Demenzrisiko nach Tod des Partners: Eine umfassende Betrachtung

Der demografische Wandel führt zu einem Anstieg der Demenzerkrankungen weltweit, auch in Deutschland. Diese Entwicklung stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Der folgende Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Demenz, insbesondere das erhöhte Demenzrisiko nach dem Tod des Partners, Trauerprozesse, ethische Fragen und die Bedeutung einer ganzheitlichen Betreuung.

Demenz: Eine Herausforderung für Betroffene und Angehörige

Eine Demenzerkrankung verändert das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen grundlegend. Da Demenz bislang nicht heilbar ist und mit einer fortschreitenden Verschlechterung der Symptome einhergeht, sind starke Emotionen, einschließlich Trauer, natürliche Begleiterscheinungen. Trauer tritt dabei nicht nur nach dem Tod der erkrankten Person auf, sondern bereits im Verlauf der Erkrankung.

Erhöhtes Demenzrisiko nach Verlust des Partners

Eine Studie aus Barcelona, veröffentlicht im Fachjournal Neurology, deutet darauf hin, dass schwere Schicksalsschläge wie der Verlust eines Partners das Gehirn messbar verändern und das Risiko für Alzheimer erhöhen können. Das Forscherteam des Barcelonabeta Brain Research Centre untersuchte 1.290 Erwachsene zwischen 45 und 75 Jahren mit einem familiär erhöhten Alzheimer-Risiko, die zu Beginn der Studie keine kognitiven Einschränkungen aufwiesen. Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmer, die den Tod ihres Partners erlebt hatten, im Nervenwasser (Liquor) biologische Anzeichen aufwiesen, die mit Alzheimer in Verbindung stehen. Konkret fanden die Forscher vermehrt Eiweißstoffe wie Beta-Amyloide, Tau-Protein und Neurogranin, also Biomarker, die auf Nervenzellschäden und Synapsenverlust hindeuten.

Interessanterweise reagierten Männer und Frauen unterschiedlich auf Stress. Männer wiesen nach dem Verlust des Partners oder nach Jobverlust häufiger Alzheimer-typische Veränderungen auf, insbesondere wenn sie einen niedrigeren Bildungsabschluss hatten. Frauen reagierten sensibler auf finanzielle Krisen, bei ihnen stiegen die Marker für Nervenzellschäden besonders stark.

Die Forscher vermuten, dass chronischer Stress über verschiedene Mechanismen zu Hirnschäden führen kann, beispielsweise durch die anhaltende Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, die das Nervensystem belasten. Zudem führt Leid oft zu weniger Bewegung, Schlafstörungen und ungesunder Ernährung.

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Trauer bei Demenz: Eine vielschichtige Erfahrung

Trauer im Zusammenhang mit Demenz ist ein komplexes Thema, das verschiedene Facetten umfasst. Angehörige von Menschen mit Demenz durchlaufen oft einen Prozess der vorweggenommenen Trauer, da die fortschreitende Erkrankung und der Verlust von Erinnerungen und Fähigkeiten bereits vor dem physischen Tod des Betroffenen zu Trauergefühlen führen.

Eine Übersichtsarbeit, die 55 Studien analysierte, ergab, dass zehn bis 18 Prozent der Teilnehmenden entweder von einer krankhaften Trauer vor dem Tod betroffen waren oder ein erhöhtes Risiko hatten, dass sich die Trauer negativ auf die Gesundheit auswirken könnte. Faktoren wie die Rolle als Ehepartner, ein geringeres Bildungsniveau, die Pflege von Menschen mit fortgeschrittener Demenz sowie eine größere Belastung und Depression waren mit einer stärkeren Trauer bereits vor dem Tod des an Demenz Erkrankten verbunden. Nach dem Tod spielten ein niedriges Bildungsniveau und Depressionen eine Rolle bei erhöhter Trauer.

Es ist wichtig zu beachten, dass auch Menschen mit Demenz selbst von Verlusten betroffen sind. Aus Sorge vor unpassenden Verhaltensweisen oder Reaktionen werden sie jedoch oft von Trauerfeiern ferngehalten. Eine demenzfreundliche Gesellschaft sollte daher die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen bei Bestattungen berücksichtigen.

Ethische Aspekte und palliative Versorgung

Die palliative Versorgung von Menschen mit Demenz steht vor besonderen Herausforderungen. Ziel ist es, belastende Symptome frühzeitig zu erkennen und zu lindern, auch wenn die Betroffenen sich nicht verbal mitteilen können. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit palliativen Ansätzen kann die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, wie die Epyloge-Studie gezeigt hat.

Ethische Fragen spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung von Menschen mit Demenz am Lebensende. Angehörige und Betreuungsbevollmächtigte sollten sich möglichst vor einer Akutsituation mit diesem Thema auseinandersetzen und idealerweise mit dem behandelnden Arzt einen Behandlungsplan erstellen, um beispielsweise unnötige Krankenhauseinweisungen am Lebensende zu vermeiden.

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Der Umgang mit Trauer bei Menschen mit Demenz

Die Frage, ob man einem Menschen mit Demenz mitteilen sollte, wenn eine nahestehende Person gestorben ist, ist komplex. Es ist wichtig, Menschen mit Demenz nicht die Möglichkeit zu nehmen, zu trauern. Trauer sieht individuell anders aus und muss entsprechend begleitet werden. Dabei sind der persönliche Kontext, der Krankheitsfortschritt und die Beziehung zu berücksichtigen.

