Anfallsfreiheit bei Epilepsie erreichen: Moderne Behandlungsansätze für ein besseres Leben

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Glücklicherweise ermöglichen moderne Diagnose- und Behandlungsmethoden vielen Menschen mit Epilepsie, ein erfülltes und qualitativ hochwertiges Leben zu führen.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie umfasst eine Vielzahl von chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die aufgrund einer Überaktivität der Nervenzellen im Gehirn auftreten. Wenn Nervenzellen übermäßig aktiv sind, können sie anfallsartige Funktionsstörungen auslösen. Diese reichen von kaum merklichen geistigen Abwesenheiten (z. B. Absencen bei Kindern oder kognitive Anfälle bei Erwachsenen) über Wahrnehmungsstörungen bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust. Es gibt generalisierte Anfälle (Grand Mal), bei denen das gesamte Gehirn beteiligt ist, und fokale Anfälle (Petit Mal), die nur in einem Teil des Gehirns entstehen.

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf dem Auftreten von rezidivierenden epileptischen Anfällen. Ein einzelner Anfall allein reicht in der Regel nicht aus, um eine Epilepsie zu diagnostizieren, es sei denn, zusätzliche Untersuchungen wie EEG (Elektroenzephalographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) zeigen typische Auffälligkeiten, die auf ein hohes Risiko für weitere Anfälle hindeuten. In solchen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, um das Auftreten weiterer Anfälle zu verhindern.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen bereits nach einem zweiten Anfall oder nach kleineren, unbemerkten Anfällen mit einem darauffolgenden großen Anfall eine Therapie angezeigt ist. Selten gibt es Patienten, die nur alle paar Jahre Anfälle haben. In diesen Fällen muss sorgfältig abgewogen werden, ob eine Behandlung notwendig ist, da möglicherweise über einen langen Zeitraum behandelt werden muss, um den Erfolg der Therapie zu beurteilen. Wenn jedoch ein hohes Risiko für einen weiteren Anfall innerhalb des nächsten Jahres besteht, ist eine Behandlung in der Regel sinnvoll.

Differenzierung von Anfällen und Epilepsie

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder epileptische Anfall automatisch eine Epilepsie bedeutet. Manche epileptischen Anfälle sind leicht zu übersehen. Andererseits kann sich hinter einem scheinbaren epileptischen Anfall auch eine durchblutungsbedingte Ohnmacht (Synkope), ein psychisch bedingter (dissoziativer) Anfall, eine Verhaltensstörung im Schlaf (Parasomnie) oder eine andere nicht-epileptische Erkrankung verbergen. Sofern eine Patientin oder ein Patient eine dauerhaft erhöhte Anfallsbereitschaft aufweist, liegt eine Epilepsie vor.

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Therapieansätze zur Anfallsfreiheit

Epilepsie kann auf verschiedene Arten behandelt werden. Die Basis der Therapie bilden Antikonvulsiva, auch bekannt als Antiepileptika. Diese Medikamente wirken, indem sie die Nervenzellen im Gehirn so stabilisieren, dass sie nicht zu schnell entladen. Eine zu schnelle, unkontrollierte und synchronisierte Entladung im Gehirn führt zu einem epileptischen Anfall.

Medikamentöse Behandlung

Die Wahl des geeigneten Antikonvulsivums hängt von der Art der Epilepsie ab (fokal oder generalisiert) sowie von der Art der Anfälle (fokal, generalisiert, Absencen, Myoklonie usw.). Fokale und generalisierte Epilepsien werden unterschiedlich behandelt, da verschiedene Medikamente bei verschiedenen Arten von Epilepsie unterschiedlich gut wirksam sind. Paradoxerweise kann der falsche Einsatz von Antiepileptika Epilepsien sogar verschlimmern. Daher ist es wichtig, am Anfang eine genaue Diagnose zu stellen und zwischen fokalen und generalisierten Epilepsien zu unterscheiden.

