Lewy-Körperchen-Demenz: Halluzinationen und Lebenserwartung

Die Lewy-Körperchen-Demenz (LKD), auch bekannt als Lewy-Körper-Demenz oder Lewy-Body-Demenz, ist eine Form der neurodegenerativen Demenzen, die durch spezifische Symptome und pathologische Veränderungen im Gehirn gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung, benannt nach dem deutschen Nervenarzt Friedrich H. Lewy, manifestiert sich meist erst nach dem 65. Lebensjahr und betrifft schätzungsweise 5 bis 10 Prozent aller Demenzerkrankten in Deutschland. Das entspricht etwa 90.000 bis 180.000 Menschen.

Was ist Lewy-Körperchen-Demenz?

Die Lewy-Körperchen-Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, bei der sich charakteristische runde Eiweißablagerungen, die sogenannten Lewy-Körperchen, in den Nervenzellen der Großhirnrinde und der Substantia Nigra ansammeln. Diese Ablagerungen bestehen hauptsächlich aus Alpha-Synuclein, einem Protein, das miteinander verklebt und unlösliche Ansammlungen bildet. Diese Proteinablagerungen stören die Kommunikation im Gehirn und führen zum Absterben von Nervenzellen.

Friedrich Jacob Heinrich Lewy

Friedrich Jacob Heinrich Lewy, geboren 1885 in Berlin, war ein bedeutender Neurologe, Psychiater und Neuropathologe. Er entdeckte die nach ihm benannten Lewy-Körperchen im Jahr 1912 bei Parkinson-Patienten. Erst 1989 wurde erkannt, dass diese Körperchen auch bei Demenzkranken auftreten können, die keine oder erst spät Parkinson-Symptome zeigen. Lewy musste 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft seine Positionen in Berlin aufgeben.

Symptome der Lewy-Körperchen-Demenz

Die Symptome der LKD ähneln denen der Alzheimer- und Parkinson-Krankheit, was die Diagnose erschweren kann. Typische Anzeichen sind:

  • Kognitive Beeinträchtigungen: Fortschreitende Gedächtnisstörungen und verlangsamtes Denken, wobei die geistige Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf stark schwanken kann. Betroffen sind zunächst die Alltagsfähigkeiten, die mit dem Planen, Organisieren und Orientieren zusammenhängen. Insbesondere Aufmerksamkeit und Konzentration sind gestört.
  • Parkinson-Symptome: Muskelstarre, Muskelzittern, verlangsamte Bewegungen und eine instabile Körperhaltung mit Schwankungs- und Sturzneigung.
  • Optische Halluzinationen: Bereits früh im Krankheitsverlauf treten detaillierte optische Halluzinationen auf. Betroffene sehen beispielsweise Menschen, Tiere oder Dinge, die nicht real sind, was Angst auslösen kann. Akustische Halluzinationen sind seltener.
  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung: Gestörter Traumschlaf, bei dem die Erkrankten ihre Träume regelrecht ausleben, was sich durch unruhigen Schlaf, vermehrte Bewegungen und Sprechen im Schlaf äußert.
  • Starke Schwankungen der körperlichen und geistigen Verfassung: Die Betroffenen können mal unternehmungslustig, mal orientierungslos und verwirrt sein. Diese Zustände können ständig wechseln.

Diagnose

Die Diagnose der LKD ist aufgrund der vielfältigen und sich überschneidenden Symptome schwierig. Es gibt derzeit keine Methode, die eine Lewy-Körperchen-Demenz bei lebenden Menschen eindeutig nachweisen kann. Die Diagnose basiert auf der Erfassung der Symptome und dem Ausschluss anderer Demenzformen. Folgende Kriterien werden überprüft:

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  • Gedächtnisprobleme mit häufigen Schwankungen
  • Wiederholt auftretende Halluzinationen
  • Motorische Störungen

Wenn zwei dieser drei Kriterien erfüllt sind, liegt der Verdacht auf eine LKD nahe. Bildgebende Verfahren wie MRT und CT werden eingesetzt, um andere Erkrankungen auszuschließen, weisen aber nicht direkt auf Lewy-Körperchen hin. Spezielle Verfahren wie FDG-PET und DaT-SPECT können LKD-typische Veränderungen im Gehirn aufzeigen. Neuropsychologische Tests, insbesondere solche, die visuell-konstruktive Fähigkeiten prüfen, können ebenfalls Hinweise liefern. Ein Beispiel hierfür ist der Uhrentest, bei dem der Patient eine Uhr mit Ziffernblatt und Zeigern zeichnen soll.

