Alternative Behandlungsmethoden für Epilepsie: Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Schätzungsweise 0,5 bis 1 % der Weltbevölkerung leiden an Epilepsie, wobei 2 bis 4 % aller Menschen in ihrem Leben einen einzelnen, isoliert auftretenden epileptischen Anfall erleiden. Die Erkrankung ist durch wiederholte, unprovozierte epileptische Anfälle gekennzeichnet, die durch plötzliche, unkontrollierte Entladungen von Nervenzellen im Gehirn verursacht werden. Diese Anfälle können sich in vielfältiger Weise äußern, von leichten Zuckungen bis hin zu schweren Krämpfen mit Bewusstseinsverlust.

Während die medikamentöse Behandlung mit Antiepileptika in vielen Fällen wirksam ist, erreichen etwa 30 % der Patienten keine Anfallsfreiheit mit Medikamenten allein. Diese Patienten gelten als pharmakoresistent und benötigen alternative oder zusätzliche Behandlungsansätze. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene alternative Behandlungsmethoden für Epilepsie, einschließlich Gentherapie, Cannabidiol (CBD), Epilepsiechirurgie, Neurostimulation, ketogene Diät und osteopathische Behandlung.

Gentherapie: Ein neuer Ansatz zur Anfallskontrolle

Eine vielversprechende alternative Behandlungsmethode für therapieresistente Epilepsie ist die Gentherapie. Forscher der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Medizinischen Universität Innsbruck haben einen grundlegend neuen Ansatz zur Behandlung von Temporallappen-Epilepsie (TLE) entwickelt: Eine Gentherapie soll ermöglichen, dass beginnende Krampfanfälle gezielt am Ort ihrer Entstehung und nur bei Bedarf unterdrückt werden.

Funktionsweise der Gentherapie

Die Gentherapie basiert auf der gezielten Einschleusung eines speziellen Gens in die Nervenzellen jener Gehirnregion, von der die epileptischen Anfälle ausgehen. Dieses Gen liefert die Produktionsanweisung für Dynorphin, eine körpereigene Substanz, die vor übermäßiger neuronaler Erregung schützen kann. Sobald die Neuronen das Gen aufgenommen und gespeichert haben, produzieren sie dauerhaft den Wirkstoff auf Vorrat.

Bei hochfrequenter Stimulation der Nervenzellen, wie zu Beginn eines Anfalls, wird Dynorphin ausgeschüttet. Es bewirkt eine Dämpfung der Reizweiterleitung und der epileptische Anfall bleibt aus. Da der Wirkstoff nur bei Bedarf von den Zellen abgegeben wird, spricht man von einer ‘Drug on Demand‘-Gentherapie.

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Ergebnisse im Tiermodell und an Gewebeproben

Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass die Gentherapie epileptische Anfälle über mehrere Monate unterdrückt. Mit den Anfällen blieben auch deren negative Effekte auf Lernen und Gedächtnis aus. Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet, was sich durch die regional und zeitlich beschränkte Wirkung der Dynorphin-Ausschüttung erklären lässt. Durch die bedarfsgesteuerte Freisetzung wurden auch keine Gewöhnungseffekte festgestellt.

Zusätzlich testete die Forschungsgruppe das Behandlungsprinzip auch an Gewebeproben von Epilepsiepatienten - mit Erfolg: Dynorphin konnte die Stärke und Häufigkeit synchroner Neuronen-Aktivität im Gewebeverbund deutlich reduzieren.

Ausblick auf die klinische Anwendung

Die neue Gentherapie soll nun schnellstmöglich zur Klinikreife gebracht werden. Derzeit wird daran gearbeitet, die virale Genfähre für die Anwendung bei Menschen zu optimieren. Ziel ist, das Gentherapeutikum in wenigen Jahren als Arzneimittel erstmals in der klinischen Testphase einzusetzen. Zeigt sich die Behandlung erfolgreich, würde TLE-Betroffenen, bei denen eine medikamentöse Behandlung nicht wirksam ist, eine minimalinvasive Einmaltherapie als weitere Therapie-Alternative zur Verfügung stehen.