Antikonvulsiva: Einnahme und Wirkung

Epilepsiemedikamente werden in der Regel zweimal täglich eingenommen. Es gibt wenige Medikamente, die nur einmal täglich eingenommen werden, und auch wenige Medikamente, die öfter als zweimal eingenommen werden. Bei der Einnahme ist es wichtig, dass man die Zeitpunkte, bei denen man die Medikamente nimmt, in den Tagesablauf so verankert, dass man sicher daran erinnert. Es ist beispielsweise nicht so wichtig, dass genau zwölf Stunden zwischen den beiden Einnahmen vergehen - es ist viel wichtiger, dass man es nicht vergisst. So könnten die Medikamente z. B. morgens und abends beim Zähneputzen oder beim Frühstück bzw. beim Abendessen oder zu einer sonstigen Tagesaktivität genommen werden. Auch wenn die Abstände nicht gleichmäßig sind, ist die gleichmäßige Einnahme bei Medikamenten gegen Epilepsie ganz wichtig.

Einige Medikamente stehen auch als Saft oder lösliche Tabletten zur Verfügung, wenn es Schwierigkeiten gibt, Tabletten zu schlucken. Bestimmte Antiepileptika bestehen auch als Lösung zur Verfügung, um sie in die Vene zu spritzen, was insbesondere bei Vorliegen von Schluckstörungen sinnvoll ist bzw. wenn Patienten im Krankenhaus sind und keine Medikamente schlucken können.

Auswahl des richtigen Medikaments

Bei der Auswahl eines geeigneten Medikaments berücksichtigt der Neurologe verschiedene Faktoren, darunter das Alter des Patienten, das Geschlecht, Begleiterkrankungen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Bei Frauen im gebärfähigen Alter wird beispielsweise geprüft, ob eine Empfängnisverhütung betrieben wird und ob es Interaktionen mit den Antiepileptika gibt. Gerade bei älteren Menschen wird darauf geachtet, ob es Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gibt, die sie möglicherweise einnehmen. Häufig stellt der Neurologe dem Patienten zwei oder drei verschiedene Therapieoptionen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vor, sodass der Patient bei der Entscheidung mitwirken kann.

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Nebenwirkungen von Antiepileptika

Antiepileptika haben sehr verschiedene Nebenwirkungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie im Gehirn wirken. Die meisten Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, zum Teil etwas verlangsamtes Denken, Zittern oder Schwindel. Es muss jedoch gesagt werden, dass in der Mehrzahl der Fälle die Medikamente gut vertragen werden und keine Nebenwirkungen auftreten. Sollten aber Nebenwirkungen auftreten, sollte man mit seinem Neurologen darüber sprechen.

Was tun bei anhaltenden Anfällen trotz Behandlung?

Wenn trotz Medikation weiterhin epileptische Anfälle auftreten, können verschiedene Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Dazu gehören andere Medikamente gegen Anfälle, eine potenzielle Epilepsiechirurgie, Stimulatoren oder auch die ketogene Diät.

Nicht-medikamentöse Therapien

In bestimmten Fällen können neben der medikamentösen Therapie auch nicht-medikamentöse Behandlungen in Frage kommen, wie z. B.:

  • Ketogene Diät: Eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist.
  • Vagusnervstimulation (VNS): Ein Gerät, das elektrische Impulse an den Vagusnerv sendet, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
  • Epilepsiechirurgie: Eine Operation zur Entfernung des Hirnbereichs, der die Anfälle verursacht.

Epilepsiechirurgische Behandlung

Das Ziel eines epilepsiechirurgischen Eingriffs ist ebenfalls die dauerhafte Anfallsfreiheit. Wenn eine Stelle im Gehirn (Fokus) zu erkennen ist, von der die Anfälle ausgehen, kann eine Operation Patienten mit einer pharmakoresistenten Epilepsie unter Umständen helfen. Um festzustellen, ob solch ein Fokus vorliegt und auch operiert werden kann, müssen verschiedene Untersuchungen, darunter spezielle EEG- und Bildgebungsverfahren, durchgeführt werden.