Es ist unethisch, einem Menschen eine Todesnachricht vorzuenthalten, da er ein Recht darauf hat, es zu erfahren. Allerdings sollte man vermeiden, die Nachricht täglich neu zu überbringen, wenn der Betroffene sie bereits vergessen hat. Hinter der Frage, ob man eine Todesnachricht überbringen soll, steckt oft die Angst vor den eigenen Reaktionen auf die Trauer des Betroffenen.

Trauer ist etwas Lebendiges und Normales und muss im Regelfall nicht medikamentös gedämpft werden. Als Außenstehende können wir oft wenig tun, außer da zu sein und mit auszuhalten. Wie Trauerbegleitung aussehen kann, eine Verabschiedung gestaltet oder eine persönliche Andacht gehalten werden kann, sind Dinge, mit denen sich Dritte für den Menschen mit Demenz befassen müssen. Bestattungsunternehmen, PastorInnen und Hospizvereine können hierbei Unterstützung bieten.

Demenz: Mehr als nur Gedächtnisverlust

Es ist wichtig zu betonen, dass Demenz mehr ist als nur Gedächtnisverlust. Die Erkrankung kann sich auf verschiedene kognitive Fähigkeiten, das Verhalten und die Persönlichkeit auswirken. Dies führt zu einer Vielzahl von Herausforderungen im Alltag, sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen.

Einfluss des Familienstandes auf das Demenzrisiko

Eine Studie der Florida State University untersuchte den Einfluss des Familienstandes auf die kognitive Gesundheit und kam zu überraschenden Ergebnissen. Verwitwete, geschiedene und unverheiratete ältere Erwachsene hatten im Vergleich zu ihren verheirateten Altersgenossen ein geringeres Demenzrisiko. Demnach entwickelten 21,9 Prozent der verheirateten und auch der verwitweten Teilnehmenden im Untersuchungszeitraum eine Demenz, aber nur 12,8 Prozent der Geschiedenen und 12,4 Prozent der Unverheirateten.

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Mögliche Erklärungen für diese Ergebnisse sind, dass Demenz bei Verheirateten oft früher auffällt, weil der Partner Symptome bemerkt, während die Diagnose bei Unverheirateten später oder seltener gestellt wird. Auch der Lebensstil könnte eine Rolle spielen, da Unverheiratete oft engere soziale Netzwerke und Lebensweisen pflegen, die sich positiv auf die geistige Gesundheit auswirken.

Die Studie berücksichtigte auch Faktoren wie Bildung, Depressionen und genetische Veranlagung, die jedoch keinen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Familienstand und Demenzrisiko hatten. Auch gesundheitliche Probleme wie Fettleibigkeit, Diabetes oder das Rauchverhalten spielten keine entscheidende Rolle.

Sinkende Demenzdiagnosen in Deutschland?

Entgegen der Erwartung, dass die Zahl der Demenzerkrankungen mit der alternden Bevölkerung zunimmt, zeigt eine aktuelle Studie aus Deutschland, dass weniger Demenzdiagnosen gestellt werden als noch vor zehn Jahren. Ein Forschungsteam vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) analysierte die Abrechnungsdaten von mehr als 15 Millionen Versicherten ab 65 Jahren und stellte fest, dass sowohl die Zahl der Neuerkrankungen als auch die Gesamtzahl der diagnostizierten Fälle gesunken ist.

Mögliche Gründe für diesen Rückgang sind die verbesserte Bildung, die zu einer stärkeren kognitiven Reserve führt, sowie ein gesünderer Lebensstil mit weniger Rauchen, moderatem Alkoholkonsum, mehr Bewegung und besserer Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes. Allerdings könnten auch Demenzpatienten durchs Raster fallen, beispielsweise aufgrund vermiedener Arztbesuche während der Coronapandemie oder weil Diagnosen vermehrt in spezialisierten Gedächtnisambulanzen gestellt werden, deren Befunde nicht immer in die Dokumentation der Vertragsärzte einfließen.

Prävention und Umgang mit Demenz: Was können wir tun?

Die Erkenntnisse aus den genannten Studien unterstreichen die Bedeutung von Prävention und einem ganzheitlichen Ansatz im Umgang mit Demenz. Dazu gehören:

  • Stressbewältigung: Psychologische Unterstützung nach schweren Schicksalsschlägen kann nicht nur psychisch, sondern auch neurologisch helfen und ein Baustein zur Prävention von Alzheimer sein.
  • Gesunder Lebensstil: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, der Verzicht auf Nikotin und ein moderater Alkoholkonsum können das Demenzrisiko senken.
  • Kognitive Aktivität: Regelmäßiger sozialer Austausch, das Erlernen neuer Fähigkeiten, Musik hören oder machen, Lesen und das Spielen von Gesellschaftsspielen halten das Gehirn fit.
  • Frühe Diagnose: Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht eine rechtzeitige Behandlung und Unterstützung, um den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen.
  • Unterstützung für Angehörige: Die Begleitung und Unterstützung von Angehörigen ist entscheidend, da sie oft stark belastet sind und selbst ein erhöhtes Risiko für psychische Probleme haben.
  • Demenzfreundliche Gesellschaft: Die Förderung von Sensibilität und Verständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz in allen Bereichen des Lebens, einschließlich der Bestattungsbranche, ist wichtig für eine inklusive Gesellschaft.

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