zwischen Schwerhörigkeit und Demenz

In beiden Fällen, bei sozialer Isolierung wie beim Hörverlust, sind es komplizierte Zusammenhänge, die die Frage nach der Henne und dem Ei aufwerfen. Kognitive Fähigkeiten können abnehmen, wenn man sie nicht im Kontakt mit anderen einsetzt, und Menschen ziehen sich von sozialen Beziehungen zurück, wenn sie das Abnehmen solcher Fähigkeiten bereits bemerken oder wenn eine beginnende Demenz ihre Interessen verändert. Auch das Hörvermögen spielt eine entscheidende Rolle bei der Freude am Kontakt mit anderen Menschen. Vaskuläre, gefäßbedingte Formen der Demenz und Einbußen beim Hören können gemeinsame Ursachen haben, nämlich Gefäßveränderungen im Gehirn, die im höheren Lebensalter vermehrt auftreten.

Die Bedeutung der Früherkennung und Behandlung von Schwerhörigkeit

Zimmer betont, dass die Korrelation von unbehandelter Schwerhörigkeit und steigendem Demenzrisiko deutlich ist, auch wenn die kausalen Zusammenhänge noch nicht abschließend geklärt sind. Eine Erklärung ist, dass durch Schwerhörigkeit weniger akustische Signale im Gehirn verarbeitet werden können, was die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Auch die andauernde Belastung durch die starke Konzentration auf das Hören kann zu einer Vernachlässigung anderer Hirnfunktionen führen. In vielen Fällen meiden Menschen, deren Schwerhörigkeit nicht behandelt wird, solche anstrengenden Situationen auch zunehmend, was zu sozialer Isolation und einem erhöhten Risiko für Depressionen führt, die wiederum das Demenzrisiko steigern.

Empfehlungen für regelmäßige Hörtests und Hörgeräteversorgung

Jan Löhler, Direktor des Wissenschaftlichen Institutes für angewandte HNO-Heilkunde, empfiehlt, dass das Gehör spätestens ab dem 50. Lebensjahr regelmäßig getestet und bei Bedarf adäquat, etwa mit Hörgeräten, versorgt werden sollte. Sein Berufsverband plädiert dafür, dass ein Hörscreening ab 50 in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird, da Hörverluste bereits bei 32 Prozent der über 55-Jährigen zu verzeichnen sind.

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Hörgeräte als Investition in die gesundheitliche Zukunft

Eine Auswertung von Krankenkassen-Daten einer japanischen Forschergruppe aus dem Jahr 2019 deutet darauf hin, dass Hörhilfen auch eine Investition in die gesundheitliche Zukunft sein können. Unter den über 100.000 Menschen, die zu Beginn 66 Jahre alt waren, wurde bei vielen ein Hörverlust diagnostiziert. Unter denjenigen, die daraufhin auf ärztlichen Rat ein Hörgerät trugen, wurde Jahre später im Vergleich zu den Personen, die zu Beginn der Beobachtungszeit kein solches Gerät trugen, deutlich seltener und später die Diagnose Demenz gestellt, zudem waren unter ihnen weniger Stürze zu beklagen.

Schwierigkeiten bei der Durchführung von Interventionsstudien

Es ist schwierig, eine kausale Beziehung zwischen dem Tragen von Hörgeräten und einer verringerten Gefahr, an einer Demenz zu erkranken, zu belegen, da theoretisch Studien nötig wären, für die zu Beginn gesunde Teilnehmer:innen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt werden, die regelmäßig auf ihr Hörvermögen getestet werden und gegebenenfalls entweder ein Hörgerät bekommen oder nicht. Solche Studien würden jedoch wahrscheinlich durch keine Ethikkommission genehmigt werden.

Der Mini-Audio-Test zur Früherkennung von Hörverlust

Löhlers Institut hat einen kurzen und schlicht wirkenden, aber wissenschaftlich geprüften Fragebogen zum individuellen Hörverhalten entwickelt, den Mini-Audio-Test (mini-audio-test.de), der online oder bei einem Besuch beim Haus- oder Facharzt mit geringem Aufwand in wenigen Minuten beantwortet werden kann.