Dynamischer Krankheitsverlauf und Anfallsfreiheit

Epilepsie ist eine Erkrankung, die durchaus einen dynamischen Krankheitsverlauf hat. Das bedeutet, dass sie nicht immer gleich ist. Es gibt Epilepsiesyndrome, die kommen als Ausdruck einer vorübergehenden Erregbarkeit des Gehirns oder der Nervenzellen im Gehirn und können nach einiger Zeit auch wieder verschwinden. Ein klassisches Beispiel ist die Absencen-Epilepsie des Schulalters. Es gibt aber auch Epilepsien wie z. B. Anfälle nach bestimmten Autoimmunenzephalitiden, bei denen eine dauerhafte Epilepsie nicht unbedingt entsteht, obwohl über einen längeren Zeitraum Anfälle aufgetreten sind bzw. Medikation gegen Anfälle eingenommen werden musste.

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Bei den meisten Epilepsien, die im Jugend- oder Erwachsenenalter auftreten und die eine strukturelle oder nachgewiesene Ursache haben, weiß man, dass sie wahrscheinlich nicht von alleine verschwinden werden. Was aber durchaus sein kann, ist, dass die Frequenz der Anfälle und die Stärke der Anfälle unterschiedlich ausfällt und sich über die Jahre verändert. So kann es auch bei Patienten mit einer chronischen Epilepsie mal ein, zwei Jahre Anfallsfreiheit geben - diese können dann aber leider wiederkommen.

Wenn mit Medikamenten eine dauerhafte Anfallsfreiheit erreicht werden kann - und das ist bei einem Großteil der Patienten (zwei Drittel) - ist man zwar anfallsfrei, man kann jedoch nicht sagen, dass damit die Epilepsie geheilt ist.

Ziele der Epilepsiebehandlung

Die Behandlung von Epilepsie zielt natürlich immer darauf ab, die beste Lebensqualität zu erreichen. Zu Beginn der Erkrankung ist das Behandlungsziel ganz klar die Anfallsfreiheit. Die Anfallsfreiheit macht den größten Unterschied in der Lebensqualität. Das liegt daran, dass die Anfälle nach wie vor unvermittelt auftreten und unvorhersehbar sind und man nie weiß, wann der Anfall kommt. Das heißt: das Initialtherapieziel ist die Anfallsfreiheit. Das sollte mit dem ersten oder spätestens dem zweiten Antiepileptikum bzw. Antikonvulsivum gelingen.

Wenn dies nicht erreicht wird, obwohl es das richtige Medikament bzw. die richtigen Medikamente waren, diese über eine entsprechende Zeit und auch in einer entsprechenden Dosis gegeben worden sind und auch entsprechend vertragen wurden, dann spricht man von einer sogenannten Therapierefraktärität. Das heißt, dass es ab hier schwieriger wird, die Epilepsie zu behandeln und das Therapieziel Anfallsfreiheit zu erreichen. Daher verändert sich vielleicht das Therapieziel in möglichst wenig Anfälle und möglichst wenig Nebenwirkungen.

Risiken und Komplikationen

Selten gibt es bei Epilepsie eine schwere Komplikation, die sich SUDEP nennt. Der Begriff steht für Sudden Unexplained Death in Epilepsy Patients; das heißt, dass nach einem Anfall, welcher meist generalisiert ist, das Herz und das Atemzentrum so stark unterdrückt werden, dass der bzw. die Betroffene anschließend verstirbt. Deswegen ist es ganz wichtig, die Medikamente regelmäßig zu nehmen - der beste Schutz gegen SUDEP ist Anfallsfreiheit.

Risikofaktoren für SUDEP sind nächtliche generalisierte Anfälle und junge oder männliche Patienten. Bei solchen Konstellationen und insbesondere bei nächtlichen Anfällen sollte Wert darauf gelegt werden, diese mit der Therapie womöglich zu eliminieren. Es gibt zusätzlich auch Devices, mit denen man Anfälle nachts detektieren kann und die Angehörige warnen können, damit diese schauen können, ob alles in Ordnung ist und im Fall entsprechend Hilfsmaßnahmen einleiten können.

Hilfsmittel und Verhaltensweisen im Alltag

Ein Notfallausweis ist hilfreich, wenn man irgendwo ein Anfallsereignis oder auch andere Erkrankungen bzw. einen Unfall hat und man selbst keine Auskunft geben kann, aber andere vielleicht wissen, dass man an Anfällen leidet bzw. welche Medikamente man gerade einnimmt. Insofern ist es sinnvoll, so etwas bei sich zu führen - das trifft auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen zu.