Für den Transport des Dynorphin-Gens werden Adeno-assoziierte Viren (AAV) genutzt, die bereits zur Therapie bei Menschen zugelassen sind und als sicher gelten.

Cannabidiol (CBD): Ein vielversprechendes Antiepileptikum

Cannabidiol (CBD), ein nicht-psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, hat in den letzten Jahren aufgrund seiner potenziellen therapeutischen Anwendungen, insbesondere bei Epilepsie, viel Aufmerksamkeit erregt. CBD wird eine krampflösende Wirkung nachgesagt und es gibt zunehmend Evidenz dafür, dass es bei bestimmten Epilepsieformen wirksam sein kann.

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Studien zur Wirksamkeit von CBD

Studien haben gezeigt, dass CBD bei speziellen Patientengruppen eine gute Wirksamkeit zeigen kann. Knapp die Hälfte der Patienten mit Dravet-Syndrom, eine seltene Epilepsieform im Kindesalter, und mit Lennox-Gastaut-Syndrom, eine Epilepsieform, die durch ihre Sturzanfälle besonders belastend für die Patienten ist, zeigt eine Verminderung der Anfälle um 50 Prozent. Eine Studie ohne Kontrollgruppe an einer größeren Zahl von Patienten mit Pharmakoresistenz zeigte vergleichbare Ergebnisse.

Die amerikanische Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration (FDA)) hat im Juni 2018 einem Medikament der Firma GW (Epidiolex) eine Zulassung für die oben beschrieben Epilepsieformen erteilt. Dieses Präparat kann über die Auslandsapotheke bezogen werden. Die Dosis sollte bei mindestens 10mg/kg Körpergewicht liegen. Im Prinzip kann auch durch einen Apotheker in Deutschland eine entsprechende Cannabidiollösung mit hohem Reinheitsgrad hergestellt werden. Die rechtlichen Hindernisse - denn Cannabisderivate unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz - hat der Gesetzgeben für den medizinischen Gebrauch bereits 2017 beseitigt.

Wichtige Hinweise zur CBD-Therapie

Es ist wichtig zu beachten, dass die medikamentösen Eigenschaften von CBD als Extrakt von einer Pflanze bisher nur unzureichend analysiert sind. Die vorliegenden Studienergebnisse entsprechen denen anderer neuer Medikamente in der Epilepsietherapie. Eine Euphorie, dass hier nun ein Wundermittel vorliegt, ist daher nicht gerechtfertigt.

Patienten sollte dabei die Kosten nicht unterschätzen. Je nach Körpergewicht fallen monatlich mindestens 2000 bis 3000 Euro Medikamentenkosten an. Dies ist erheblich mehr, als alle anderen zur Epilepsiebehandlung verfügbaren Medikamente. Es ist daher naheliegend, dass ein entsprechender Antrag gestellt werden muss, damit die jeweilige Krankenkasse oder -versicherung den Einsatz genehmigt.

Wechselwirkungen und Nebenwirkungen von CBD

Cannabidiol kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingehen, insbesondere mit Clobazam, indem es den Abbau von Clobazam blockiert und es dadurch zu einem Anstieg der Clobazam-Spiegel kommt. Die häufigsten Nebenwirkungen von Cannabidiol ist die Sedierung. Das heißt, dass die Kinder sehr müde werden. Dies bedeutet, dass die Cannabidiol-Therapie, wie schon vorhin erwähnt, in die Hände von Experten kommt und vor allem, dass regelmäßige Blutabnahmen durchgeführt werden. Aber auch hier ist zu erwähnen, dass erhöhte Leberparameter durchaus im ersten Monat vorkommen können.

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CBD bei speziellen Epilepsieformen

Cannabidiol ist für die Tuberöse Sklerose zugelassen und ein sehr effektives Medikament in diesem Bereich, führt aber zum Beispiel dazu, dass der Medikamentenspiegel von Everolimus deutlich ansteigt.