Lewy-Körperchen-Demenz vs. Parkinson-Demenz

Die LKD und die Demenz bei Parkinson sind sich ähnlich, unterscheiden sich jedoch in einigen wesentlichen Punkten:

  • Bei der LKD treten die geistigen und motorischen Einschränkungen in der Regel gleichzeitig auf.
  • Bei der Parkinson-Demenz entwickeln sich die kognitiven Störungen typischerweise erst zehn bis 15 Jahre nach Auftreten der ersten motorischen Einschränkungen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen für die Ablagerung der Lewy-Körperchen sind bislang nicht bekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Veränderungen eine Rolle spielen können. Ein Zusammenhang mit einer Genvariante namens ApoE4 wird vermutet, da dieses Gen das Protein Alpha-Synuclein reguliert, das bei der LKD und bei der Parkinson-Demenz zu den schädlichen Verklumpungen im Gehirn führt. ApoE4 ist auch ein Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Die LKD selbst ist jedoch nicht erblich.

Verlauf und Stadien der Demenz

Der Verlauf einer Demenz, einschließlich der LKD, erfolgt meist in mehreren Stadien, die die zunehmende Verschlechterung der kognitiven und körperlichen Fähigkeiten beschreiben:

  • Frühe Phase: Leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns, die im Alltag kaum einschränken.
  • Mittlere Phase: Zunehmende Vergesslichkeit, Schwierigkeiten, neue Informationen zu behalten, Orientierungsprobleme und Veränderungen der Stimmung.
  • Späte Phase: Deutliche Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, Erkennen von bekannten Gesichtern wird schwierig, tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und Wesen, Verlust der Selbstständigkeit.
  • Endstadium: Vollständige Abhängigkeit von Pflege, Verlust der Sprache, Inkontinenz, Schluckstörungen und ein geschwächtes Immunsystem.

Halluzinationen bei Lewy-Körperchen-Demenz

Ein besonders charakteristisches Symptom der LKD sind die frühzeitig auftretenden Halluzinationen, meist optischer Natur. Die Betroffenen sehen Menschen, Tiere oder Gegenstände, die nicht vorhanden sind. Diese Sinnestäuschungen können sehr real wirken und Ängste auslösen. Akustische Halluzinationen sind seltener.

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Umgang mit Halluzinationen

Der Umgang mit Halluzinationen bei LKD erfordert ein sensibles Vorgehen. Es ist wichtig, den Betroffenen nicht zu widersprechen oder zu korrigieren, sondern ihre Wahrnehmungen ernst zu nehmen. Eine beruhigende Umgebung und Ablenkung können helfen, die Halluzinationen zu reduzieren. In manchen Fällen können Medikamente zur Behandlung von psychotischen Störungen eingesetzt werden, jedoch ist bei Menschen mit LKD Vorsicht geboten, da sie oft überempfindlich auf Neuroleptika reagieren.

Lebenserwartung bei Lewy-Körperchen-Demenz

Die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Diagnosestellung einer LKD beträgt etwa sieben bis acht Jahre. Der Verlauf der Erkrankung ist jedoch sehr unterschiedlich. Im fortschreitenden Verlauf verlieren die Betroffenen zunehmend ihre Alltagskompetenz, werden immobil und schließlich bettlägerig. Typisch für das Endstadium sind Schluckbeschwerden.

Behandlungsmöglichkeiten

Bislang gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten, die eine LKD aufhalten oder heilen können. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen möglichst lange zu erhalten.