Einen Anfallskalender zu führen kann insbesondere in Phasen der Umstellung der Medikation sehr hilfreich sein, um zu schauen, welchen Effekt die Umstellung der Medikation hat. Ich empfehle in der Regel bei meinen Patienten immer, in bestimmten Phasen, aber nicht zwangsläufig dauerhaft Anfallskalender zu führen. Das ist individuell etwas unterschiedlich - der eine möchte gerne dauerhaft die Anfälle protokollieren, der andere fühlt sich dadurch eher eingeschränkt. Insofern ist das Führen eines Anfallskalenders zwischen den empfohlenen Zeiten eine freiwillige Sache - während einer Therapieumstellung oder beim Auseinanderhalten von bestimmten Anfallstypen ist es jedoch wichtig und sinnvoll. Weiters macht das auch über eine bestimmte Zeit Sinn, um eine Erhebung zu haben, wie viel Anfälle im Schnitt als Grundaussage vorkommen.

Leben mit Epilepsie: Alltag und besondere Lebensbereiche

Neben der medizinischen Behandlung ist es wichtig, die Auswirkungen von Epilepsie auf verschiedene Lebensbereiche zu berücksichtigen. Anfälle mit Bewusstseinsstörung führen laut Gesetzgebung dazu, dass der Betroffene vorübergehend kein Kraftfahrzeug steuern darf. Dieser und andere Faktoren können wiederum die berufliche Einsatzfähigkeit einschränken. Hierzu beraten wir unsere Patientinnen und Patienten und leiten sie gegebenenfalls an andere Anlaufstellen weiter.

Epilepsie und Familienplanung

Prinzipiell gehen alle Antiepileptika mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko einher. Für Frauen mit Epilepsie ist daher die Planung der Schwangerschaft besonders wichtig, um die Therapie bereits im Vorfeld im Hinblick auf die Anfallskontrolle und das Fehlbildungsrisiko zu optimieren und damit die Risiken für Mutter und Kind in der Schwangerschaft zu minimieren. Medikamentöse Wechselwirkungen einiger Antiepileptika mit oralen Kontrazeptiva können zum Wirkungsverlust der Pillenpräparate führen. Auch das Risiko der Nachkommen aller Patienten mit Epilepsie, ebenfalls an einer Epilepsie zu erkranken, liegt bei 3 - 5 % und ist damit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (1 - 2 %) etwa doppelt so hoch.

Alkoholkonsum bei Epilepsie

Häufig wird Patienten nach einem ersten epileptischen Anfall dringend empfohlen, keinen Alkohol mehr zu konsumieren. Studien deuten jedoch darauf hin, dass der maßvolle Konsum von Alkohol keinen Einfluss auf das Auftreten von Anfällen bei Patienten mit einer Epilepsie hat. Was sind jedoch maßvolle Mengen Alkohol? Bei einem täglichen Konsum von etwa 30 g reinen Alkohols bei Männern (¾ l Bier oder ⅓ l Wein) und 20 g bei Frauen (½ l Bier oder ¼ l Wein) sind keine allgemeinen gesundheitlichen Schäden zu erwarten, diese Menge hat in der Regel auch keinen spezifischen Effekt auf das Auftreten weiterer epileptischer Anfälle. Der - auch gelegentliche - Konsum größerer Mengen Alkohol, der oft mit einem Schlafdefizit verbunden ist, kann jedoch das Anfallsrisiko deutlich erhöhen. Insgesamt aber ist der maßvolle Konsum von Alkohol bei Patienten mit einer Epilepsie also eher unbedenklich.

Kognitive Auswirkungen von Anfällen

Die Sorge, dass einzelne oder wiederholte epileptische Anfälle zu einem Verlust von Nervenzellen und damit zu intellektuellen Einbußen führen, bewegt viele Patienten und deren Angehörige. Bei Patienten mit einzelnen oder auch wiederholt und häufig auftretenden epileptischen Anfällen konnten MRT-Untersuchungen des Gehirns über einen Zeitraum von 3 - 4 Jahren keine voranschreitenden Veränderungen aufzeigen, die nicht auch bei altersgleichen Kontrollpersonen ohne Epilepsie zu finden waren.

