Demenz-Ratgeber für Angehörige: Ein umfassender Leitfaden zur Unterstützung und Bewältigung

Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und ihre Familien vor immense Herausforderungen. In Deutschland erhalten jährlich etwa 300.000 Menschen diese Diagnose, womit etwa 1,5 Millionen Menschen mit Demenz leben. Dieser Artikel dient als umfassender Ratgeber für Angehörige, die Menschen mit Demenz zu Hause betreuen und pflegen, sowie für Freunde, Bekannte und alle Interessierten. Er vermittelt die wichtigsten Informationen über Demenz, erläutert, was das Leben der Betroffenen und ihrer Familien erleichtern kann, und zeigt auf, wie Angehörige den Betroffenen trotz der Erkrankung einen halbwegs normalen Alltag ermöglichen können.

Was ist Demenz?

Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "weg vom Geist" oder "ohne Geist". Er beschreibt den fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten, der über die normale altersbedingte Vergesslichkeit hinausgeht. Betroffen sind vor allem das Kurzzeitgedächtnis und die Merkfähigkeit, aber auch das Langzeitgedächtnis, die Orientierung, die Sprache, das Denkvermögen und die Fähigkeit, alltägliche Aufgaben zu bewältigen.

Ursachen und Formen von Demenz

Demenzerkrankungen können verschiedene Ursachen haben. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, die etwa 60 bis 70 Prozent aller Demenzfälle ausmacht. Weitere Formen sind vaskuläre Demenz (durchblutungsbedingte Hirnschäden), Lewy-Körperchen-Demenz und frontotemporale Demenz.

Diagnose von Demenz

Um eine Demenz zu diagnostizieren, ist eine umfassende Untersuchung durch einen Arzt erforderlich. Diese umfasst in der Regel eine Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte), eine körperliche Untersuchung, neurologische Tests, neuropsychologische Tests (zur Überprüfung der geistigen Leistungsfähigkeit) und bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) des Gehirns.

Leben mit Demenz gestalten

Die Diagnose Demenz verändert das Leben der Betroffenen und ihrer Familien grundlegend. Der Alltag wird herausfordernder, Gespräche schwieriger und vertraute Abläufe funktionieren nicht mehr wie gewohnt. Doch es gibt Wege, den Alltag zu erleichtern und ein stabiles Miteinander zu schaffen.

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Kommunikation mit Menschen mit Demenz

Menschen mit Demenz haben zunehmend Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern und Gesprächen zu folgen. Es ist wichtig, langsam und deutlich zu sprechen, einfache Sätze zu verwenden und komplizierte Begriffe zu vermeiden. Auch wenn Alltagsgespräche irgendwann unmöglich werden, bleibt der Austausch wichtig. Gesten, Mimik und Berührungen können helfen, eine Verbindung aufzubauen.

Routinen und Tagesstruktur

Am einfachsten ist es, sich an bereits vertraute Abläufe zu halten, wie zum Beispiel Aufstehen, Frühstücken, Anziehen oder Duschen. Diese Routinen geben der erkrankten Person Sicherheit und Vertrautheit. Eine klare Tagesstruktur kann helfen, Orientierung zu geben: Tageslicht, frische Luft und feste Abläufe am Tag, Ruhe und gedimmtes Licht am Abend.

Aktivitäten und Beschäftigung

Versuchen Sie, möglichst täglich Aktivitäten einzuplanen, die gut tun, wie zum Beispiel gemeinsame Spaziergänge oder Zeit für soziale Kontakte oder Hobbys. Aktivitäten, die Angst auslösen könnten, sollten behutsam und in kleinen Schritten vorbereitet werden. So behält die erkrankte Person die Übersicht über die Situation, und Angst und Panik entstehen weniger schnell.

Umgang mit Veränderungen im Verhalten

Angehörige werden nach der Diagnose feststellen, dass sich die betroffene Person zunehmend verändert. Möglicherweise zeigt sie vollkommen neue Verhaltensmuster. Insbesondere neigen Demenzerkrankte dazu, die Wohnung verlassen zu wollen, weil sie auf der Suche nach etwas nicht immer Nachvollziehbarem sind. Mit zunehmendem Krankheitsgrad sind die Motive hingegen nicht immer nachvollziehbar. Verlieren die Betroffenen nach und nach ihre Orientierung, sollten zum Schutz spezielle Vorkehrungen getroffen werden. Diese lassen sich in der Regel sehr einfach in den Alltag integrieren.