Epilepsiechirurgie: Entfernung des epileptogenen Fokus

Die Epilepsiechirurgie ist eine erprobte und anerkannte Behandlungsform für Patienten, bei denen eine medikamentöse Behandlung nicht ausreichend wirksam ist. Sie wird in spezialisierten Zentren durchgeführt. Im Rahmen einer stationären prächirurgischen Abklärung sollte die Möglichkeit einer epilepsiechirurgischen Behandlung überprüft werden. Dabei untersucht man, ob die epileptischen Anfälle von einer bestimmten Stelle des Gehirns ausgehen und ob es möglich ist, diese operativ zu entfernen, ohne dass der Patienten Störungen im Bereich von Gedächtnis, Kraft oder Sprache erleidet.

Voraussetzungen für eine Epilepsiechirurgie

Die Epilepsiechirurgie kommt in Frage, wenn die epileptischen Anfälle von einer bestimmten Stelle des Gehirns ausgehen und diese Stelle operativ entfernt werden kann, ohne wichtige Funktionen des Gehirns zu beeinträchtigen. Vor der Operation erfolgt eine umfassende Diagnostik, um den epileptogenen Fokus genau zu lokalisieren und die Risiken des Eingriffs abzuschätzen.

Erfolgsaussichten der Epilepsiechirurgie

Der große Vorteil dieser Therapie ist ihre hohe Wirksamkeit: Auch nach zehn Jahren sind je nach Lage und Art der Epilepsie bis zu 70-80 Prozent der operierten Patientinnen und Patienten noch immer komplett anfallsfrei.

Nachsorge nach der Operation

Nach der Operation und dem anschließenden stationären Aufenthalt wird in der Regel ein weiterer stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik mit Epilepsie-Schwerpunkt (Medizinische Rehabilitation) empfohlen. Innerhalb der ersten Jahre nach der Operation finden in unterschiedlichen Abständen Nachsorgeuntersuchungen statt, in die alle an der prächirurgischen Diagnostik und operativen Epilepsietherapie beteiligten Berufsgruppen (Ärzte, Neuropsychologie, Psychologie, Sozialdienst) mit eingebunden sind. Ebenso müssen die Medikamente zur Epilepsiebehandlung nach der Operation noch mehrere Jahre eingenommen werden. Sind dann keine weiteren Anfälle aufgetreten, kann nach Absprache mit dem behandelnden Arzt versucht werden, die Medikamente abzusetzen.

Neurostimulation: Modulation der Hirnaktivität

Die Neurostimulation umfasst verschiedene Verfahren, bei denen Strukturen im Gehirn oder solche, die dort hinführen (wie der Vagus-Nerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert werden. Ziel ist es, die Hirnaktivität zu modulieren und die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.

Vagusnervstimulation (VNS)

Die Vagusnervstimulation (VNS) ist eine seit Mitte der 90er Jahre verfügbare Behandlungsalternative für Patienten, die nicht ausreichend auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen und / oder aus verschiedenen Gründen nicht operiert werden können. Hierbei wird der 10. Hirnnerv (Vagusnerv) im linken Halsbereich stimuliert. Dafür muss ein Pulsgenerator in eine Hauttasche unter dem linken Schlüsselbein eingesetzt und mittels eines Elektrodenkabels eine Verbindung zum 10. Hirnnerv im linken Halsbereich hergestellt werden. Dies erfolgt im Rahmen einer (minimalinvasiven) 1,5-stündigen OP unter Vollnarkose. In der Regel können die Patienten bereits am Folgetag nach Aktivierung des Systems entlassen werden.

Es gibt auch eine nicht-invasive Form der VNS, bei der spezielle Nervenfasern über eine Ohrelektrode am Ohr durch sanfte elektrische Impulse aktiviert werden (Neurostimulation). Allerdings liegt die Effektivität deutlich unter der der konventionellen Methode. Eine Option dafür ist die transkutane Vagusnervstimulation (t-VNS) mit dem Therapiegerät NEMOS® als Add-on-Therapie. Die t-VNS kann Anfallssituation und Lebensqualität von Patienten mit pharmakoresistenten Epilepsien verbessern - und sollte daher bereits frühzeitig zum Einsatz kommen.