Absetzen von Medikamenten nach Anfallsfreiheit?

Ob und wann bei anfallsfreien Patientinnen mit Epilepsie die regelmäßige Einnahme von anfallssuppressiven Medikamenten (ASM) beendet werden kann, ist eine komplexe und vielschichtige Frage. Das Risiko eines Anfallsrezidivs ist nach dem Absetzen von ASM etwa doppelt so hoch wie unter der Fortführung der Therapie und beträgt nach 5 Jahren etwa 40-50 %. Die Wahrscheinlichkeit von Anfallsfreiheit nach dem Absetzen von ASM hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Nach den Empfehlungen der aktuellen Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie kann bei mindestens zweijähriger Anfallsfreiheit in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung von Ärztin und Patient*in (im Sinne des „shared decision-making“) ein Absetzen des ASM desto eher erwogen werden, je günstiger die Konstellation bezüglich der genannten Prädiktoren für weitere Anfallsfreiheit ist.

Nutzen und Risiken des Absetzens

Der Nutzen des Absetzens eines ASM kann in einem Wegfall etwaiger Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und somit in der Verbesserung der Lebensqualität bestehen. Den dargestellten Nutzen stehen Risiken eines Absetzversuchs gegenüber, die durch das Auftreten eines erneuten epileptischen Anfalls und die damit verbundenen Folgen entstehen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Patient*innen mit einem Anfallsrezidiv nach dem Absetzen von ASM trotz erneuter Einnahme nicht wieder anfallsfrei werden.

Faktoren, die das Rezidivrisiko beeinflussen

Bei der Abschätzung des Risikos für ein Anfallsrezidiv nach dem Absetzen des ASM stellen auch die Epilepsieart und das Epilepsiesyndrom relevante Faktoren dar. So ist bei in der Kindheit beginnenden genetischen Epilepsien, wie der Absence-Epilepsie oder der Rolando-Epilepsie, die Chance sehr hoch, dass es nach langjähriger Anfallsfreiheit auch nach dem Absetzen einer ASM zu keinem erneuten Anfall kommt. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit für ein Anfallsrezidiv nach dem Absetzen eines ASM bei Patientinnen mit einer fokalen Epilepsie mit struktureller Läsion im MRT, insbesondere einer Hippokampussklerose, oder bei Patientinnen mit einer juvenilen myoklonischen Epilepsie (JME), dem häufigsten Syndrom innerhalb der genetisch generalisierten Epilepsien, hoch.

Vorgehensweise beim Absetzen

Patientinnen sollten darüber aufgeklärt werden, dass ASM nur nach ärztlicher Rücksprache abgesetzt werden sollten, um das Risiko für einen Status epilepticus oder Entzugsanfälle zu minimieren. Belastbare Daten für Erwachsene zur Dauer der Dosisreduktion bis zum Absetzen des ASM fehlen bislang. Patientinnen müssen darüber aufgeklärt werden, dass für die Dauer des Absetzens und für 3 Monate nach der letzten Einnahme des zuvor in Monotherapie eingenommenen ASM keine Fahreignung für Kraftfahrzeuge besteht.

Verhalten bei einem epileptischen Anfall

Wenn man Zeug*in eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.

Leichte epileptische Anfälle

Bei kurzen Absencen oder Muskelzuckungen besteht keine unmittelbare Gefahr. Danach können sich die Betroffenen unsicher fühlen und Unterstützung benötigen.

Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein

Wenn Menschen mit einem epileptischen Anfall verwirrt wirken, ist es wichtig, sie vor Gefahren zu schützen (z. B. im Straßenverkehr). Gehen Sie dabei mit der Person ruhig um und fassen Sie sie nicht hart an. Hektik, Zwang oder Gewalt können zu starken Gegenreaktionen führen. Versuchen Sie dem oder der Betroffenen Halt und Nähe zu vermitteln.

Große generalisierte epileptische Anfälle

Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun:

  • Wählen Sie immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe.
  • Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen.
  • Polstern Sie den Kopf des*r Betroffenen ab.
  • Nehmen Sie seine/ihre Brille ab.
  • Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern.
  • Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
  • Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
  • Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.

Das sollten Sie in keinem Fall tun:

  • Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken
  • Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt

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