Krankheitsbedingt neigen Menschen mit Demenz dazu, plötzlich aggressiv und unfreundlich zu werden. Der Leidtragende verliert zunehmend die Orientierung und auch die Möglichkeit der Verständigung nimmt ab. Dies führt zu einer großen Verunsicherung bei ihm. Um diese nicht zusätzlich zu fördern, ist es wichtig, Konflikte zu vermeiden.

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Anpassung des Wohnumfelds

Menschen mit Demenz fällt es zunehmend schwer, sich in ihrem alltäglichen Umfeld zu orientieren. Das Risiko wächst, dass sie sich und andere in Gefahr bringen. Deshalb ist es wichtig, die Lebensumstände - soweit möglich - an ihre Bedürfnisse anzupassen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Stolperfallen beseitigen (Teppiche, Kabel)
  • Gute Beleuchtung
  • Beschriftung von Räumen und Gegenständen
  • Sichere Küche und Bad
  • GPS-Tracker (zur Ortung bei Weglaufen)

Ernährung bei Demenz

Eine Demenzerkrankung kann das Ess- und Trinkverhalten deutlich verändern. Manche Menschen vergessen zu essen und nehmen deshalb nicht ausreichend Nahrung zu sich. Andere wiederum essen scheinbar ohne Hemmungen - oft bevorzugt Süßes. Auch das Gefühl für Hunger und Durst nimmt ab, wodurch das Risiko für Mangelernährung und Flüssigkeitsmangel steigt. Im späteren Verlauf treten häufig Koordinationsprobleme sowie Kau- oder Schluckbeschwerden auf. Eine ruhige Umgebung, feste Essenszeiten und vertrautes Geschirr geben Orientierung.

Unterstützung für Angehörige

Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung, die oft über Jahre hinweg geleistet werden muss. Angehörige sollten sich daher frühzeitig nach Unterstützungsmöglichkeiten umsehen, um sich nicht zu überlasten.

Finanzielle Hilfen

Um finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen zu können, ist es entscheidend, dass der Demenzerkrankte einen Pflegegrad erhält. Um einen Pflegegrad zu bekommen, muss der Versicherte einen Antrag bei seiner Pflegekasse stellen. Die genaue Zuordnung zu einem Pflegegrad erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) oder eine vergleichbare Institution, die die individuelle Pflegebedürftigkeit bewertet. Wird ein Pflegegrad entsprechend dem aktuellen Gesundheitszustand festgestellt, haben Pflegebedürftige Anspruch auf eine Vielzahl von Pflegeleistungen. Neben der Finanzierung eines ambulanten Pflegedienstes können auch weitere Leistungen in Anspruch genommen werden. Dazu zählen beispielsweise Tagespflege oder Nachtpflege, bei denen eine Betreuung außerhalb des eigenen Zuhauses stattfindet. Zudem sind Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds wie der barrierefreie Umbau des Wohnraums förderfähig. Kombinationsleistungen, bei denen sowohl Pflegegeld als auch Pflegesachleistungen kombiniert werden, ermöglichen Ihnen eine flexible Nutzung verschiedener Unterstützungsangebote.

Versicherte mit Pflegegrad 1 haben Anspruch unter anderem auf den monatlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro sowie Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfelds und Beratungsbesuche und Schulungen durch qualifizierte Pflegeberater in der eigenen Häuslichkeit. Sofern ein Pflegegrad vorliegt, können Sie zur Finanzierung der Haushaltshilfe den Entlastungsbetrag von 131 Euro monatlich verwenden, den es ab Pflegegrad 1 gibt.

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Entlastungsangebote

Es gibt eine Vielzahl von Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige, wie zum Beispiel:

  • Ambulante Pflegedienste: Sie übernehmen die Pflege und Betreuung zu Hause.
  • Tagespflege: Menschen mit Demenz verbringen den Tag in einer Tagespflegeeinrichtung und werden dort betreut.
  • Nachtpflege: Sie bietet Betreuung während der Nacht.
  • Verhinderungspflege: Angehörige können eine Auszeit nehmen, während eine Ersatzpflegeperson die Betreuung übernimmt.
  • Kurzzeitpflege: Sie bietet eine vorübergehende Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung.
  • Betreuungsgruppen: Menschen mit Demenz werden in einer Gruppe betreut, während Angehörige Zeit für sich haben.
  • Haushaltshilfe: Sie unterstützt bei der Haushaltsführung.
  • Selbsthilfegruppen: Angehörige können sich mit anderen Betroffenen austauschen und gegenseitig unterstützen.
  • Demenz-Beratungsstellen: Sie bieten Informationen und Beratung zu allen Fragen rund um Demenz.

