Stephan Weidner, bekannt als Kopf der umstrittenen Rockgruppe Böhse Onkelz, wagte sich nach einer langen Phase der Stille mit seinem Soloprojekt "Der W" zurück ins Rampenlicht. Dieser Artikel beleuchtet Weidners musikalische und persönliche Entwicklung, die Kontroversen seiner Vergangenheit und seinen Versuch, mit Waffen und Neurosen umzugehen.
Eine Vergangenheit, die Verfolgt
Weidner sah sich mit Liedern wie "Türken Raus" und "Deutschland den Deutschen" konfrontiert, die er in seiner Jugend als Skinhead verfasst hatte. Diese Texte lasteten schwer auf ihm, und er weigerte sich, sie weiter zu kommentieren. Die bürgerliche Öffentlichkeit war gespalten, ob man einem ehemaligen Skinhead und Kopf einer wegen Gewaltverherrlichung beschlagnahmten Band überhaupt eine Plattform bieten sollte.
Vom Rechtsrock zum Prollrock: Die Wandlung der Böhsen Onkelz
Nachdem sich die Böhsen Onkelz mühsam von ihren rechtsextremen Parolen distanziert hatten, erlebten sie einen kometenhaften Aufstieg. Weidner komponierte nun düsteren Prollrock, der die Wut und Frustration der Menschen am Rande der Gesellschaft widerspiegelte. Diese Musik traf einen Nerv, und die Böhsen Onkelz avancierten in den 90er-Jahren zu einem Massenphänomen mit sieben Nummer-eins-Hits und Millionen verkaufter Platten.
Das Solo-Debüt "Schneller, Höher, Weidner"
Nach der Auflösung der Böhsen Onkelz im Jahr 2005 präsentierte Weidner sein erstes Soloalbum unter dem Namen "Der W". Die Lieder, darunter Titel wie "Geschichtenhasser" und "Waffen & Neurosen", thematisierten Kampf, Leid, Verlust und Angst. Weidner erklärte, er wolle den Zukurzgekommenen eine Stimme geben, da er selbst einst ein Underdog gewesen sei.
Die Musik: Eine Mischung aus Rock, Punk und Balladen
Das Album "Schneller, Höher, Weidner" präsentierte eine vielfältige Mischung aus Rock, Punk und Balladen. "Der W Zwo Drei" war ein cooler Auftakt mit Pathos und Selbstironie. "Geschichtenhasser" erinnerte an frühere Onkelz-Songs und bot einen punkigen Sound. "Waffen & Neurosen" thematisierte Neid und Gleichgültigkeit, während "Asche zu Asche" die Vergangenheit der Böhsen Onkelz verarbeitete. "Tränenmeer" thematisierte Depressionen, und "Mein bester Feind" war eine gute-Laune-Nummer im Stil der Onkelz.
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Ehrlichkeit und Engagement: Die Stärken des Albums
Kritiker lobten die Ehrlichkeit und das Engagement, die in Weidners Soloalbum zum Ausdruck kamen. Es wurde betont, dass "Der W" kein bloßes Fortsetzungsprogramm der Böhsen Onkelz sei, sondern eine Weiterentwicklung. Die Texte waren philosophisch angehaucht und direkt, und die Musik war abwechslungsreich und gut arrangiert.
Der Auftritt beim With Full Force Festival
Weidners Auftritt beim With Full Force Festival wurde gemischt aufgenommen. Während einige die Publikumsnähe und die Ehrlichkeit des Künstlers lobten, kritisierten andere den schlechten Sound und die fehlende Präsenz von Onkelz-Songs. Weidner bedankte sich beim Publikum für die Akzeptanz und zeigte damit, dass er sich seines Exotenstatus bewusst war.
Zwischen Traum und Paralyse: Ein Lied für Mark Spoon
Ein besonders berührendes Lied auf dem Album war "Zwischen Traum und Paralyse", das Weidner seinem verstorbenen Freund Markus Löffel (Mark Spoon) widmete. Der Text drückte den Schmerz des Verlusts und die Trauer über den Tod eines geliebten Menschen aus.
Das Fazit: Ein Schritt in eine neue Richtung
Stephan Weidner hat mit seinem Soloalbum "Schneller, Höher, Weidner" einen Schritt in eine neue Richtung gewagt. Er verarbeitete seine Vergangenheit, thematisierte gesellschaftliche Probleme und gab den Zukurzgekommenen eine Stimme. Obwohl sein Auftritt beim With Full Force Festival gemischte Reaktionen hervorrief, zeigte er seine Publikumsnähe und Ehrlichkeit. Mit Liedern wie "Zwischen Traum und Paralyse" bewies er seine Fähigkeit, tiefgründige und emotionale Texte zu schreiben. Ob er mit seinem Soloprojekt an die Erfolge der Böhsen Onkelz anknüpfen kann, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass Stephan Weidner ein Künstler ist, der sich nicht scheut, seine Waffen und Neurosen zu thematisieren und seinen eigenen Weg zu gehen.
Die Live-Umsetzung in Frankfurt
Das Abschlusskonzert der "Der W"-Tour in Frankfurt wurde zu einem emotionalen Heimspiel. Weidner präsentierte eine energiegeladene Show mit Gästen wie Kevin Russell und Peter Schorowsky (Pe), ehemaligen Mitgliedern der Böhsen Onkelz. Er spielte sowohl Songs seines Soloalbums als auch Coverversionen und bewies damit seine musikalische Vielseitigkeit.
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Die DVD-Box "Schneller, Höher, Weidner"
Die DVD-Box "Der W - Schneller, Höher, Weidner" bot Fans einen Einblick in Weidners Tournee und das Konzert in Berlin. Die Dokumentation zeigte die Begeisterung der Fans und die Vielfalt der Auftrittsorte. Die Live-Aufnahmen vermittelten die Energie und die Emotionen der Konzerte.
Die Ambivalenz der Texte
Trotz Weidners Distanzierung von rechtsextremen Inhalten wurden in einigen Texten seines Soloalbums ambivalente Anspielungen gefunden. Die Häufung dieser Andeutungen erinnerte an das spöttische Kippenberger-Bild, das die Schwierigkeit des Erkennens von Hakenkreuzen thematisierte.
Die Faszination des Tabubruchs
Das eigentlich Beunruhigende an Weidners Soloprojekt war jedoch nicht die Existenz des Albums selbst, sondern die Tatsache, dass das irre Lutschen am Tabu im Pop immer wieder funktioniert. Die Auseinandersetzung mit kontroversen Themen und die Provokation des Publikums scheinen ein Erfolgsrezept zu sein, das auch Stephan Weidner für sich nutzen konnte.
Weidners Blick auf die Gesellschaft
Weidner kritisierte in seinen Texten und Interviews die Neidgesellschaft, das dumme Fernsehen und die lügenden Politiker. Er sah sich als Stimme der Schwachen und Missverstandenen, die von der Öffentlichkeit nicht gehört werden. Ob seine Diagnose der Verhältnisse in Deutschland jedoch über Klischees hinausging, blieb fraglich.
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