Tiefe Hirnstimulation (THS)

Bei der Tiefen Hirnstimulation (THS) werden Elektroden in bestimmte Strukturen meist auf beiden Seiten des Gehirns implantiert. Die Tiefe Hirnstimulation ist bei Menschen mit Bewegungsstörungen etabliert und zur Therapie des M. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Tiefe Hirnstimulation zu einer Reduzierung der Anfallshäufigkeit führt, wenn eine bestimmte Hirnregion - der anteriore Thalamus - stimuliert wird; besonders profitiert haben Menschen mit komplex-fokalen (bzw. automotorischen) Anfällen und Menschen mit Temporallappenepilepsien.

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Bei der Transkraniellen Magnetstimulation erfolgt die Stimulation durch die Schädeldecke und erreicht so die übererregten Hirnstrukturen.

Effektivität der Neurostimulation

Im direkten Vergleich scheint die Tiefe Hirnstimulation - die allerdings nur unter bestimmten Bedingungen in Frage kommt - effektiver als die Vagus-Nerv-Stimulation zu sein. Allerdings sind alle Stimulationsverfahren nicht so effektiv wie eine epilepsiechirurgische Operation - man geht davon aus, dass über drei bis fünf Jahre etwa die Hälfte der Anfälle verhindert werden kann.

Ketogene Diät: Veränderung des Stoffwechsels zur Anfallskontrolle

Die ketogene Diät ist eine spezielle Form der Ernährung, bei der der Körper hauptsächlich Fette anstelle von Kohlenhydraten zur Energiegewinnung nutzt. Dies führt zu einer Veränderung des Stoffwechsels, bei der Ketonkörper produziert werden. Diese Ketonkörper haben einen positiven Effekt auf die Anfallsfrequenz.

Die ketogene Diät ist nicht zum Gewicht abnehmen, sondern die ist dazu da, dass man den Stoffwechsel verändert. Und diese Änderung im Stoffwechsel hat einen positiven Effekt auf die Anfallsfrequenz. Das Ganze weiß man schon seit vielen Jahren. Das ist in den USA entwickelt worden in einer Zeit, als man so gut wie keine Medikamente gehabt hat und man hat mit dieser Diät sehr viele Erfolge, vor allem bei Kindern, weniger bei Erwachsenen, feiern können. Und dann ist die Ära der Medikamente gekommen und man hat das fast vergessen.

Osteopathische Behandlung: Ein ganzheitlicher Ansatz

Ein Fallbericht beschreibt die erfolgreiche osteopathische Behandlung eines Jugendlichen mit symptomatisch-fokaler Epilepsie, bei dem die Anfallshäufigkeit medikamentös nicht reduziert werden konnte. Neben den epileptischen Anfällen lagen auch rezidivierende Rückenschmerzen mit Bewegungseinschränkungen vor. Bei der Untersuchung fanden sich Dysfunktionen der Beckengelenke (Sakroiliakalgelenk und Iliosakralgelenk) mit adaptiven Funktionsstörungen v. a. im BWS-Bereich auch Blockaden der Handgelenke sowie ein Atlas-Shift nach links.

Je nach erhobenem Befund erfolgte die osteopathische Behandlung. Während der ersten 4 - 5 Behandlungen traten die Anfälle statt 2 - 3-mal pro Woche nur noch alle 2 - 3 Wochen auf. Nach jedem Anfall lagen wiederum Blockaden der mittleren BWS und ein Atlas-Shift links mit gleichem kraniosakralen Ausgangsbefund vor. 5 Monate nach der Erstbehandlung lag eine Anfallsfreiheit vor, die nun seit 1,5 Jahren besteht.

Es ist wichtig zu beachten, dass dies nur ein einzelner Fallbericht ist und weitere Studien erforderlich sind, um die Wirksamkeit der osteopathischen Behandlung bei Epilepsie zu bestätigen.

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