Beruf und Pflege vereinbaren

Wer berufstätig ist, für den ist es gar nicht einfach, Beruf und Pflege unter einen Hut zu bringen. Doch berufstätige Pflegepersonen haben verschiedene Rechte, zum Beispiel die Möglichkeit sich vom Arbeitgeber freistellen zu lassen. Bei einem akut aufgetretenen Pflegefall haben Beschäftigte die Möglichkeit, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um für nahe Angehörige die Pflege in häuslicher Umgebung sicherzustellen oder zu organisieren. Für diesen Zeitraum kann ein Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit, das heißt eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit für die häusliche Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen; dies gilt auch für die auch außerhäusliche Betreuung von minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Für die Begleitung in der letzten Lebensphase besteht ein Anspruch auf eine vollständige oder teilweise Freistellung von bis zu drei Monaten. Nach dem Familienpflegezeitgesetz besteht ein Anspruch auf eine bis zu 24-monatige teilweise Freistellung bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden für die häusliche Pflege pflegebedürftiger naher Angehöriger beziehungsweise die auch außerhäusliche Betreuung minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger. Die Gesamtdauer aller Freistellungen liegt bei 24 Monaten. Für die Dauer der Freistellungen können Beschäftigte ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Anspruch nehmen.

Selbstfürsorge

Die Pflege und Betreuung eines Menschen mit Demenz ist eine kräftezehrende Aufgabe. Es ist wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten und sich regelmäßig Auszeiten zu gönnen. Pflegende Angehörige sollten sich bewusst machen, dass es normal ist, auch eigene Emotionen und Bedürfnisse zu haben. Es ist wichtig, sich regelmäßig Zeit für sich selbst zu nehmen, um Kraft zu tanken und sich zu erholen. Dies kann beispielsweise durch regelmäßige Pausen, das Ausüben von Hobbys oder den Austausch mit anderen Angehörigen in Selbsthilfe- oder oder Angehörigengruppen geschehen. Die körperliche Belastung bei der Pflege eines Demenzerkrankten sollte nicht unterschätzt werden. Es ist wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten und sich vor Überlastung zu schützen. Dies kann durch die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen wie Verhinderungspflege, Tagespflege oder ambulanten Pflegediensten erreicht werden. Zusätzlich sollten Sie sich Informationen über vorhandene Unterstützungsangebote vor Ort einholen, die auf Ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Viele Krankenkassen bieten kostenlose Online-Kurse für Entspannungstechniken an.

Umgang mit Überforderung

Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz kann - je weiter die Demenzform voranschreitet - zur Überforderung und in manchen Fällen auch zur Anwendung von physischer oder psychischer Gewalt führen. Denn die Pflegenden, oft die ebenfalls hochaltrigen Lebenspartner oder die Lebenspartnerinnen, fühlen sich mit den für sie belastenden Situationen allein gelassen. Um solchen Situationen vorzubeugen, aber auch Hilfe und Unterstützung zu geben, wenn es bereits zu Gewalthandlungen gekommen ist, können entsprechende Beratungs- und Anlaufstellen Hilfe und Unterstützung geben.

Rechtliche Aspekte

Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den rechtlichen Aspekten der Demenz auseinanderzusetzen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Vorsorgevollmacht: Sie ermöglicht es, eine Person des Vertrauens zu bevollmächtigen, im Falle der Geschäftsunfähigkeit Entscheidungen zu treffen.
  • Betreuungsverfügung: Sie legt fest, wer im Falle einer Betreuung als Betreuer eingesetzt werden soll.
  • Patientenverfügung: Sie legt fest, welche medizinischen Behandlungen im Falle der Entscheidungsunfähigkeit gewünscht oder abgelehnt werden.

Versicherungen

Nicht nur der richtige Umgang mit Demenzkrankten stellt eine große Herausforderung dar. Es ist menschlich und daher verständlich, dass sich Betroffene und Angehörige zunächst ausschließlich Gedanken über die Veränderungen durch die Demenzerkrankung machen. Es ist häufig nicht empfehlenswert, an jedem bestehenden Versicherungsvertrag festzuhalten.

Hilfreiche Adressen und Anlaufstellen

  • Deutsche Alzheimer Gesellschaft: Sie bietet Informationen, Beratung und Unterstützung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
  • Wegweiser Demenz: Eine Initiative des Bundesfamilienministeriums mit umfassenden Informationen und Adressen.
  • Pflegestützpunkte: Sie bieten eine unabhängige und kostenlose Beratung zu allen Fragen rund um die Pflege.
  • Selbsthilfegruppen: Sie bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.
  • Alzheimer-Telefon: Ein kostenloses Demenz-Hilfe-Telefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.

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