Medikamentöse Therapie

  • Cholinesterasehemmer: Medikamente wie Rivastigmin oder Donepezil, die auch bei Alzheimer eingesetzt werden, können zur Behandlung der Demenz eingesetzt werden. Allerdings ist bei Menschen mit LKD Vorsicht geboten, da sie oft überempfindlich auf diese Medikamente reagieren.
  • Levodopa: Das Parkinson-Medikament Levodopa kann in niedriger Dosierung zur Verbesserung der motorischen Symptome eingesetzt werden. Die Wirkung ist jedoch in der Regel geringer als bei der Parkinson-Krankheit, und es können sich Halluzinationen und Wahnvorstellungen verstärken.
  • Quetiapin: Psychotische Störungen können mit Quetiapin behandelt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die motorischen Symptome verschlechtern können.

Nicht-medikamentöse Therapie

Die nicht-medikamentöse Therapie spielt bei der LKD eine große Rolle. Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten zu fördern, den Alltag zu strukturieren und das Wohlbefinden zu verbessern.

  • Kognitives Training: Gedächtnistraining und andere kognitive Übungen können helfen, die geistigen Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten.
  • Bewegung und Sport: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die motorischen Fähigkeiten verbessern und das allgemeine Wohlbefinden steigern.
  • Ergotherapie und Physiotherapie: Diese Therapien können helfen, die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten und Schmerzen zu lindern.
  • Musiktherapie und Kunsttherapie: Diese kreativen Therapien können das emotionale Wohlbefinden verbessern und die Kommunikation fördern.
  • Strukturierter Tagesablauf: Ein strukturierter Tagesablauf mit festen Zeiten für Mahlzeiten, Aktivitäten und Ruhephasen kann den Betroffenen Sicherheit geben und Verwirrung reduzieren.
  • Vermeidung von Reizüberflutung: Menschen mit LKD sind oft sehr empfindlich gegenüber Stress, Lärm und Reizüberflutung. Eine ruhige und reizarme Umgebung kann helfen, Unruhe und Verwirrtheit zu reduzieren.

Leben mit Lewy-Körperchen-Demenz

Das Leben mit LKD stellt sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen eine große Herausforderung dar. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren und sich professionelle Unterstützung zu suchen.

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Unterstützung für Betroffene und Angehörige

  • Pflegegrad: Menschen mit LKD haben unter Umständen Anspruch auf einen Pflegegrad und damit auf verschiedene Leistungen der Pflegekasse, die den Pflegealltag erleichtern sollen.
  • Pflegetagebuch: Das Festhalten von Auffälligkeiten in einem Pflegetagebuch kann helfen, den Unterstützungsbedarf zu dokumentieren und die Kommunikation mit Ärzten und Pflegekräften zu erleichtern.
  • Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass die medizinischen Wünsche des Betroffenen auch in unerwarteten Situationen respektiert werden.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen in Selbsthilfegruppen kann sehr hilfreich sein.
  • Entlastungsangebote für Angehörige: Es gibt verschiedene Entlastungsangebote für pflegende Angehörige, wie zum Beispiel Tagespflege, Kurzzeitpflege oder ehrenamtliche Helfer.

Die letzte Lebensphase

In der letzten Lebensphase der LKD sind die Betroffenen vollständig auf Pflege angewiesen. Es kommt zu einer starken Verschlechterung des Zustandes und zunehmenden Einschränkungen. Häufig treten Infekte auf, die die Betroffenen weiter schwächen. Die Schwierigkeiten beim Schlucken können zunehmen, und das Interesse an Essen und Trinken nimmt ab. Die Betroffenen wirken körperlich schwächer und sind weniger mobil.

Symptome in der Sterbephase

In den letzten Tagen oder Stunden vor dem Tod können folgende Anzeichen auftreten:

  • Verändertes Bewusstsein
  • Erhöhter Herzschlag und sinkender Blutdruck
  • Blasse oder wächserne Hautfarbe
  • Veränderte Atmung, möglicherweise mit Rasselgeräuschen

Palliativversorgung

In der letzten Lebensphase ist einePalliativversorgung wichtig, um die Beschwerden der Betroffenen zu lindern und ihnen ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Dazu gehören die Linderung von Schmerzen, Luftnot, Unruhe und Angst.

Todesursachen

Menschen mit fortgeschrittener Demenz versterben häufig an den Folgen oder Komplikationen der Demenz, wie zum Beispiel einer Lungenentzündung.

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