Weitere Aspekte der Hörgesundheit

Die Bedeutung der Ohrenpflege

HNO-Ärzte sind sich einig, dass wir uns die Ohren nicht sauber machen müssen, da der Ohrenschmalz eine wichtige Funktion hat: Er macht den Gehörgang geschmeidig und senkt den pH-Wert, um Infektionen vorzubeugen.

Hörgeräte bei Alzheimer

Hörgeräte können bei Alzheimer eine wichtige Hilfestellung sein, da sie die Kommunikation verbessern und den Alltag erleichtern. Informationen werden nicht mehr so zuversichtlich verarbeitet wie vor der Erkrankung, und da Demenzerkrankte nicht selten auf die Hilfe von anderen angewiesen sind, ist Kommunikation ein wichtiger Faktor. Studien zeigen, dass das rechtzeitige Einsetzen eines Hörgeräts sogar dabei helfen kann, das Demenzrisiko zu senken.

Die Auswirkungen von Schwerhörigkeit auf das tägliche Leben

Schwerhörigkeit kann viele Auswirkungen haben, über die man sich als Nichtbetroffener oft gar keine Gedanken macht. Betroffene werden misstrauisch gegenüber ihrer Umwelt, können Angstzustände bekommen, werden schreckhafter und unsicher. Eine unbehandelte Altersschwerhörigkeit kann mitunter einen vorzeitigen geistigen Abbau, sozialen Rückzug und Unsicherheit bei der Bewältigung des Alltags zur Folge haben.

Schutz vor Lärm und Nikotin

Es ist wichtig, sich vor zu großer Lärmeinwirkung zu schützen und auf Zigaretten zu verzichten, da Raucher eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, schwerhörig zu werden.

Möglichkeiten zur Kompensation von Altersschwerhörigkeit

Bei Altersschwerhörigkeit gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, den Verlust des Hörvermögens auszugleichen. Hörgeräte sind besonders geeignet, um eine Schwerhörigkeit im Alter zu kompensieren, auch wenn die Eingewöhnungsphase eine Umstellung bedeuten kann.

Die Rolle der Angehörigen bei Schwerhörigkeit

Sollten Sie bemerken, dass sich das Hörvermögen eines Ihrer Angehörigen stark verschlechtert hat, sprechen Sie ihn behutsam darauf an, ermutigen Sie ihn zum Arzt oder Hörgeräteakustiker zu gehen und die ggf. erforderlichen Hilfsmittel anzunehmen. Eine Hörbehinderung verlangt allen Familienmitgliedern Verständnis und viel Geduld ab.

Der Einfluss von Schwerhörigkeit auf die Entwicklung einer Demenz

Schwerhörigkeit im Alter gilt unter Experten als größter beeinflussbarer Risikofaktor für Demenz. Vermutlich führt der Hörverlust auch zu Veränderungen im Gehirn: Aufgrund der Dauerbelastung durch starke Konzentration auf das Hören werden andere Hirnfunktionen vernachlässigt. Um die Entwicklung einer Demenz zu vermeiden, sollte eine Hörverminderung möglichst schnell erkannt und auch behandelt werden.

Arten von Schwerhörigkeit

Experten unterscheiden zwischen drei Arten von Schwerhörigkeit: Schall-Leitungs-Schwerhörigkeit, Schall-Empfindungs-Schwerhörigkeit und kombinierte Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit.

Die Bedeutung der Hörvorsorge

Eine regelmäßige Hörvorsorge ist sehr zu empfehlen, um eine Schwerhörigkeit früh zu erkennen und zu versorgen, um das gesunde Altern zu unterstützen. Betroffene sollten daher bei den ersten Symptomen eines beginnenden Hörverlusts ihr Gehör testen lassen.

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